Wernher von Braun: Visionär mit dunkler Vergangenheit

Wernher von Braun konstruierte die Saturn-V-Rakete für die Mondlandung - doch vorher töteten seine Raketen Zivilisten in europäischen Städten.
Lange bevor ernstzunehmende Wissenschaftler eine Landung von Menschen auf dem Mond für machbar hielten und noch bevor die Sowjets den ersten Satelliten „Sputnik“ ins All geschickt hatten, dachte Wernher von Braun bereits über bemannte Flüge zum Mars nach. 1952 veröffentlichte er im Fachmagazin „Weltraumfahrt“ einen Aufsatz, in dem er skizzierte, wie eine solche Mission zum roten Planeten ablaufen könnte. Seinen Berechnungen nach würde sie 968 Tage dauern, das ist etwa ein dreiviertel Jahr mehr als Experten heute für eine solche künftige Reise veranschlagen.
Das Thema Raumfahrt faszinierte Wernher von Braun, 1912 als Sohn eines ostpreußischen Gutsbesitzers geboren, seit seiner Jugend. Als 16-Jähriger wurde er Mitglied im Verein für Raumschifffahrt, wo er bereits früh anfing, mit Flüssigtreibstoffraketen zu experimentieren. Um seine Träume von unendlichen Weiten zu verwirklichen, nahm er es als Erwachsener auch in Kauf, Raketen für den Krieg zu bauen.
Wernher von Braun entwickelte für die Nazis Raketen
Bevor dem Ingenieur für Mechanik mit der Konstruktion der Mondrakete Saturn V sein größter Triumph gelang, stellte er seine gewiss überragenden Fähigkeiten in den Dienst der Nationalsozialisten. Für deren verbrecherisches Regime entwickelte Wernher von Braun ab 1937 als technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde auf Usedom die „Aggregat 4“ (A4), die erste Rakete mit Flüssigtreibstoff. Weil sie bei ihrem ersten Start 1942 so hoch gestiegen war, gilt dieser Probelauf für die spätere Vernichtungswaffe als erster Flug ins All.
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Besser bekannt ist die A4 jedoch als „Vergeltungswaffe“ V2, für deren serienmäßigen Bau von Braun Zehntausende von Zwangsarbeitern und Häftlingen aus dem Konzentrationslager Dora Mittelbau unter entsetzlichen Bedingungen unter Tage in einem Bergstollen bei Nordhausen schuften ließ. Mindestens 15 000 von ihnen starben dabei.
Im letzten Kriegsjahr wurden rund 3000 dieser Raketen mit einer Reichweite von rund 400 Kilometern abgefeuert, die meisten davon auf London und Antwerpen. Mehr als 8000 Menschen starben bei Angriffen mit der V2.
Wernher von Braun war Mitglied der NSDAP und SS
Obwohl Wernher von Braun Mitglied der NSDAP und ab 1940 sogar der SS war, gilt er in der Rückschau nicht als glühender Nationalsozialist, was es nicht besser macht: Der große Konstrukteur war ein gnadenloser Opportunist, ein Paradebeispiel des von seinem Metier besessenen Wissenschaftlers, der um der Möglichkeit willen, seine Forschung zu betreiben, auch einen Pakt mit dem Bösen eingeht.
Große Anpassungsfähigkeit bewies der smarte Ingenieur auch gegen Ende des Krieges. Es wird vermutet, dass er bereits 1944 den Kontakt zu Vertretern der USA gesucht und bei einem Treffen mit Offizieren des Secret Service damals auch schon eine Übereinkunft getroffen hatte. Das US-Militär hatte großes Interesse an der Expertise der deutschen Raketenforscher, die zu dieser Zeit weltweit führend waren. Und dafür waren die Amerikaner auch bereit, von Brauns Nazi-Vergangenheit zu ignorieren. Am Ende siedelte Wernher von Braun 1946 mit einer Gruppe von 118 Raketenentwicklern aus Peenemünde samt ihren Familien in die USA über, mehr als tausend weitere deutsche Spezialisten für Luft- und Raumfahrt – Ingenieure, Techniker, Wissenschaftler und Mediziner – folgten.
Wernher von Braun und sein Team wechselten vom US-Militär zur Nasa
Zunächst arbeiteten sie für das Militär. Als 1958 als Reaktion auf den Sputnik-Schock die zivile Luft- und Raumfahrtbehörde Nasa gegründet wurde, wechselten von Braun und sein Team dorthin. Bei der Nasa startete der deutsche Raketenmann richtig durch. Dort unterstanden ihm rund 6000 Wissenschaftler, 1500 davon waren Deutsche. Unter seiner Federführung wurde die Jupiter-C-Rakete entwickelt, die 1958 den ersten amerikanischen Satelliten in die Umlaufbahn brachte.
Wernher von Brauns größte Leistung war freilich der Bau der Saturn-V-Rakete, die Apollo 11 sicher auf den Weg zum Mond brachte; insgesamt 13 Mal flog sie bis 1973, kein einziges Mal gab es einen Unfall. Ein imposanter Flugkörper, aufgebaut aus drei Stufen und fünfeinhalb Millionen Einzelteilen, mehr als hundert Meter hoch mit einem Schub so stark wie der von mehr als 30 Jumbojets. Eine Rakete, die bis heute ihresgleichen sucht, die nicht mehr nachgebaut werden konnte – auch, weil ein Großteil der Pläne nicht mehr existiert.
Wernher von Braun: Apollo 11 als Erfüllung eines Kindheitstraums
Für Wernher von Braun bedeutete die erfolgreiche Mission von Apollo 11 die Erfüllung seines alten Kindheitstraumes. Die Öffentlichkeit feierte ihn als „Vater der bemannten Raumfahrt“ und „Kolumbus des Alls“. Nach den erfolgreichen Apollo-Missionen ging er davon aus, dass man nun bald Richtung Mars aufbrechen werde. Doch dann gab es kein Geld mehr für ein weiteres derartiges Mammutprojekt. Der Wettlauf im All war gewonnen. Verbittert kündigte von Braun 1972 bei der Nasa und ging zum privaten Raumfahrtkonzern „Fairchild“.
1976, ein Jahr vor seinem Tod, sprach er in einem Interview erstmals von den grauenvollen Zuständen im Konzentrationslager Dora Mittelbau.
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