Ein Verein, der viele gute Zeichen setzt

Der FC Gudesding wird im Frankfurter Römer mit dem Schlappekicker-Preis ausgezeichnet.
Es ist ein Zeichen, das auf dem Fußballplatz bisher seinesgleichen sucht. Mit einem weißen X auf den Trikots bezieht der FC Gudesding Frankfurt seit Anfang Oktober eindeutig Stellung zu einem Problem, das von der Gesellschaft meist totgeschwiegen wird: sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Gerade auch ein Sportverein habe hier eine Vorbildfunktion, sagt Gudesding-Sportvorstand Bela Cohn-Bendit, Beispiele für Machtmissbrauch gebe es in allen Sportarten: „Ich bin stolz darauf, dass wir uns bei diesem Tabuthema als erster Verein ganz klar positioniert haben.“
Mit dem weißen X unterstützt der Frankfurter Kreisligist die Initiative „Kein Raum für Missbrauch“ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, der in einem offiziellen Statement zum Start der Kampagne den FC Gudesding als „leuchtendes Vorbild“ für alle Fußballvereine in Deutschland bezeichnete. Wie wichtig das Engagement ist, zeigt ein Blick auf die polizeiliche Kriminalstatistik, die jährlich mehr als 12 000 angezeigte Missbrauchsfälle aufweist. Und das ist nur die offizielle Zahl, die Dunkelziffer liegt noch sehr viel höher.
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Dass Gudesding auf Anregung von Adrian Koerfer, einem Mitglied des Betroffenenrates, bei der Initiative einstieg, war eine Selbstverständlichkeit, wie der Vorsitzende Rainer Weiss in einem Interview des „Hessen-Fußball“-Magazins darlegte: „Wir tragen das Thema in die Kreisliga, denn ein Verein muss ja schließlich damit anfangen. Es ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema und passt zu einem Sportverein, in dem sich viele junge Menschen betätigen.“
„Kein Raum für Missbrauch“ ist das jüngste Projekt des FC Gudesding, der für sein gesamtes gesellschaftliches Engagement heute Abend im Frankfurter Römer den mit 5000 Euro dotierten Schlappekicker-Preis der Frankfurter Rundschau erhält. Dass nicht allein das Sportliche im Mittelpunkt stehen sollte, war Bela Cohn-Bendit, Luis Engelhardt und Jakob Berthoud schon im Frühsommer 2011 wichtig, als die Idee für die Gründung eines Vereins am Küchentisch ihrer Studenten-WG in Bornheim geboren wurde. So lag ihnen beispielsweise die Integration geflüchteter Menschen von Beginn an sehr am Herzen. Der Vorstand leistet Unterstützung bei der Ausbildungs- und Wohnungssuche, vermittelt Sprachkurse, hilft bei Behördengängen und setzt an erster Stelle auf das interkulturelle Lernen und Kennenlernen. „Unser Verein lebt das, was die Stadt ausmacht: Bunte Vielfalt, das multikulturelle Miteinander“, sagt Berthoud: „Sport ist ein Supermittel, um den Jungs den Einstieg zu erleichtern.“ 22 verschiedene Nationalitäten sind bei Gudesding mittlerweile vertreten, mehrere Syrer, die vor dem Bürgerkrieg geflüchtet sind, schnüren beim FC Gudesding die Fußballstiefel.
Am 5. Januar 2012 wurde der Klub ins Vereinsregister eingetragen – unter einem Namen, der wohl besser kaum passen könnte. Nach einem Stadtviertel wollten sich die Kumpels nicht benennen, nach einer Farbe wie Blau-Weiß auch nicht – was also blieb übrig? Ein Begriff, der im Freundeskreis gang und gäbe war und ursprünglich auf einem Satz aus der TV-Serie „Stromberg“ beruhte: „Das ist ein gutes Ding.“ „Gud“ sind in der Tat viele Dinge, wie man dem Credo des Vereins entnehmen kann: „Gud is: Respekt“, heißt es dort, „Gud is: Toleranz, Gud is: Fair Play, Gud is: Freundschaft, Gud is: Zuverlässigkeit, Gud is: Es ist nur ein Spiel.“
Ein Spiel nur, ja, trotzdem blieb der FC Gudesding von den dunklen Frankfurter Seiten nicht verschont. In der Nacht vom 9. auf den 10. April 2016 hatten Unbekannte die gemeinsam mit dem FFC Olympia genutzte Sportanlage im Ostpark mit Hakenkreuzen und Parolen wie „Heil Hitler“ und „Lauf, Jude, lauf“ beschmiert. Wer dahintersteckte, wurde nie geklärt, nicht auszuschließen ist jedoch, dass es sich um eine gezielte Attacke handelte, wie auch Daniel Cohn-Bendit, der heute Ehrenpräsident des FC Gudesding ist, damals im Gespräch mit der FR vermutete: „Es kann sein, dass es Gudesding als sogenannten jüdischen Verein treffen sollte. Es ist bekannt, dass ich lange Präsident war.“
Der Verein erstattete umgehend Strafanzeige, wurde aber auch auf andere Weise tätig. Gudesding organisierte nur eine Woche später einen „Spieltag gegen Antisemitismus“ und rief dabei alle Vereine der Stadt dazu auf, sich gemeinsam gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu solidarisieren. „Die Reaktion war ungemein positiv, viele Frankfurter Vereine haben sich auf unsere Seite geschlagen“, sagt Bela Cohn-Bendit, der im Sport ein ideales Medium gegen Antisemitismus sieht: „Weil der Sport alle erreicht, von oben bis unten, von hinten bis vorne.“
Mit diesem einen Spieltag ist es aber nicht getan. „Wir haben lange überlegt, wie wir unser Projekt ausbauen können“, sagt Engelhardt. Inzwischen ist die Antwort da: Im April 2018 wird es einen zweiten Spieltag gegen Antisemitismus geben – pünktlich zum Geburtstag von Julius Hirsch, der von 1911 bis 1913 siebenmal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft getragen hat, im März 1943 von den Nazis nach Auschwitz-Birkenau deportiert und später dort ermordet wurde.
Zudem hat der Verein Kontakt zu Professor Dr. Julia Bernstein von der Frankfurt University of Applied Sciences aufgenommen. Der Dialog mit der Antisemitismusforscherin ist in vollem Gange. Auch dies hilft den Verantwortlichen von Gudesding, die über dieses Projekt sogar einen Film drehen wollen, der später einmal in Schulen gezeigt werden soll. „Wir hoffen, dass diese Initiative von allen Frankfurter Vereinen getragen wird“, so Engelhardt.
Die Arbeit im Ostpark geht also immer weiter. Es ist davon auszugehen, dass Gudesding auch künftig noch viele gute Zeichen setzen wird.