Was der Fußball gegen die Klimakrise macht - und was nicht

Vegane Würstchen und Ökostadien: Vereine wie der Forest Green Rover setzen auf Nachhaltigkeit. Doch für das größte Klimaproblem des Sports ist noch immer keine Lösung in Sicht.
Dale Vince hatte sich viel vorgenommen. Als er vor über zehn Jahren den englischen Fußballklub Forest Green Rovers kaufte, wollte er damit „Sportfans auf der ganzen Welt dazu zu bringen, ihre Lebensweise zu ändern, um zu versuchen, die Klimakrise zu bekämpfen“, wie er der britischen Zeitung „City AM“ sagte. „Das sind keine unvereinbaren Dinge“, betonte er. Denn der Fußball habe eine Verantwortung.
Seit seinem Investment im Jahr 2010 ist der 59-jährige Dale Vince, den der „Guardian“ als „Großbritanniens reichsten Hippie“ bezeichnet, mit seinem Klub weit gekommen. Sein Geld hatte Vince mit Erneuerbaren Energien gemacht. Nachdem er mit 15 Jahren die Schule verlassen hatte und mit aufgemotzten alten Fahrzeugen um die Welt getingelt war, gründete er im Jahr 1995 sein eigenes Unternehmen für Windenergie: Ecotricity.
Bei den Forest Green Rovers, die in der kleinen Stadt Nailsworth im Westen Englands beheimatet sind, hat sich durch Dale Vince viel verändert. Aufmerksamkeit erregte der Klub vor allem, weil Vince für Spieler und Fans im Stadion veganes Essen einführte. Klubköchin Jade Crawford erzählte dem „Guardian“, einige Fans hätten sich zunächst ein bisschen darüber geärgert. „Aber sie probierten das Essen und sagten, es sei wirklich gut.“
Der Forest Green Rover plant ein Stadion aus Holz, mit Solarpanels und Ladesäulen
Ob es am veganen Essen liegt oder nicht, in der Zeit seit der Übernahme durch Dale Vince ging es auch fußballerisch bergauf. Während der Klub einst bangen musste, aus der fünften Liga abzusteigen, schaffte er es im Jahr 2017 in die vierte Liga, wo er derzeit sogar die Tabelle anführt.
Nun ist der Viertligaklub bereit für einen weiteren Schritt. Der Verein plant ein neues Stadium, das fast komplett aus Holz bestehen soll. Der „Eco Parc“, dessen Entwurf aus dem Büro der berühmten Architektin Zaha Hadid kommt, soll außerdem seinen eigenen Solarstrom herstellen und ansonsten Ökostrom beziehen. Wer mit dem Elektroauto zu Spielen kommt, soll es am Stadion laden können. Und auch zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV soll das Stadion gut erreichbar sein.
Der Fußballklub, der den grünen Wald ja schon im Namen trägt, will sich aber auch die Umgebung kümmern. In Zukunft sollen rund um das Stadion 500 Bäume gepflanzt werden, Hecken sollen die Biodiversität zusätzlich erhöhen.
In diesem Jahr wurden die Pläne für das Stadion von der englischen Fußballliga genehmigt. Dale Vince bezeichnete das als „tolle Nachricht“ und als „kleinen, aber gleichzeitig großen Schritt für Eco-Parc.“ Der nächste Schritt für den Verein sei es nun, detaillierte Entwürfe für das Stadion und seine Umgebung zu erstellen, heißt es auf der Website. Sobald die Bauarbeiten beginnen, dauert es noch zwei Jahre bis zur Fertigstellung.
Der VfL Wolfsburg, Werder Bremen und Mainz 05 produzieren immerhin eigenen Solarstrom
Und wie sieht es in Deutschland aus? Während von rein veganem Stadionessen oder Arenen aus Holz hier weniger die Rede ist, bekommt der Klimaschutz auch in der Bundesliga immer mehr Aufmerksamkeit. So hat zum Beispiel der VfL Wolfsburg nach eigenen Angaben als erster europäischer Fußballklub der Top-Ligen im Dezember 2019 der UN-Initiative „Sports for Climate Action“ angeschlossen und will bis zum Jahr 2025 seine Netto-Emissionen auf Null bringen – das heißt, dass die Emissionen, die nicht vermieden werden können, kompensiert werden.
Genau wie der VfL betreibt auch Werder Bremen eine eigene Solaranlage, die nach Angaben des Vereins eine Million Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt. Der Verein bietet sogar einen eigenen Ökostromtarif für die Fans an. Auch Mainz 05 erzeugt eigenen Strom mit Solaranlagen, kompensiert seine Emissionen und informiert Fans mit Kampagnen wie „Klimaverteidiger“ über die Klimakrise.
Der größte Klimakiller: Die Anreisen von Fans, Personal und Freiwilligen
Der DFB insgesamt hat mehr Klimaschutz versprochen und sich Anfang 2020 als Ganzes der UN-Initiative angeschlossen. Und als am 20. September 2019 der bisher größte globale Klimastreik von „Fridays for Future“ stattfand, stellten mehrere Bundesligisten ihre Mitarbeiter für die Demonstrationen frei. Das größte Klimaschutzproblem des Fußballs dürfte allerdings ausgerechnet das sein, dass am schwersten zu lösen ist.
So wurden etwa bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland nach Zahlen der Fifa 2,1 Millionen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Zum Vergleich: Das komplette Land Montenegro stieß im Jahr 2019 etwa 2,5 Millionen Tonnen aus.
Den größten Teil davon, nämlich drei Viertel, machten die Anreisen von Fans, Personal und Freiwilligen aus. An zweiter Stelle kamen mit zwölf Prozent die Emissionen durch die Unterbringung, erst danach mit fünf Prozent die Emissionen durch die Verpflegung der Fans im Stadion.
Bundesliga: Zwei Drittel der Emissionen entstehen durch die Mobilität
In der Bundesliga sieht es ähnlich aus: Der größte Faktor ist der Transport. Die Klimaschutzberatung CO2OL hat zusammen mit dem Deutschlandfunk berechnet, dass pro Bundesligaspieltag 7.753 Tonnen CO2 verursacht werden. Zwei Drittel der Emissionen kommen laut CO2OL aus dem Bereich Mobilität.
„In der Bundesliga ist es die große Herausforderung, zu ändern, wie die Fans anreisen“, sagt Hartmut Stahl, der am Ökoinstitut in Darmstadt zu Sport und Umwelt forscht. Klassischerweise sei der Pkw-Anteil bei der Anreise hoch. Jeder und jede solle ins Stadion dürfen. „Aber das Ziel ist klar: Weg von vollen Parkplätzen, hin zu Bus, Bahn und Fahrrad.“
Die Eintrittskarten für Heimspiele können deshalb bei vielen Vereinen auch als Ticket für den Nahverkehr genutzt werden. Allerdings zitiert etwa der Deutschlandfunk eine Fan-Umfrage eines anonymen Bundesligisten, nach der, Stand 2019, 70 Prozent der Fans immer noch per Auto zu Heimspielen anreisen. Auswärtsspiele haben wegen der längeren Strecken einen noch größeren Anteil an der Klimabilanz.
Wissenschaftler fordert: Mannschaften sollten auf kürzere Flüge verzichten
Wissenschaftler Hartmut Stahl sieht beim Thema Mobilität auch die Mannschaften in der Pflicht, selbst wenn die Fans insgesamt höhere Emissionen verursachen: „Trotzdem wäre es ein gutes Vorbild, wenn Mannschaften auf kürzere Flüge verzichten“, sagt Stahl. „Wenn Teams im Zug und nicht auf dem Flughafen gefilmt würden, wäre das auch eine Motivation für die Fans.“ Unlängst musste sich der DFB mit solch einer Debatte befassen. Dass eine Mannschaft aber etwa von Frankfurt nach Barcelona mit dem Zug fahre, so Stahl, könne man derzeit nicht erwarten. „So weit sind wir leider noch nicht.“
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Gleiches dürfte auch für die Fans gelten. Spätestens hier wird klar, dass Vereine zwar viel tun können, der Fußball aber nur klimafreundlicher werden kann, wenn der öffentliche Nah- und Fernverkehr günstiger und besser ausgebaut wird. Und auch der britische Klima-Musterschüler Forest Green Rovers kommt keineswegs ohne Autos aus. Für die 5000 Menschen, die ins Stadion passen sollen, sind immerhin 1700 Parkplätze geplant. Trotzdem könnte der Profifußball eine wichtige Rolle spielen, Menschen für den Klimaschutz zu sensibilisieren. „Wenn in der Bundesliga ein Umdenken gelingt, hat dies sehr wohl das Potenzial auch für den Sportalltag zu sensibilisieren: Fahre ich mit dem Auto zum Training oder nehme ich vielleicht besser das Fahrrad?“, sagt Hartmut Stahl. Gleiches gelte auch für Fahrten zur Arbeit. „Der Sport kann Vorbild sein, ja, aber wir müssen das auch als politische Aufgabe verstehen. Nur wenn alle mitmachen funktioniert es.“
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, dass ein Stadionbesucher pro Bundesligaspieltag für 120 Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Diese Zahl bezog sich allerdings auf die Emissionen durch Essen und Trinken pro Spieltag insgesamt. Der erwähnte Bericht kommt stattdessen zu dem Ergebnis, dass pro Bundesligaspieltag 7.753 Tonnen CO2 verursacht werden. Der Fehler wurde korrigiert.