Wie eine Freiburger Schreinerei Tradition und Integration verbindet

Sprachkurse und intensive Vorbereitung: In der Schreinerei [p3] wird jungen Geflüchteten der Start ins Berufsleben erleichtert. Gründer David Rösch hofft, dass es solche Projekte künftig nicht mehr braucht
Freiburg, frühmorgens: Der Tag auf dem Gelände der Schreinerei beginnt zeitig – auch für Ibrahim Alilov. Der 34-Jährige steht kurz vor Abschluss seiner Ausbildung. Erst kürzlich hat er sein Gesellenstück fertiggestellt: ein Sideboard aus Eiche mit Türen in Rostoptik für die neue Wohnung seiner Familie. Alilov gehört zum ersten Ausbildungsjahrgang der Schreinerei [p3]. Sein Tag beginnt mit Sport im Kollegium, mittags essen dort alle gemeinsam. Gekocht wird immer frisch, das Gemüse auf dem eigenen Hof angebaut. Nachmittags stehen die Auszubildenden wieder in der Werkstatt: Messen, Sägen, Bohren, Schrauben, Schleifen. Andere haben Schule.
Gestartet ist die Schreinerei [p3] vor fünf Jahren. „Heute machen wir fast noch dasselbe wie damals, nur professioneller und größer“, sagt Schreinerei-Mitgründer David Rösch. Auf 30 Menschen ist das Team inzwischen gewachsen. In der Werkstatt werden Schulungen und ein Vorbereitungsprogramm für angehende Auszubildende angeboten. Sogar eigene Ausbildungsplätze für das Schreiner- und Tischlerhandwerk sind hier entstanden.
Die Mitarbeitenden eint der Gedanke für mehr Nachhaltigkeit – ökologisch wie sozial, weiß Forstwissenschaftler Rösch: „Die ursprüngliche Bedeutung hieß, dass nur so viele Bäume gefällt werden, wie nachwachsen können. Es gehe ihm und dem Team um Maß und Sinnhaftigkeit, nicht um sture Produktion. Auch soll das Projekt 18- bis 35-Jährigen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern, insbesondere Menschen mit Fluchtgeschichte.

Rösch ist seit mehr als zehn Jahren in diesem Feld aktiv. Dass es Projekte wie seines für ewig brauche, glaubt der 32-Jährige nicht. Im Moment aber sei die Nachfrage hoch wie nie. „Es kommen ja immer noch Menschen nach Deutschland. Zudem geht es nicht nur um jene, die hierher geflüchtet sind, sondern auch um deren Kinder. Tatsächlich bewerben sich vermehrt Menschen bei uns, die vor fünf Jahren mit ihrer Familie in Deutschland ankamen – Menschen, die damals 15 Jahre alt waren und in der Schule keinen Fuß fassen konnten.“
Die Freiburger Schreinerei setzt auf nachhaltige Produkte wie Hydroponiksysteme
Ibrahim Alilov wurde das Holzhandwerk anscheinend in die Wiege gelegt: Schon sein Vater arbeitete als Schreiner und nahm ihn damals oft mit in die Werkstatt. Alilov ist in Russland geboren, hat dort Informatik studiert und als Goldschmied gearbeitet. Als er vor sechs Jahren nach Deutschland kam, fiel es ihm schwer, Anschluss zu finden. Ein Jahr habe er verloren, weil im „Migrationsboom 2015“ viele abgehängt worden seien. Über einen Sozialarbeiter habe er vom Projekt [p3] erfahren. Nach einem Praktikum fing er seine Ausbildung an. Stolz erzählt er von seinen Zukunftsplänen: „Ich bin gerade in meine erste eigene Wohnung in Deutschland gezogen. Meiner Frau und mir fehlt es noch an Möbeln. Ich möchte sie selber bauen statt sie zu kaufen.“
Der Freiburger Schreinerei fühle er sich verbunden. Das Team sei nett, das Klima im Betrieb wohlwollend – und nahezu alle fertig Ausgebildeten und die Teilnehmenden der Ausbildungsvorbereitung würden auch einen Job finden. Mit den Ehemaligen versucht Mitgründer Rösch weiterhin in Kontakt zu bleiben. Für ihn gehöre es selbstverständlich dazu, „nachzufragen und dranzubleiben“, sagt er.
In der Produktion konzentriert sich das Team zum Beispiel auf sogenannte erdfreie Hydroponiksysteme. Damit können auf kleiner Fläche vertikale Gärten angelegt werden, um selbst in dicht bebauten Innenstädten eigenes Gemüse anbauen zu können. Verbaut werden neben Holz auch andere Werkstoffe. Denn [p3] ist keine reine Schreinerei, sondern verfügt auch über eine Metall- und Elektrowerkstatt. Die so entstandenen begehbaren Kästen verfügen darüber hinaus über einen eigenen, abgeschlossenen Wasserkreislauf. Das sehe nicht nur futuristisch aus, sondern spare auch Ressourcen, fasst David Rösch zusammen. So werde altbewährte Handwerksarbeit zukunftsfähig.
„Ökologisch und sozial sind wir anders aufgestellt: das hat seinen Preis“, sagt David Rösch.
In Serie geht im Moment aber nur ein Produkt: Aufbauten für Fahrradanhänger, die als Infostand oder mobile Küche zum Einsatz kommen. Doch während der Pandemie sei die Nachfrage zurückgegangen, bedauert Geschäftsführer Rösch. Es gehöre eben dazu, dass Menschen zusammenkämen, und das sei in den letzten eineinhalb Jahren schwer möglich gewesen. Durch die serienmäßige Anfertigung ist der Anhängeraufbau aber besonders gut für die Auszubildenden geeignet, da sich Handgriffe und Abläufe besser erlernen lassen.
In der Werkstatt bauen sie auch Einzelstücke für private oder gewerbliche Zwecke. „Unsere Kundschaft entscheidet sehr bewusst, wo sie kauft und warum.“ Ein Einzelstück aus Handarbeit koste natürlich auch mehr als eins aus dem Möbelhaus, weil es länger in der Anfertigung braucht. „Ökologisch und sozial sind wir anders aufgestellt: das hat seinen Preis. Und es ist schön, wenn das wertgeschätzt wird“, betont Rösch. In Zeiten der Pandemie beobachtet er ohnehin einen Wandel im Konsum. Menschen würden deutlich bewusster leben und sich Gedanken über die Herkunft ihrer Produkte machen. Mit ihrem Start-up-Charakter zieht die Schreinerei [p3] zudem besonders junge Menschen an.
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Die Motivation für seine Arbeit zieht Rösch aus den persönlichen Erlebnissen mit den Mitarbeitenden – und daraus, dass ihm die Bedeutsamkeit seiner Arbeit immer wieder gespiegelt werde. „Bei der Arbeit merke ich, wie viel da oft noch dranhängt: Kinder, eine Familie und deren Aufenthaltsperspektive etwa. Das motiviert mich umso mehr.“ (von Pia Benthin)
Hinweis: Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit dem Magazin „Veto“ , das sich der engagierten Zivilgesellschaft widmet: www.veto-mag.de