Der Anti-SUV

Der Verkehr in den Innenstädten muss sich verändern und der Designer Kurt Rosenthal will einen Beitrag dazu leisten: Mit dem Elektroauto Kuro, das kürzer ist als ein Smart – und trotzdem mehr Stauraum bietet
Pinochets Machtergreifung in Chile hat er miterlebt, Rudi Dutschkes Besetzung des Springer-Hauses gefilmt, Preise für seine Dokumentationen gewonnen. Nun hat Kurt Rosenthal, 82 Jahre alt, ein Auto erfunden.
Es steht auf dem massiven Holztisch in seinem Mainzer Atelier. Also nicht das fertige Auto, sondern ein kleines, selbst gebasteltes Modell. Rosenthal hat dem Auto sein eigenes Kürzel gegeben: „Kuro“. Kuro, das Stadtauto. Platzsparend soll es sein, umweltschonend und trotzdem geräumig. Mit seinen zwei Meter Länge unterbietet das Gefährt sogar den kompakten Smart. Damit könne man problemlos quer zur Fahrbahn parken, betont Rosenthal: „Kuro braucht nur einen halben Parkplatz!“
Damit das Auto kurz ist, hat sein Erfinder den Kofferraum hinten verkleinert und zusätzlichen Stauraum aufs Dach gepackt. Mehr als 400 Liter Gepäck lassen sich darin verstauen. Nimmt man die beiden Beifahrersitze heraus, sind es mehr als 800 Liter. Das Auto hat keine Rückbank, bietet aber vorne Platz für drei Personen. „Ein Auto einfach kürzen kann jeder“, sagt Rosenthal, „aber man muss das Gesamtpaket betrachten!“
Mini-Elektroauto Kuro: Zur Zielgruppe gehören etwa Liefer- und Pflegedienste
Dass sich der Verkehr in überfüllten Innenstädten wie Hamburg, Berlin oder Frankfurt verändern muss, ist wohl unumstritten. Kurt Rosenthal möchte mit Kuro – ein Elektroauto – seinen Beitrag leisten. Zwischen 150 und 200 Kilometer weit soll es mit aufgeladenen Batterien fahren können, bei höchstens 80 Stundenkilometern. Wer also gehört zur Zielgruppe eines Miniautos, das für Langstrecken ungeeignet ist? In einer Zukunft, in der der Individualverkehr in Innenstädten verringert werden muss? Rosenthal nennt Liefer- und Pflegedienste als Beispiele, Medikamententransporte oder Handwerker. Rund 20 deutsche Städte kämen für Kuro infrage.
Seit der Künstler und Filmemacher 2018 die Idee für dieses Automobil hatte, ist er ständig dabei, es zu optimieren. Es gibt eine eigene Homepage mit einem Werbefilm, in dem Rosenthal seine Erfindung vorführt. Auch an das Bundeswirtschafts- und Bundesverkehrsministerium hat er sich gewandt. Doch nicht nur viel Zeit steckt er in das Projekt – es wird immer mehr zur Kostenfrage: Die Idee und das Design schützen zu lassen, habe mehrere Tausend Euro gekostet, erzählt Rosenthal. Doch er betont: „Kuro steht noch ganz am Anfang.“
Große Autofirmen seien noch zu sehr auf SUVs fokussiert
Das Erfinden liegt in der Familie. Rosenthals Söhne haben gerade alle Hände voll zu tun mit dem Vertreiben der „Schloris“: bunte Kissen aus Baumwollstoff, mit denen Kinder schwimmen lernen können.
Mehr als 20 Jahre lang hat Rosenthal zusammen mit seiner Frau Christine in Südamerika gelebt, an Filmhochschulen gelehrt und Dokumentarfilme gedreht über Heiler und Goldsucher. „Bei jedem Film war auch ein neues Thema da“, sagt Rosenthal. 1999 kehrten sie nach Deutschland zurück und leben nun im Mainzer Kunstquartier „Alte Patrone“, zwischen Kindergarten und Modedesignerinnen. In ihrem Atelier hängen selbst gemalte Bilder, die das Meer und die Berge zeigen; Keramikfiguren wachen auf den Fensterbänken, Fantasiewesen krabbeln über die Wände.
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Und nun also Kuro. „Leider sind die großen Autofirmen an solch kleinen Autos noch nicht interessiert“, sagt Rosenthal und kritisiert, dass die sich noch immer zu sehr auf SUVs konzentrieren würden. Große, schnelle Autos spielen als Statussymbol noch immer eine Rolle in Deutschland – doch Studien zeigen, dass klassische Luxusgüter vor allem in jüngeren Generationen zunehmend an Bedeutung verlieren. Und noch etwas könnte Rosenthal Hoffnung geben: Zwar ist Deutschland im Bereich Elektromobilität lange Zeit hinterhergehinkt – nun aber kommt Schwung in den Markt: 2020 stieg die Zahl der Neuzulassungen im E-Auto-Bereich rasant auf fast 400 000; in diesem Jahr soll die Eine-Million-Marke geknackt werden.
Ist Rosenthal also seiner Zeit voraus? „Wenn irgendjemand mit so einem Modell anfängt, würden alle anderen sofort nachziehen“, ist sich der Erfinder sicher. „Ich muss einfach unendlich viel Geduld haben.“