Die Frankfurter Rundschau und ihr Grundgesetz

Die Leitlinien aus der Ära von Karl Gerold lesen sich wie geschrieben für die Gegenwart. Die Frankfurter Rundschau ist nicht neutral – sondern antifaschistisch, linksliberal und zuweilen zornig. Ein Essay von Karin Dalka und Michael Bayer.
Starke Worte. Und eine klare Haltung.
Zwölf Jahre lang war unser Leben beherrscht von der Lüge des Goebbels und seiner Kreaturen. Die Lüge hat den deutschen Volkscharakter in verheerender Weise angegriffen. Die Lüge ist eines der vielen Hindernisse bei den Anstrengungen zum Wiederaufbau. Die Frankfurter Rundschau wird ihren Beitrag leisten, um dieses Nazi-Übel radikal auszumerzen.
Die Herausgeber der ersten Frankfurter Rundschau, Sozialdemokraten, Kommunisten und ein linker Katholik, verstanden sich als „vereinte Antifaschisten“ mit einem hohen journalistischen Anspruch: über die Nazi-Zeit aufklären und „dem innersten Wesen der Demokratie nahekommen“. So steht es im Geleitwort auf der FR-Titelseite vom 1. August 1945. Dabei zeigten sich die sieben Männer getrieben von dem quälenden Wissen, dass Millionen Menschen noch am Leben wären, „wenn wir das früher rechtzeitig getan hätten“.
Das ist 80 Jahre her, aber nicht ferne Vergangenheit. In einer Rückschau auf die 60er und 70er Jahre wählt Ex-Chefredakteur Roderich Reifenrath exakt dieselben Worte: „Wir waren Antifaschisten.“ Bei allen Kontroversen sei sich die Redaktion immer einig gewesen, wenn es ums Dritte Reich und die Folgen ging. „Nie wieder: Das hat die Zeitung geformt und zusammengehalten.“
„Wir sind linksliberal“ ist bis heute bei der Frankfurter Rundschau gültig
Wer wissen will, wo die FR heute politisch steht, und sich dafür in der Redaktion umhört, erhält meistens die Antwort: „Wir sind linksliberal.“ Das kommt nicht von ungefähr. Der Begriff „linksliberal“ steht in einem Anhang zum Anstellungsvertrag für jeden Redakteur und jede Redakteurin. Ende der 60er Jahre in der Ära von Karl Gerold, der die Zeitung von 1946 bis zu seinem Tod 1973 führte, wurde die „Haltung der Zeitung“ kodifiziert. Der Vertragsbestandteil enthält quasi das Grundgesetz der Zeitung. Es ist bis heute gültig.
Die Frankfurter Rundschau ist eine von Parteien und Interessengruppen unabhängige Tageszeitung. Ihre Grundhaltung ist sozial-liberal (links-liberal).
Aus heutiger Sicht liest sich die politische Selbstverortung irritierend uneindeutig. Dabei lässt sich die Klammer um die Zuschreibung „links-liberal“ leicht erklären. In der studentenbewegten Zeit wurde die Zeitung zu einem bundesweit gefragten Leitmedium, denn sie transportierte das Lebensgefühl der 68er. Gleichwohl verstanden sich viele leitende Redakteure nicht als explizit links. Das gilt besonders für den Freidemokraten Karl-Herrmann Flach; er war einer von zwei Autoren des „Grundgesetzes“, neben dem langjährigen stellvertretenden Chefredakteur Hans-Herbert Gaebel. Die Kommentare von Karl Gerold passten sowieso in kein Schema. Ex-Chefredakteur Reifenrath beschreibt sie als zumeist kämpferisch, aber „nicht ausgeprägt links oder pointiert liberal oder konservativ – da war oft von allem etwas“. Gerold sei programmatisch keine Leitfigur gewesen.
Klare Haltung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung
Relevant sind politische Koordinaten also nur bedingt. Der Geist der FR atmet vor allem in den 1969 ausformulierten „Richtlinien“ zur Haltung der Zeitung. So wie Generationen vor ihr orientiert sich auch heute die Redaktion an diesem Kodex. Er liest sich erstaunlich aktuell, wie geschrieben für die Gegenwart.
Die Frankfurter Rundschau weiß sich dem Geist des Grundgesetzes, vor allem den Grund- und Freiheitsrechten, wie überhaupt den allgemeinen Menschenrechten verpflichtet.
Das gilt zuallererst für die Garantie der Menschenwürde in Artikel 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Nicht die Würde der Deutschen, sondern aller Menschen – das ist eine klare Absage an völkisches Denken und jede Form eines kulturell-ethnischen Nationalismus, wie ihn die AfD und neurechte Kreise lautstark vertreten. Jahrzehnte nach dem Geleitwort der Antifaschisten hat die Frankfurter Rundschau nun wieder zunehmend Anlass, gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit anzuschreiben. Und sie tut es. Sie diskutiert das Für und Wider eines AfD-Verbots. Sie unterstützt den Protest gegen rechts. Und sie schaut seit Jahren ganz genau nach Hanau.
Dort wurden bei einem rassistischen Anschlag am 19. Februar 2020 neun Menschen ermordet. Die FR begleitet seither die Familien und prangert die mangelhafte Aufklärung an. In der Zeitung, multimedial, in Diskussionen mit Opfern und Verantwortlichen.
Weil auch Eintracht Frankfurt eine klare, engagierte Haltung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung vertritt, berichten die Sportkollegen besonders gerne über den Traditionsverein – täglich und ausführlich.
Schicksal von Geflüchteten bewegt die Frankfurter Rundschau besonders
Das Schicksal von Frauen und Männern, die vor Gewalt und Armut aus ihrer Heimat flüchten, bewegt die Redaktion besonders. Schon als Anfang der 90er Jahre die Debatte um eine Verschärfung des Asylrechts aufflammte, schreibt die FR dagegen an – und bleibt konsequent dabei. Aber vergeblich. „Die EU-Asylpolitik ist zum Kampf gegen Flüchtlinge geworden“, kommentiert die Zeitung. Die Staaten überbieten sich in einem migrationsfeindlichen Wettbewerb, Deutschland inklusive.
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, heißt es im Grundgesetz. Schön wär’s. Es reicht ein flüchtiger Blick in die Bundesregierung und Vorstandsetagen, um zu erkennen, wie weit wir davon entfernt sind. Selbst Erreichtes ist nicht sicher; auf vielen Ebenen droht ein Rollback. Macht ist männlich, Altersarmut weiblich. Deshalb ist die FR eine Feministin. Sie gendert hartnäckig, ist manchmal laut und oft wütend. Ein Appell zum Weltfrauentag: „Hört auf, nett zu sein.“
Datenschutz, Videoüberwachung oder Vorratsdatenspeicherung
Die Bedrohung der Grund- und Freiheitsrechte hat die Redaktion im Kopf, wenn sie zu besonderer Vorsicht mahnt in den Bereichen Datenschutz, Videoüberwachung oder Vorratsdatenspeicherung.
Die Frankfurter Rundschau tritt für eine ständige Reform unseres Gemeinwesens ein, um es im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung moderner, liberaler und sozial gerechter zu gestalten.
Gerechtigkeit ist ein großes Thema der Frankfurter Rundschau – das gilt für die Redaktion genauso wie für unsere Leserschaft. „Was ist gerecht?“, fragte die FR im Herbst 2014. Die dreimonatige Serie stieß auf große Resonanz.
Aber natürlich ist Gerechtigkeit jeden Tag ein wichtiger Maßstab. Das zeigt besonders der Wirtschaftsteil, der sich nicht auf die Berichterstattung über den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen konzentriert. Die FR nimmt in den Fokus, wie es den Menschen geht. Marktkritisch untersucht sie Ungleichheiten als Folge neoliberaler Politik. Dabei macht sie sich für Rechte von Verbrauchern und Verbraucherinnen sowie der Beschäftigten stark. Gewerkschaften sind eine Kraft, unser Land sozial gerechter zu machen. Entsprechend aufmerksam verfolgt die Zeitung beispielsweise Tarifauseinandersetzungen.
Die Frankfurter Rundschau mit Blick auf den Arbeitsmarkt
Die FR will genau verstehen, was sich auf dem Arbeitsmarkt tut. Deshalb hat sie mit dem Darmstädter Wirtschaftsforschungsinstitut Wifor den Frax entwickelt. Grundgedanke dieses Arbeitsmarktindex ist: Alleine die Arbeitslosen- und Erwerbstätigenzahlen ermöglichen keine sinnvolle Bewertung. Es kommt auch auf die Qualität der Arbeit an; darauf, dass die Menschen von ihrem Lohn leben können, dass Jugendliche gut ausgebildet werden, und dass auch Ältere oder Langzeitarbeitslose Chancen haben, eine Stelle zu finden. Das Wifor wertet Informationen dazu aus und präsentiert sie quartalsweise als Frax, exklusiv in der FR.

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Immer mehr Menschen wollen im Rhein-Main-Gebiet leben. Für die FR-Lokalredaktion ist klar: Nicht der Markt darf darüber entscheiden, wer in Frankfurt wohnt. Aber fast nur noch Menschen mit hohem Einkommen können eine Wohnung in der Stadt bezahlen. Es braucht Instrumente wie die Mietpreisbremse oder ein Vorkaufsrecht für die Kommune. Die städtische Baugesellschaft muss ihren Fokus auf geförderten Wohnraum legen.
Der internationale Welthandel setzt die Ausbeutung des globalen Südens fort. Die FR nimmt die Perspektive der Menschen ein, die für den Wohlstand der Industrienationen einen hohen Preis zahlen. Sie setzt sich für faire Handelspraktiken ein und für die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte und Umwelt an allen Stationen ihrer Lieferketten.
Für die Frankfurter Rundschau schreiben Journalistinnen und Journalisten aus fast allen Teilen der Welt
Womit wir bei einem weiteren Kern unserer Berichterstattung wären: jener aus dem Ausland. Schon Werner Holzer, von 1973 bis 1991 Chefredakteur, legte Wert darauf, dass die Frankfurter Rundschau aus eigener Anschauung aus der Ferne berichtet. Er hatte selbst lange als Reporter in Afrika, den USA und Südostasien gearbeitet. Auch heute schreiben engagierte Journalistinnen und Journalisten aus fast allen Teilen der Welt. Ihre Reportagen finden oft einen prominenten Platz im doppelseitigen Magazin.
FR-Ausgaben
Sechs Ausgaben gibt es von der gedruckten FR.
Deutschland-Ausgabe: Sie erreicht Leserinnen und Leser außerhalb des Rhein-Main-Gebiets. Auf sie entfallen etwa 25 Prozent der Auflage.
Stadtausgabe: In Frankfurt landen etwa 30 Prozent der Zeitungen in den Briefkästen.
Regionalausgaben: Die verbleibenden Rundschauen gehen ins erweiterte Rhein-Main-Gebiet. Es gibt vier Varianten mit verschiedenen Regionalseiten – für Darmstadt und Offenbach, die Wetterau und Main-Kinzig, den Main-Taunus-Kreis oder den Hochtaunuskreis.
18 Prozent unserer Abonnentinnen und Abonnenten lesen die FR als E-Paper auf Tablet, Smartphone oder Computer. FR
Eine Frage der Gerechtigkeit – und zwar über Generationen und nationale Grenzen hinweg – ist auch der Kampf gegen den Klimawandel. Dafür müssen wir Fabriken, Heizungen und Autos so bauen, dass sie keine fossilen Stoffe mehr verbrennen und nicht weiter schädliche Treibhausgase erzeugen. Doch Deutschland lässt sich, wie selbst das Bundesverfassungsgericht feststellte, mit der Umstellung zu viel Zeit. Umso schwerer werden es unsere Kinder haben.
Wo stehen wir im Kampf gegen den Klimawandel? Das ist die zentrale Leitfrage der Klimaseite, die seit dem Herbst 2022 jeden Tag erscheint. Sie fügt sich ein in die jahrzehntelange Berichterstattung über Umweltthemen in der Zeitung.

Auch an dieser Stelle beobachtet die Redaktion aufmerksam, wie sich die angestrebte Dekarbonisierung auf das Leben der Menschen auswirkt – vor allem finanziell. Wärmepumpe, Elektroauto und Photovoltaikanlage wollen erstmal bezahlt werden. Das wird eher Haushalten mit überdurchschnittlichen Einkommen gelingen. Sie dürfen mit hoher staatlicher Förderung rechnen – und sparen künftig neben CO₂ auch massiv laufende Kosten. Jene hingegen, die sich die Umstellung nicht leisten können, müssen mit Blick auf wachsende CO₂-Abgaben immer mehr Mittel für Benzin und Erdgas einplanen. In Leitartikeln mahnt die FR beharrlich einen Ausgleich an: „Das Klimageld ist überfällig.“
Die Frankfurter Rundschau tritt - unabhängig von der Beurteilung ihrer sachlichen Ziele - für die Rechte der Minderheiten ein, auch für ihr Recht, sich zu organisieren und für ihre Auffassung zu werben.

Den Menschen, die zu wenig gehört werden, eine Stimme zu geben – das ist ein Anliegen quer durch alle Ressorts. Vor einigen Tagen widmete die Redaktion die wichtigsten Plätze der Zeitung dem Thema queeres Leben. Titelseite, Tagesthema und Leitartikel fassten zusammen: Hass gegen Menschen mit einer Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung, die nicht als mehrheitskonform gelten, wird aus der rechten Ecke geschürt. Die rückwärtsgewandte Politik von Schwarz-Rot trägt nicht dazu bei, diese Menschen besser zu schützen.
Die Lokalredaktion berichtet regelmäßig über die Lebensumstände von Sinti und Roma in Frankfurt. Das Wochenendmagazin FR7 veröffentlichte eine sehr persönliche Reportage über eine Sinti-Familie, die davon erzählt, wie es sich mit Vorurteilen und Diskriminierung lebt. Der Text, auch als interaktive Webstory veröffentlicht, wurde ausgezeichnet mit dem Alternativen Medienpreis.
Immer wieder spricht das Frankfurt-Reportageteam mit Menschen, die von Armut betroffen sind, die wegen einer Behinderung ausgegrenzt sind oder zwar geradeso ihre Miete und das Essen bezahlen können, aber von der Teilhabe am Stadtleben ausgeschlossen sind. In der Diskussion über die Zukunft des Frankfurter Bahnhofsviertels legt sich die FR mit Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) an und fordert: Die Stadt Frankfurt darf Drogenabhängige aus anderen Städten nicht abweisen, solange Angebote für diese Menschen fehlen. Eine überraschende Mehrheit im Römer sieht das am Ende genauso.
Die Frankfurter Rundschau lehnt Gewalt als Mittel innenpolitischer Umgestaltung in der Bundesrepublik Deutschland ebenso ab wie als Instrument zwischenstaatlicher Beziehungen. Gewalt muss …im persönlichen, gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Bereich auf das Recht auf Notwehr beschränkt bleiben. Die Frankfurter Rundschau vertritt eine Außenpolitik des Friedens, der Entspannung und der europäischen Einigung. Sie hält … die Zusammenarbeit von Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung für möglich und nötig.
Das Nein zu Gewalt, Militarismus und Aufrüstung gehört zur DNA der Frankfurter Rundschau. Die Teilnahme der Redaktion an der Bonner Friedensdemo 1981 gegen den Nato-Doppelbeschluss kam einem „Betriebsausflug“ gleich, erinnert sich der spätere FR-Nachrichtenchef Wolf Gunter Brügmann. Sein Kollege Anton-Andreas Guha eilte als prominenter Unterstützer der Friedensbewegung von Podium zu Podium. Aber im FR-Büro am Nachbarschreibtisch gab ihm ein Oberstleutnant der Reserve Kontra, dieser war der zuständige Redakteur für Sicherheitspolitik. Über Krieg und Frieden lässt sich trefflich streiten.

Die überfallene Ukraine kämpft seit mehr als drei Jahren um ihr Überleben. Deutschland liefert mehr und mehr tödliche Waffen. „Der Westen muss bereit sein für eine lange und harte Auseinandersetzung mit Russland“, kommentierte die FR am 25. Februar 2022. „Wichtig ist, dass Kiew bekommt, was es benötigt.“
Die Redaktion tut sich nicht leicht damit, sich in Solidarität mit einem Land in Notwehr über die friedenspolitische Ausrichtung zu verständigen. Die verlangt wird von der deutschen Verfassung und den eigenen Leitlinien. Diesen Konflikt macht die FR transparent – durch das Eingeständnis politischer und moralischer Dilemmata oder Kommentare für und gegen Hochrüstung. Und mit abwägenden Analysen sowie Interviews mit Friedensaktiven und Militärfachleuten.
In der Serie „Friedensfragen“, anfangs intern sehr umstritten, kommen Initiativen, Konfliktforscherinnen und -forscher, Gewerkschaften, Kirchenleute und Verbände zu Wort, die nach Auswegen jenseits militärischer Logik suchen. Den Meinungsstreit, den die Redaktion mit sich führt, mutet sie auch ihrer Leserschaft zu, die sich mit kritischen Zuschriften im FR-Blog und im Forum beteiligt.
Lesetrends
Welche Themen, welche Texte kommen bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, besonders gut an? Darauf ist die Redaktion Tag für Tag gespannt. Anhaltspunkte dafür liefert eine Statistik aus dem E-Paper. Sie zeigt, wie oft ein Text in der Einzelansicht aufgerufen wurde.
So wissen wir: Fast alle interessieren sich – unabhängig vom Wohnort – für das Thema des Tages, den Politikteil und die Meinungsseite. Danach geht es dann je nach individuellen Vorlieben weiter: Lokales oder Sport, Feuilleton oder Wirtschaft.
Um Solidarität und ihre Grenzen geht es auch im Zusammenhang mit dem Krieg, den Israel seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 im Gazastreifen führt. Die Lage im Gazastreifen hat sich seither Monat um Monat dramatisch verschlechtert. Es herrscht Hunger.
Israel kritisiert den politischen und medialen Fokus auf diese Katastrophe als einseitig. Auch hierzulande werden Kritik an der Regierung Netanjahu, pro-palästinensische Proteste und Berichte von Menschenrechtsgruppen zuweilen als unausgewogen und sogar antisemitisch markiert.
Israel und Gaza: Über falsch verstandene Staatsräson und einen überdehnten Antisemitismus-Begriff
Und wie reagiert die FR? Sie berichtet über die wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle und fordert einen besseren Schutz von Jüdinnen und Juden im Alltag. Reportagen aus Nahost erzählen von den Qualen der Geiseln in der Gewalt der Hamas und dem Leid ihrer Angehörigen. Aber ebenso vom Sterben der ausgebombten und hungernden Palästinenserinnen und Palästinenser. Zugleich lässt das Feuilleton kluge Köpfe in viel beachteten Interviews und Gastbeiträgen über Schuld und Scham reflektieren. Über Erinnerungskultur und Cancel Culture. Über falsch verstandene Staatsräson und einen überdehnten Antisemitismus-Begriff. So verschafft es Stimmen Gehör, die in vergifteten Debatten von Lautsprechern übertönt werden oder gar nicht erst zu Wort kommen.
Der Redakteur hat die Pflicht, sich um Objektivität zu bemühen.
Guter Journalismus lässt alle Seiten zu Wort kommen, er schöpft aus vielen Nachrichtenquellen und betrachtet seinen Gegenstand aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Das ist nicht zu verwechseln mit einer naiven Vorstellung von Objektivität und Wahrheit, die auch den Vätern des FR-Grundgesetzes fernlag.
Journalismus ist nie neutral. Allein schon die Auswahl der Themen und der mehr oder weniger große Stellenwert von Nachrichten sind eine Wertung. Das ist kein Freibrief für Beliebigkeit – schon gar nicht für einen Kampagnenjournalismus, wie ihn die Boulevardzeitung mit den vier großen Buchstaben betreibt. Ganz zu schweigen von rechten und rechtsextremen Medien im Netz und in der analogen Welt, die die demokratieschädliche Wirkung ihrer Hetze und Lügen als „Triumphe“ feiern. Wie in der Causa Frauke Brosius-Gersdorf, die im Juli als Kandidatin für das Amt der Verfassungsrichterin keine Mehrheit im Bundestag bekommt.
Eine „Zeitung mit Haltung“, als die sich die Frankfurter Rundschau versteht, muss wahrhaftig und glaubwürdig sein. Sie orientiert sich am Ideal eines demokratischen Diskurses. Ein solcher Kommunikationsraum ist überlebenswichtig für eine Demokratie. Er gehört zu ihrem „innersten Wesen“, von dem die antifaschistischen Gründer sprachen. Die Lüge in Form von Fake-News, Propaganda und orchestrierter Desinformation ist damals wie heute ihr größter Feind.
80 Jahre Frankfurter Rundschau
Am 1. August 1945 erschein die erste Ausgabe unserer Zeitung. Unser Onlinedossier FR80 blickt zurück auf die Geschichte, beschreibt die aktuelle Lage der Zeitung – und stellt das Programm unserer politischen Geburtstagsfeier am 20. September vor, zu der Sie herzlich eingeladen sind.
Die vier Folgen unserer Historie:
Teil 1: Holpriger Start im August 1945 - die erste Frankfurter Rundschau entstand in den Trümmern des Frankfurter Zeitungsviertels. Zunächst zweimal die Woche. Und in einer streitenden Redaktion.
Teil 2: Pflichtlektüre für die 68er - Nähe und Distanz prägen das Verhältnis der FR-Redaktion zur außerparlamentarischen Opposition.
Teil 3: Eine Zeitung in Not - die FR wird mehrfach spektakulär gerettet.
Teil 4: Die Ippen-Jahre seit 2018 - Eigenständigkeit wird großgeschrieben, auch in Zeiten zahlreicher Kooperationen.
Weitere Inhalte im Dossier (Auszug):
Im August 1945 war mehr los, als in die Zeitung passte. Ein Blick in die Erstausgabe der Frankfurter Rundschau von Richard Meng.
Zudem: 80 aufregende Jahre - die wichtigsten Stationen der Frankfurter Rundschau in unserer prägnanten Chronik.