Das sind die gefährlichsten Weltraumschrott-Objekte in der Erdumlaufbahn

Die Erdumlaufbahn ist voll mit Satelliten und Objekten, die außer Kontrolle sind. Welcher Weltraumschrott Fachleuten die meisten Sorgen bereitet.
Kassel – Das Weltall rund um die Erde wird voll: Tausende Satelliten und unzählige Bruchstücke von Weltraumschrott umkreisen den blauen Planeten. Immer häufiger gibt es Beinahe-Zusammenstöße im Erdorbit, die Internationale Raumstation ISS muss immer wieder Ausweichmanöver durchführen, um nicht von Schrottteilen getroffen zu werden. Im Januar kamen sich ein ausrangiertes russisches Raketenteil und ein deaktivierter russischer Satellit sehr nahe – wären sie kollidiert, hätten tausende neue Bruchstücke entstehen können, die für viele Jahrzehnte die Erde umkreist hätten.
Im Februar zerbrach ein mysteriöser russischer Satellit im Erdorbit – es entstanden 85 Teile, die groß genug sind, um sie von der Erde aus zu beobachten. Im Erdorbit gibt es Regionen, die von Fachleuten besonders besorgt beobachtet werden: Sie sind zu hoch über der Erde, als dass Weltraumschrott schnell zur Erde zurückfallen und in der Erdatmosphäre verglühen kann.
Alter Weltraumschrott und große Teile machen Fachleuten Sorgen
Auch wenn neue Satelliten wie die „Starlink“-Konstellation von SpaceX einen großen Teil der aktiven Satelliten im Erdorbit ausmachen: Was Weltraumschrott angeht, werden sie weniger gefürchtet. Das hat Gründe: Sie befinden sich in relativ niedrigen Umlaufbahnen und können schnell zur Erde fallen und verglühen. Außerdem verfügen sie über Antriebe und Systeme, mit denen sie Weltraumschrott aktiv ausweichen können.
Sorgen machen sich Fachleute daher eher um alten Schrott in der Umlaufbahn, der groß und längst nicht mehr kontrollierbar ist. Ein Überblick über die gefährlichsten Weltraumschrott-Objekte im Erdorbit:
Weltraumschrott im Erdorbit: Alte russische Raketenstufe SL-16
Zu den alten Objekten, die Fachleuten Sorge bereiten, zählt die SL-16, eine obere Raketenstufe der russischen Zenit-Rakete. Diese ausrangierte Raketenstufe ist elf Meter lang und wiegt neun Tonnen. 18 dieser Oberstufen werden derzeit im Erdorbit in einer Höhe von etwa 840 Kilometern beobachtet. „Sie sind wie ein großer gelber Schulbus ohne Fahrer und ohne Bremsen“, erklärt Darren McKnight von der privaten Satelliten-Beobachtungsfirma LeoLabs gegenüber Space.com. „Und es gibt ein kumulatives Risiko. Es wäre nicht unerwartet, wenn eine dieser Raketenstufen sehr bald in eine Kollision verwickelt wird.“
Alleine die Größe der Raketenstufen bedeutet nichts Gutes: Würde eine von ihnen mit einem anderen Objekt kollidieren, könnten zahlreiche neue Fragmente entstehen. Sogar das sogenannte Kessler-Syndrom – die kaskadierende Zunahme von Weltraumschrott durch Kollisionen – könnte so ausgelöst werden.
Weltraumschrott im Erdorbit: Spionage-Satelliten aus dem kalten Krieg
Auch eine andere russische Raketen-Oberstufe und Satelliten machen im Erdorbit Sorgen: Die Oberstufe SL-8 wurde zwischen den 1960er und 1990er Jahren genutzt, um Spionage- und Kommunikationssatelliten in eine Höhe von 975 Kilometern zu befördern. Sowohl die Satelliten, die etwa 800 Kilogramm auf die Waage bringen, als auch die 1,4 Tonnen schweren Oberstufen sind längst ausrangiert und umkreisen die Erde ohne Kontrolle. „Wenn alle dieser Objekte 1990 gestartet wären, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass eine von ihnen 2023 eine Kollision hat, bei etwa 20 Prozent“, betont McKnight gegenüber Space.com.
Weltraum-Newsletter
Abonnieren Sie den kostenlosen Weltraum-Newsletter und bleiben Sie auf dem Laufenden.
Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn: Fragmente von Anti-Satelliten-Tests
Doch nicht nur ausrangierte Raketenstufen und Satelliten machen Fachleuten Sorgen. 2007 testete China eine sogenannte Anti-Satelliten-Waffe. Bei diesem Asat-Test traf die Rakete eine 750 Kilogramm schwere chinesische Raumsonde, die in einer Höhe von 865 Kilometern um die Erde kreiste. Es entstanden tausende Trümmerteile, die sich in alle Richtungen verteilten und die Erdumlaufbahn vermüllten.
Die meisten Schrottteile befinden sich in der Region der SL-16-Raketenstufen, die keine Möglichkeit haben, dem Weltraumschrott auszuweichen. Heute werden noch 2800 Fragmente von dem chinesischen Asat-Test im Erdorbit beobachtet. Im Jahr 2021 hat Russland einen Anti-Satelliten-Test durchgeführt, von dem ebenfalls noch zahlreiche Bruchstücke im Erdorbit sind und alle anderen Objekte bedrohen.
Weltraummüll im Erdorbit: Große Erdbeobachtungs-Satelliten
Nicht nur russische und chinesische Objekte sind Fachleuten ein Dorn im Auge. Auch große europäische oder amerikanische Erdbeobachtungs-Satelliten umkreisen die Erde außer Kontrolle – beispielsweise der europäische Satellit Envisat, der in 800 Kilometern Höhe kreist und acht Tonnen wiegt. Mehrere Landsat-Satelliten der US-Raumfahrtorganisation Nasa umrunden die Erde auf Höhen zwischen 700 und 900 Kilometern – sie sind ebenfalls nicht mehr steuerbar. Das gilt auch für mehrere Satelliten der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA, die ebenfalls auf 700 bis 900 Kilometern Höhe die Erde umkreisen.
Zahl an Satelliten nimmt immer weiter zu
Auch wenn die neuen Satelliten-Konstellationen wie „Starlink“ weniger gefürchtet werden, als die alten und riesigen Satelliten, so sind die „Starlinks“ dennoch nicht ganz unumstritten. Das liegt an ihrer schieren Anzahl: Stand Anfang März hat SpaceX mehr als 3700 Satelliten im Erdorbit. Und auch wenn die Satelliten automatische Ausweichmanöver durchführen können, erhöht allein ihre Anwesenheit in der Erdumlaufbahn die Wahrscheinlichkeit von Kollisionen. „In fünf oder zehn Jahren könnten wir zwischen 20.000 und 100.000 Satelliten im Orbit haben“, zitiert Space.com den Astrophysiker Jonathan McDowell, der weiter erklärt: „Ich bin sehr skeptisch, dass solch eine Zahl noch sicher betrieben werden kann.“ (tab)
Nicht nur Weltraumschrott kann für die Erde eine Bedrohung aus dem Weltall sein. Auch gefährliche Asteroiden gehören dazu.