Umweltschutzprojekt in Westafrika: Aus Müll die Zukunft bauen

Friedrich und Charlotte Bronisch, ein deutsch-ghanaisches Paar, sagen der Plastikflut in Togo den Kampf an - und wollen ein Umweltprojekt aufbauen.
„Plastic for Future“ - das klingt, als sei Friedrich Bronisch ein ausgesprochener Fan des Materials, das die Welt nachhaltig vermüllt. Doch da hätte man den Namen seines Projektes gründlich missverstanden. Der 31-jährige Thüringer hält Plastik eher für eine Plage und hat dem Kunststoffmüll den Kampf angesagt. Nicht in seiner Heimat in Thüringen, sondern in Togo in Westafrika.
Manche mögen den gelernten Lehmbauer deshalb für verrückt halten. Doch Bronisch hat einen gut durchdachten Plan und vor allem ein starkes, familiäres Motiv. „In Togo lebt meine Frau Charlotte mit unseren drei Kindern“, erzählt der Thüringer, der im Moment noch zwischen zwei Welten „pendelt“. Etwa ein Drittel des Jahres verbringt er in einem Ort bei Gotha und ist dort als Berater für ökologische Bausanierungen tätig. Den Rest der Zeit lebt er in Westafrika mit der Familie.
Umweltprojekt in Togo: Gemeinsam gegen Bild der Vermüllung
Mit diesem Hin und Her aber soll es bald ein Ende haben. „Gemeinsam mit meiner Frau will ich in Togo etwas aufbauen, etwas mit einem sozialen Mehrwert schaffen, für eine bessere Zukunft der Menschen dort und für unsere Kinder“, sagt Bronisch.
Gleich nach dem Abitur war er nach Afrika aufgebrochen, „um seinen Horizont zu erweitern“. Zunächst war Kenia sein Ziel, es folgten weitere Länder im Subsahara-Raum. „Und überall haben mich die Berge aus Plastikmüll begleitet“, sagt Bronisch. Flaschen, Becher, Tuben, Dosen, die Straßen und Strände verschmutzen, in Flüssen und Meeren treiben und sich langsam zu Mikropartikeln zersetzen, die dann von Fischen und Plankton aufgenommen werden. Auch in Togo, wo er vor sechs Jahren seine aus dem Nachbarland Ghana stammende Frau kennenlernte, bot sich ihm dieses Bild der Vermüllung. „Wir wissen ja, dass die Länder des globalen Nordens an diesem Problem einen großen Anteil haben, weil sie Plastikmüll nach Afrika und Asien verschiffen.“ In Staaten, in denen es meist keine geregelte Abfallentsorgung und kein Recycling gibt.

Plastik soll bei Umweltprojekt in Togo in Öl zurückverwandelt werden
Zumindest in Togo soll sich das mit Bronischs Hilfe jetzt ändern. Beginnen wollen sie damit in Kpalimé, der mit rund 90.000 Menschen viertgrößten Stadt des Landes. Geht der Plan auf, können sie dort bald eine Anlage in Betrieb nehmen, die Plastikabfälle in Rohöl recycelt. Dabei setzen die Bronischs auf eine Technik, der das Dresdner Start-up Biofabrik jetzt zum Durchbruch verhelfen will. Mittels Pyrolyse werden dabei kleingehäckselte Kunststoffe bei hohen Temperaturen unter Entzug von Sauerstoff erhitzt und Abfälle wie Sand und Salz herausgefiltert, erklärt Biofabrik-Manager Hendrik Oeser. Plastik wird so in Öl zurückverwandelt.
Kunststoff muss also nicht mehr in Deponien abgeladen oder verbrannt werden. Was die Anlage ausspuckt, kann wieder zu Plastik werden, ohne neue fossile Rohstoffe zu verbrauchen. In mehrjähriger Entwicklungsarbeit haben die Ingenieure von Biofabrik die Technik so optimiert, dass die für die Pyrolyse erforderliche Temperatur von 500 Grad möglichst effizient erreicht wird. Aus 1000 Kilogramm Kunststoff werden in der Wastx-Plastic-Anlage laut Oeser rund 950 Liter Rohöl.
Investition von 430.000 Euro für Umweltprojekt in Togo
Biofabrik setzt dabei auf kleine, dezentrale Module, die leicht mit dem Tablet gesteuert und auch von der Ferne gewartet werden können. Vier dieser Mini-Fabriken will das Dresdner Start-up in einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Schweizer Entsorgungsunternehmen Enespa demnächst hierzulande in Betrieb nehmen. Weitere Anlagen für Kunden in Großbritannien, Nigeria, Bahrain und Singapur seien bereits in Auslieferung, sagt Biofabrik-Manager Oeser.
Und auch Friedrich und Charlotte Bronisch, die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit technisch beraten werden, wollen möglichst bald ordern. Doch zuvor ist da noch die entscheidende Hürde der Finanzierung zu nehmen. Mit Kosten von rund 300.000 Euro für die Anlage müssen sie rechnen. Alles in allem sieht ihr Business-Plan eine Investition von rund 430.000 Euro vor. Schließlich muss auch ein Grundstück gekauft und die nötige Infrastruktur rund um die Recycling-Fabrik in Kpalimé geschaffen werden.
Umweltprojekt gegen Plastikmüll in Togo hofft auf Spendenaktion
Noch sind die Bronischs dafür auf der Suche nach dem nötigen Startkapital, wollen verschiedene Quellen anzapfen, bemühen sich gerade um Fördermittel des Bundesumweltministeriums. Auf der Internet-Plattform Go Fund Me haben sie zudem eine Kampagne gestartet, um Menschen zu gewinnen, die in ihr Start-up investieren. Sie betonen dabei den „sozialen Mehrwert“ ihres Projektes. „Wir wollen Jobs schaffen, die ein besseres Leben ermöglichen“, sagt Friedrich Bronisch. Er denkt da vor allem an Beschäftigung für Menschen, die den Plastikmüll in der Stadt einsammeln und zur Recyclinganlage bringen, aber auch an Beschäftigte, die technisch qualifiziert werden, um die Anlage zu warten und instandzuhalten.
Togo gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Auf dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen belegt es Rang 167 von 189 Staaten. Viele Familien müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Gerade Menschen ohne Ausbildung haben es schwer, über die Runde zu kommen.
Neue Perspektiven durch Umweltprojekt in Togo: Dreifacher Tagesverdienst fürs Müllsammeln
Mit „Plastic for Future“ könnte der Verdienst der Beteiligten stark steigen und den Beschäftigen neue Perspektiven eröffnen. Die Bronischs haben das penibel durchgerechnet, Säcke mit unterschiedlichsten Kunststoffabfällen befüllt, gewogen und kalkuliert, was in einer Sammel-Schicht drin ist. „Mit 35 Säcken ist ein Tagesverdienst von vier Euro und mehr möglich“, sagt Bronisch. „Damit können die Menschen ihren bisherigen Tagesverdienst verdreifachen.“ Sie sollen über das Start-up auch sozialversichert werden und eine Schutzausrüstung für ihren Job erhalten. Von den erwirtschafteten Gewinnen sollen 20 Prozent in soziale und Umweltprojekte wie die Aufforstung der Region fließen.
Und was passiert mit dem zurückgewonnen Öl? Dafür gibt es bereits einen Abnehmer in der togolesischen Hauptstadt Lomé. Mit der Raffinerie eines deutschen Chemiekonzerns sei schon eine Rahmenvereinbarung zum Ankauf des Rohstoffs getroffen worden, sagt Bronisch, der gemeinsam mit seiner Frau längst über die erste Recycling- Anlage hinaus denkt. Um den gesamten Plastikmüll von Kpalimé zu verwerten, bräuchte es viele weitere Wastx-Module aus Dresden. Und die Stadt im Süden Togos könnte nur der Startpunkt für eine landesweite Entsorgungsmission sein.
Er müsse das nicht allein stemmen, sondern könne anderen ja auch ein Beispiel geben, in das Recycling einzusteigen, sagt Bronisch. Er ist in der Tat kein Plastik-Fan, aber auch kein Utopist. „Die Welt wird nie frei von Plastik sein“, sagt er. „Aber es kommt darauf an, ihn nachhaltig zu entsorgen und zu recyceln.“ (Tobias Schwab)