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Eine Art SAP für die Kleinen

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Von: Thomas Magenheim-Hörmann

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Gründer: Jonas Rieke, Roman Schumacher, Hanno Renner und Arsenik Vershinin (v. l.) personio
Gründer: Jonas Rieke, Roman Schumacher, Hanno Renner und Arsenik Vershinin (v. l.) ©  Personio

Personio sorgt mit Personalsoftware für Furore. Das 2015 von vier Studenten gegründete Unternehmen gehört bereits zu den wertvollsten Start-ups der Republik.

Die Pandemie hat entlarvt, dass die Bundesrepublik kein digitales Vorzeigeland ist. Das gilt vor allem auch für Kleinfirmen und manchen Mittelständler. „Dort wird oft noch mit Excel-Tabellen oder Stift und Papier gearbeitet“, sagt Roman Schumacher. Wenn solche Firmen überhaupt eine IT haben, die ihren Namen verdient, dann sei die oft nicht sehr modern, will der Produktvorstand des Münchner Start-ups Personio damit sagen. So erklärt er den rasanten Aufstieg des vor sechs Jahren von ihm mitgegründeten Unternehmens, das Personalsoftware für Firmen mit zehn bis 2000 Beschäftigten anbietet. Großkonzerne hätten Betriebssoftware des Dax-Riesen SAP. „Man kann sagen, wir sind eine Art SAP für kleine und mittelständische Unternehmen“, sagt der 30-Jährige.

Er sitzt bei diesen Worten entspannt im vierten Stock eines Besprechungsraums des Firmensitzes am Münchner Hauptbahnhof. Noch dürften in der breiten Öffentlichkeit nicht viele von der Softwareschmiede gehört haben. Wenn es weiterläuft wie bisher, wird sich das bald ändern. Seit einer jüngsten Finanzierungsrunde Ende 2021 ist Personio mit 5,6 Milliarden Euro bewertet. Nur der Datenschürfer Celonis und die Bank N26 werden unter deutschen Jungfirmen noch höher eingeschätzt.

Dabei steht Personio noch so gut wie am Anfang, glaubt man Schumacher. „Allein in Europa haben wir eine relevante Zielgruppe von 1,7 Millionen Unternehmen“, sagt der Manager. Mit aktuell rund 6000 Firmenkunden, die 2021 einen höheren zweistelligen Millionenumsatz eingebracht hätten, seien erst 0,3 Prozent dieses Potenzials erreicht. „Wir kratzen noch an der Oberfläche“, sagt Schumacher mit Blick auf die Marktdurchdringung. Trotzdem sieht sich Personio bei Personalsoftware für Kleinfirmen als europäischer Marktführer.

Optimistisch für die Zukunft macht den Medieninformatiker, dass die eigene Software, die von Stellenausschreibung über Schichtpläne und Zeiterfassung bis zu Gehaltsabrechnung und Urlaubsmanagement Kernbereiche des Personalwesens umfasst, relativ schnell und einfach in Unternehmen zu installieren sowie kostengünstig ist. Sie bindet neuerdings auch automatisch in Firmen oft genutzte Fremdsoftware wie MS Teams ins Personio-System ein. People Workflow Automation nennt das Start-up den neuen Technologieschritt. „Wenn sich ein Mitarbeiter über Sprachassistenten wie Alexa oder per App krank meldet, werden vom System automatisch alle Kalendertermine abgesagt und das Team informiert,“ erklärt er die Funktionen an einem Beispiel.

Ein Verkaufsargument sei auch, dass Personio-Rechenzentren nicht im fernen Ausland, sondern in Frankfurt und Karlsruhe stehen. „Personaldaten sind mit die sensibelsten eines Unternehmens“, stellt der Jungmanager klar. Das Start-up sieht sich als Digitalunternehmen aus Europa für Europa.

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„Personio demokratisiert Technologie“, lobt Neil Mehta, Gründer des Personio-Investors Greenoaks. Kleine und mittlere Unternehmen seien zu lange durch etablierte Anbieter von Personalsoftware vernachlässigt worden, obwohl sie das Rückgrat der europäischen Wirtschaft seien.

Vorigen Herbst ist Greenoaks deshalb eingestiegen. Insgesamt haben Investoren mittlerweile rund eine halbe Milliarde Euro in das Digital-Start-up gesteckt und halten die Mehrheit der Firmenanteile. Die Mehrheit der Stimmrechte liegt aber noch bei den Gründern.

Die erfüllen ihre Prognosen. Vor Jahresfrist wurde eine Verdoppelung des Kundenstamms von damals 3000 Firmen als Ziel genannt. Es ist eine Punktlandung geworden. Rund 6000 Kunden haben 2021 für einen höheren zweistelligen Jahresumsatz gesorgt. „Der Plan ist, uns auch 2022 bei Kundenzahl und Umsatz zu verdoppeln sowie noch zwei weitere Jahre nahe an einer Verdoppelung dran zu bleiben“, sagt Schumacher. In fünf Jahren könnte Personio dann im Umsatz an der Milliardenschwelle kratzen, schätzt er.

Schon in zwei bis drei Jahren sehen die Gründer ihr Unternehmen an der Börse, ob in Deutschland oder den USA, sei noch offen. Zur Finanzierung des geplanten Wachstums nötig wäre das nicht wirklich, betont Schumacher. Investoren der ersten Stunde wollten irgendwann aussteigen. Neue Geldgeber wie Greenoaks wollen längerfristig an Bord bleiben, weil Personio eine lukrative Marktlücke gefunden habe.

Begrenzt werde das rasante Wachstum am ehesten vom Personalaufbau, sagt Schumacher. Wenn Kundenzahl und Umsatz sich verdoppeln, sei parallel eine Aufstockung des Personals um die Hälfte nötig. Rund 1000 Beschäftigte sind es heute, etwa 1500 sind für Ende 2022 angepeilt. Der Jungmanager ist zuversichtlich, das zu schaffen, obwohl sich aktuell große Teile der Wirtschaft um Softwareexpert:innen reißen.

Zum einen zahle man überdurchschnittlich. „Alle Mitarbeitenden erhalten Firmenanteile“, sagt Schumacher. Zudem biete man ein modernes Arbeitszeitmodell abseits von Präsenzkultur. „Als Personalunternehmen haben wir eine Vorbildfunktion“, findet er. Allen Beschäftigten sei es freigestellt, die Hälfte ihrer Arbeitszeit anderswo als im Büro zu leisten. Falls familiäre Verhältnisse einmal 80 Prozent Heimarbeit erfordern sollten, sei das zeitweise auch möglich. „Ich nutze das selbst“, erklärt der Jungmanager. Jeden Tag treffe man ihn jedenfalls nicht im Büro an.

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