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Was bringt Cannabis in der Medizin wirklich?

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Von: Pamela Dörhöfer

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Wie gut hilft Cannabis gegen Schmerzen? Mediziner sind noch uneins über die Wirkung.
Wie gut hilft Cannabis gegen Schmerzen? Mediziner sind sich noch uneins über die Wirkung. © Abir Sultan/dpa

Bald könnte Cannabis in Deutschland legal sein. In der Medizin wird es bereits gegen Schmerzen verschrieben. Mit Erfolg?

Kommt die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, so könnten Konsum und Besitz von Cannabis schon bald legal sein. Noch völlig unklar indes ist, ob und wann Cannabinoide zur medizinischen Anwendung zugelassen werden, etwa bei chronischen Schmerzen. Was Risiko und Nutzen von Arzneimitteln auf Cannabis-Basis angeht, sind nicht alle Medizinerinnen und Mediziner begeistert, sondern viele eher unsicher. Das Thema wurde auch beim Deutschen Schmerzkongress vergangene Woche in Mannheim behandelt.

Seit März 2017 ist es in Deutschland erlaubt, medizinisches Cannabis, Cannabisblüten und -extrakte, Fertigarzneien sowie zubereitete Cannabis-Arzneimittel auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verschreiben – auch ohne arzneimittelrechtliche Prüfung und Zulassung dieser Produkte. Möglich ist das über ein Betäubungsmittelrezept in „begründeten Einzelfällen“; etwa, wenn bei einer schweren Erkrankung Standardtherapien nicht mehr helfen oder nicht vertragen werden.

Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Medizinisches Cannabis soll bei Schmerzen gut geholfen haben

Das Prozedere ist allerdings aufwendig. So müssen Ärztinnen und Ärzte einen Antrag beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen stellen und unter anderem bescheinigen, dass eine „nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht“. Außerdem ist für sie eine Begleiterhebung verpflichtend.

Indikationen, bei denen derzeit speziell zugelassene cannabisbasierte Arzneimittel unproblematisch und direkt verordnet werden können, sind bestimmte Formen der Epilepsie, schmerzhafte Spastiken bei Multipler Sklerose sowie Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapie (wenn sonst nichts hilft). Im Raum steht aber auch eine Wirkung bei Schmerzen verschiedenster Art und Ursache sowie bei Beschwerden, die bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen auftreten können.

Cannabis in Deutschland: Nebenwirkungen noch zu wenig erforscht

Im kommenden Jahr soll die 2017 begonnene empirische Datensammlung final ausgewertet und entschieden werden, wie man weiter mit medizinischem Cannabis umgehen will. Beim Schmerzkongress in Mannheim wurde berichtet, dass etwa zwei Drittel der erfassten Patientinnen und Patienten von positiven Erfahrungen nach einem Jahr Behandlung erzählen. Vor allem bei chronischen Schmerzen sollen Cannabis-Präparate demnach gut geholfen haben. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass es „in hochwertigen Studien“ nach wie vor „keinen sicheren Wirkungsnachweis“ gebe. Auch seien die „Risiken und Nebenwirkungen einer längerfristigen Behandlung“ kaum untersucht. sagt Frank Petzke, Leiter der Schmerzmedizin an der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Göttingen und in der Deutschen Schmerzgesellschaft Sprecher der Ad-hoc-Kommission „Cannabis in der Medizin“.

Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Verschreibungen im Wert von 90 Millionen Euro

Immer noch bestehe zudem für „fast alle Indikationen“ kein sicherer Wirkungsnachweis, insbesondere nicht bei Cannabisblüten und -extrakten. Hinzu komme ein stetig wachsendes Spektrum an cannabinoidhaltigen Mitteln. Zahlreiche Anbieter haben den Cannabis-Markt für sich entdeckt. Das schaffe zwar bessere therapeutische Optionen, erschwere aber auch die Auswahl des richtigen Präparats.

Die Behandlung chronischer Schmerzen mit medizinischem Cannabis stehe in einem „wachsenden Spannungsfeld von finanziellen Interessen, Hoffnungen der Betroffenen und einer nicht nachgewiesenen Effektivität“. Im ersten Halbjahr 2021 sei medizinisches Cannabis „in Höhe von fast 90 Millionen Euro“ verschrieben worden: „Diese hohe Summe legt nahe, dass ein wirtschaftlich interessanter Markt mit erheblichen Kosten für die Solidargemeinschaft entstanden ist.“ Auch damit müsse es eine „kritische und rationale Auseinandersetzung“ geben, ebenso wie zum „tatsächlichen Nutzen, den sinnvollen Indikationen und langfristigen Risiken“. Die Deutsche Schmerzgesellschaft fordert deshalb „einen konstruktiven Dialog der beteiligten Interessensgruppen im Jahr 2022“. (Pamela Dörhöfer)

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