Happy Birthday, alte Dame – Die FR feiert mit dem Fest der Demokratie
Die Frankfurter Rundschau wird 80 Jahre alt und zeigt sich beim Fest im Haus am Dom sehr lebendig.
Wie feiert man zünftig einen achtzigsten Geburtstag? Vielleicht mit Kaffee, Kuchen und einer Planwagen-Rundfahrt. Oder man macht es wie die Frankfurter Rundschau am zurückliegenden Samstag und organisiert sich das Haus am Dom im Zentrum Frankfurts, lädt sich jede Menge spannende Expertinnen und Experten ein und die ganze Leserschaft und feiert ein Demokratiefest. Das dann allgemein großes Lob fand.
Da die einzelnen Panels über vier Etagen verteilt waren, galt es, einige Kilometer über das Treppenhaus (oder alternativ etwas weniger über den Lift) zu absolvieren. Mitunter mussten die insgesamt 1500 Gäste harte Entscheidungen treffen, da Veranstaltungen auch parallel stattfanden.

Trotz der Gleichzeitigkeit waren die einzelnen Podien so gut besucht, dass die Sitzplätze meistens nicht reichten und einige Menschen auch stehen mussten.
80 Jahre Frankfurter Rundschau – Viel Programm zum Demokratiefest
Bei „Hebel antwortet“ im Giebelsaal war am Vormittag der Name gleich Programm, denn Stephan Hebel kann auf jede Frage ausführlich antworten. So machte er sich dafür stark, verbrecherische Taten nicht zu relativieren.
Man könne die Nato-Osterweiterung durchaus kritisieren (habe er auch stets getan), aber „warum kann man nicht im ersten Schritt sagen, dass dieser Diktator Putin ein Verbrecher ist? Punkt“. Wenn man dann Luft geholt habe, könne man differenzierend weiter diskutieren.
Wegen dieser und ähnlicher Einschätzungen ist es kein Wunder, dass FR-Leser Joachim Becker anführt: „Ich bin wegen Stephan Hebel hier.“
Der Frankfurter ist seit mehr als 40 Jahren Abonnent der Rundschau und lobte die vielseitigen, interessanten Themen der Diskussionen, auch wenn der Zeitplan sehr gedrängt sei. Von der FR wünscht er sich, dass die Wurzel der Probleme – der Kapitalismus – wieder klarer benannt werde.

Im Foyer des Hauses am Dom stand „Das grüne Sofa“, auf dem den Tag über verschiedenste Persönlichkeiten, angefangen von der EKHN-Kirchenpräsidentin Christiane Tietz über Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef bis hin zu IG-Metall-Chefin Christiane Benner,
Platz nahmen. Im Foyer gab es auch zur FR passende Geschenke wie grüne FR-Kugelschreiber und Blumensamen für den kleinen oder großen Garten oder den Blumentopf. Und da das geneigte Publikum durchaus auch gern noch in der Zeitung schmökert, gab es auch die tagesaktuelle FR-Ausgabe in die Hand.

FR-Urgestein Claus-Jürgen Göpfert (nur echt mit weißem Hut) ist nach eigener Aussage vor seiner ersten von zwei Stadtführungen überhaupt nicht nervös. Er lädt sogar noch zwei Männer ein, doch mitzulaufen, je mehr, desto besser. Die Frontfrau der FR-Band „The After Eighties“ hat dagegen zwei Stunden vor ihrem Auftritt bereits zitternde Hände. Sie liegt nach eigenem Bekunden auf der Nervositätsskala bei einer zwölf von zehn.
Diskussionen über die Demokratie beim Geburtstag der Frankfurter Rundschau
Im Großen Saal diskutiert derweil FR-Redakteur Hanning Voigts mit Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl sowie Journalist und Jurist Ronen Steinke über Schritte gegen die Gefahr von rechts. Strobl analysierte zunächst das Problem, nämlich, dass der Konservatismus immer autoritärer werde und die Parteien der Sozialdemokratie in verschiedenen Ländern immer konservativer. Von Bekenntnissen zu Brandmauern nach rechts sei nichts zu halten.
Das habe sie als Österreicherin in ihrem Land selbst erlebt. Sie empfahl, Themen aufzubringen, bei denen Parteien wie die AfD nicht mitreden könnten. Steinke nahm als Beispiel Daniel Günther (CDU), der sich auf einen Wirtschaftswahlkampf konzentriere. Die Themen der Rechten zu kopieren, sei der falsche Weg.
Den richtigen Weg haben jedenfalls Andreas Apetz und Nils Hinsberger gewählt, als sich die beiden jungen Männer für den Besuch des FR-Festes entschieden haben. „Es werden hier Themen besprochen, die mich selbst beschäftigen“, sagt Apetz. Die Fachleute in den Panels seien hilfreich, sich ein Bild zu machen, und böten Perspektiven, die er selbst nicht eingenommen hätte.
Hinsberger lobt, dass es keine Talks seien, bei denen nur Politiker und Politikerinnen miteinander reden. Die Fachleute hätten einen anderen Anspruch und analysierten das Geschehen. Dann laufen die beiden noch schnell zum Filmkritiker und Podcaster Wolfgang M. Schmitt, mit dem sie ein Selfie machen.
„Mit der Wahrheit ist das so eine Sache“ – Auch der Krieg in Gaza wird Thema
Ernster wird es bei der Diskussion zwischen Inge Günther und FR-Chefredakteurin Karin Dalka. Günther war mehr als zwei Jahrzehnte Nahost-Korrespondentin der Frankfurter Rundschau und hat einen besonderen Blick auf den Krieg in Gaza. „Mit der Wahrheit ist das so eine Sache“, sagte sie.
Gerade die Zahlen von Opfern seien im Detail schwer zu überprüfen, sie ist aber überzeugt, dass die Größenordnungen real seien. Auch die Bilder von verzweifelten Menschen, die nicht genug zu essen haben, seien nicht gestellt, auch wenn Israel dies behaupte. Günther lobt, dass es bei der FR nie einen verengten „Meinungskorridor“ gegeben habe, alle Perspektiven würden beleuchtet.
Der Fahrstuhl surrt in die vierte Etage und ist rappelvoll. Alle wollen die FR-Band hören. „Hier spielt die Musik“, sagt ein Mann, dann laufen alle in den Giebelsaal. Da hat die sechsköpfige Combo bereits angefangen und spielt Songs wie „Write like the wind“ und „Read me“, die wohl jetzt schon als Evergreens gelten dürften.
Viele Köpfe wippen bei den Klängen mit. Es gibt Applaus und „Woohoo“-Rufe. Ein Leser wünscht sich, dass es hoffentlich auch bald die akustische Rundschau für zu Hause geben sollte. Das wäre mal ein Hit.
80 Jahre Frankfurter Rundschau
Am 1. August 1945 erschein die erste Ausgabe unserer Zeitung. Unser Onlinedossier blickt zurück auf die Geschichte, beschreibt die aktuelle Lage der Zeitung. Und berichtet natürlich über die Geburtstagfeiern.
Der Demokratiekongress
Die Diskussionen zum Nachschauen: Sehen Sie hier 16 Panels mit Fachleuten aus Wissenschaft, Publizistik und Politik.
Die Sofatalks mit prominenten Gästen zum Nachhören.
Details zu ausgewählten Panels und Workshops:
- Wofür brauchen wir die Wehrpflicht? (Mit Fabian Lehr und Niklas Schörnig)
- Warum ist Linkssein wieder sexy? (Mit Bodo Ramelow und Stella Merendino)
- Was tun gegen die Klimakrise? (Mit Claudia Kemfert und Thomas Hickler)
- Kann Musik doch die Welt retten? (Mit Bernd Loebe und Günter Frankenberg)
- Konter gegen rechte Parolen. Ein Workshop hilft im Alltag zu argumentieren, wenn man Stereotypen und Rassismus begegnet.
Der Empfang im Römer
Die FR feiert im Römer - ohne Pomp und Lobhudelei. Ein Überblicksartikel.
Das „Who is Who“ beim Empfang für die FR im Römer. Eine Fotostrecke.
Die vier Folgen unserer Historie:
Teil 1: Holpriger Start im August 1945 - die erste Frankfurter Rundschau entstand in den Trümmern des Frankfurter Zeitungsviertels. Zunächst zweimal die Woche. Und in einer streitenden Redaktion.
Teil 2: Pflichtlektüre für die 68er - Nähe und Distanz prägen das Verhältnis der FR-Redaktion zur außerparlamentarischen Opposition.
Teil 3: Eine Zeitung in Not - die FR wird mehrfach spektakulär gerettet.
Teil 4: Die Ippen-Jahre seit 2018 - Eigenständigkeit wird großgeschrieben, auch in Zeiten zahlreicher Kooperationen.
Weitere Inhalte:
Die FR und ihr Grundgesetz: Die Leitlinien aus der Ära von Karl Gerold lesen sich wie geschrieben für die Gegenwart. Die Frankfurter Rundschau ist nicht neutral – sondern antifaschistisch, linksliberal und zuweilen zornig. Ein Essay von Karin Dalka und Michael Bayer.
Im August 1945 war mehr los, als in die Zeitung passte. Ein Blick in die Erstausgabe der Frankfurter Rundschau von Richard Meng.
Zudem: 80 aufregende Jahre - die wichtigsten Stationen der Frankfurter Rundschau in unserer prägnanten Chronik.