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Versicherungen gegen Trockenheit: Erschwingliche Police in Sicht

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Von: Thomas Magenheim-Hörmann

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Vielerorts kam zu viel Wasser zu schnell: Es läuft ab, es verdunstet, aber es versickert nicht.
Vielerorts kam zu viel Wasser zu schnell: Es läuft ab, es verdunstet, aber es versickert nicht. © dpa

Die Wetterschäden für deutsche Landwirte durch Ernteausfälle steigen immer weiter. Von 2021 an könnte es eine Versicherungen gegen Trockenheit geben.

Rainer Langner bittet um Regenwetter. „Hoffen wir, dass es nicht zu trocken wird“, sagt der Vorstandschef des Gießener Spezialversicherers Vereinte Hagel. Diese Erwartung an den Sommer teilen Deutschlands Landwirte, die heute vielerorts auf trockene Felder blicken. Sie erinnern sich an den Dürresommer 2018, der als der bislang kostspieligste in die heimische Agrargeschichte eingegangen ist. Auf den neuen Rekordwert von über 2,5 Milliarden Euro schätzt Langner die vorjährigen Wetterschäden für deutsche Landwirte durch Ernteausfälle. Im Schnitt der Jahre 1990 bis 2013 war es gut eine halbe Milliarde Euro per annum, hat der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) errechnet. Das zeigt die klimatische Dynamik. Bauern kann kurzfristig nur eine Versicherung helfen.

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Die hat Bayerns CSU-Agrarministerin Michaela Kaniber nebst staatlichen Zuschüssen dafür gefordert. „Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass eine breite Absicherung von Risiken wie etwa Dürre nur dann zu erreichen ist, wenn die Versicherungsprämien für die Bauern bezahlbar bleiben“, erklärte die CSU-Ministerin. Langner kann das nur unterstreichen. Weil sie das in Deutschland beim Risiko Dürre heute nicht sind, seien bundesweit nur etwa 50 000 Hektar dagegen versichert. Bei Hagel sind es zwischen 75 und 80 Prozent der Anbaufläche.

Dürre nicht wie Hagelschäden regional begrenzt 

Das liegt daran, dass Hagelschäden regional begrenzt und damit Schäden für Versicherer überschaubar sind. Das macht Beiträge relativ billig. Bei Dürre ist das anders. Hier sind oft große Landstriche betroffen und die Schäden gewaltig. Über die Hälfte aller Wetterschäden in der Landwirtschaft entfallen statistisch auf Dürre, hat der GDV berechnet. Das macht Policen so teuer, dass sie sich kaum ein Landwirt auf sich allein gestellt leisten kann. Im Ausland und den meisten EU-Ländern werden Bauern deshalb gefördert. Die staatlichen Zuschüsse für Dürrepolicen liegen bei bis zu 70 Prozent. Kaniber votiert für die Lösung des Nachbarlands Österreich. Dort teilen sich Staat und Bauern die Beiträge zur Hälfte.

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Anteilig würde das für beide Seiten in Deutschland je nach Versicherungsdichte jeweils 170 bis 250 Millionen Euro bedeuten, rechnet Langner vor. Als Vorsitzender der Expertenkommission Landwirtschaft im GDV kennt er die Details. Beispiele anderer EU-Länder mit einer solche Police zeigten, dass sie bei finanzieller Unterstützung etwa jeder zweite Landwirt abschließt.

Den gesamten Schaden dürrebedingter Ernteausfälle übernimmt eine solche Police zwar auch nicht. Aber mit üblichen 20 Prozent Selbstbehalt würde das größte aller Wetterrisiken für Bauern plötzlich planbar. Das gilt auch für Bund und Länder, die 2018 an Bauern wegen Ernteschäden rund 340 Millionen Euro gezahlt haben.

Auch an einer zweiten Stellschraube könnte die Politik drehen, um Dürrepolicen erschwinglich zu machen. Das ist die Versicherungssteuer, die ausgerechnet für dieses Produkt hierzulande noch 19 Prozent beträgt. Für andere Agrarversicherungen ist sie dagegen auf nahe null reduziert. Eine Änderung zeichnet sich tatsächlich ab, am Freitag drang aus dem Bundesfinanzministerium der Plan heraus, dass für Dürre der günstigere Steuersatz von 0,3 Promille der Versicherungssumme gelten solle wie schon für Hagel und Sturm.

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Agrarministerkonferenz im Herbst

Zur Agrarministerkonferenz im Herbst will das von Julia Klöckner (CDU) geführte Bundeslandwirtschaftsministerium Vorschläge für eine bezuschusste Dürrepolice vorlegen. Bei den verschiedenen Varianten geht es nicht nur um den prozentualen Anteil staatlicher Zuschüsse, sondern auch um den Topf, aus dem sie einmal kommen könnten. Denn die Bauernlobby fürchtet, dass das Geld aus bestehenden Fördertöpfen abgezweigt wird. Heute legen Bund und Länder bei Dürrekatastrophen dagegen zusätzlich Geld drauf. So gerechnet würde landwirtschaftliche Förderung unter dem Strich sinken.

Wenn die Agrarminister im Herbst tagen, wird klar sein, was der Sommer gebracht hat. Das könnte allen Beteiligten Beine machen. „Für die Ernte in diesem Jahr können wir jetzt schon sagen, Spitzenerträge sind auf gar keinen Fall zu erwarten“, sagt Rainer Langner. Das Ausmaß der Schäden stehe im Juli bis August fest. Sollte die Politik diesen Herbst den Startschuss für eine Dürrepolice geben, stünde sie wohl 2021 zur Verfügung, schätzt der Experte. Ein Jahr Vorlaufzeit brauche die Assekuranz für ein solches Produkt. Abschließen müssten Bauern die Police spätestens bis Ende März eines Jahres, weil im April schon feststeht, ob es Dürreschäden gibt. Und ein Haus, das schon brennt, könne man auch in diesem Fall nicht versichern.

Dürreversicherung

Ernteschäden durch Extremwetter haben eine große Schwankungsbreite. Das schlimmste Jahr bis 2018 war 1992 mit bundesweit gut 2,3 Milliarden Euro Ernteschäden, weist eine Studie des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft aus. Es gibt aber auch Jahre mit Ernteschäden unter 100 Millionen Euro. Experten gehen wegen des Klimawandels von tendenziell steigenden Schäden aus. Sie sagen Deutschland bis Ende des Jahrhunderts bis zu vier Mal mehr sommerliche Hitzetage voraus.

Wie schlimm es dieses Jahr wird, können Meteorologen noch nicht genau vorhersagen. Aufbauend auf den Dürresommer 2018 und einen folgenden Winter sowie Frühling mit wenig Niederschlägen, sind die Böden aber vorgeschädigt. Ab Tiefen von 25 bis 30 Zentimetern sind sie vor allem nördlich der Main-Linie trocken, warnen Experten. Nur eine ausgedehnte Regenperiode könnte noch helfen, die aber nicht in Sicht ist.

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