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Substanz soll Spermien hemmen – Fachleute hoffen auf neues Verhütungsmittel

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Von: Tanja Banner

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Bevor ein Spermium eine Eizelle befruchtet, muss es seine Oberflächenspannung verändern. Eine neu entdeckte Substanz kann das offenbar verhindern und könnte der Ansatz für ein neues Verhütungsmittel sein. (Symbolbild)
Bevor ein Spermium eine Eizelle befruchtet, muss es seine Oberflächenspannung verändern. Eine neu entdeckte Substanz kann das offenbar verhindern und könnte der Ansatz für ein neues Verhütungsmittel sein. (Symbolbild) © imago/Panthermedia

Eine neu identifizierte Substanz kann Spermien lahmlegen. Die Forschung könnte zu einem neuen Verhütungsmittel führen – das wohl die Frau benutzen muss.

St. Louis – Bevor ein Spermium eine Eizelle befruchtet, muss es seine Oberflächenspannung verändern. Dazu werden Kalium-Ionen aus der Spermienzelle herausgepumpt – ein Prozess namens Hyperpolarisation, der essenziell ist für die Befruchtung. Ein Forschungsteam um Celia Santi von der Washington University School of Medicine in St. Louis hat nun herausgefunden, welcher Kaliumkanal dafür verantwortlich ist: SLO3.

„Die Vorgänge, die es einem menschlichen Spermium erlauben, in die Eizelle einzudringen, werden immer besser verstanden“, berichtet der Reproduktionsmediziner Stefan Schlatt vom Universitätsklinikum Münster, der an der Studie nicht beteiligt war. Doch das ist nicht alles, was das Forschungsteam um Santi herausgefunden hat. In der Studie, die im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde, wurde außerdem eine Substanz mit Namen VU0546110 identifiziert. In Versuchen im Reagenzglas konnte diese nicht näher definierte Substanz speziell den Kaliumkanal SLO3 von Spermien hemmen.

Mögliches Verhütungsmittel: Neuer Wirkstoff könnte Spermien hemmen

„Dadurch könnte der Wirkstoff verhindern, dass die Spermien zur Eizelle gelangen und diese befruchten“, erklärt Timo Strünker vom Universitätsklinikum Münster. Für die Forschung ist das eine interessante Erkenntnis: „Dieses Ergebnis macht SLO3 zu einem attraktiven Zielprotein für neue Verhütungsmittel“, vermutet Strünker, der an der Studie nicht beteiligt war. Im Idealfall sollte der Wirkstoff nur Spermien und die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen, „aber fast keine Nebenwirkungen haben“, so der Fachmann, der betont: „Der SLO3-Kanal ist ausschließlich in Spermien und sonst keiner anderen Körperzelle zu finden.“ Ebenfalls interessant ist, dass der Wirkstoff im Gegensatz zu Verhütungsmitteln wie der Pille hormonfrei ist.

Auch Artur Mayerhofer, Arbeitsgruppenleiter am BioMedizinischen Centrum München (BMC) kann sich vorstellen, dass die Erkenntnisse der Studie als eine neue Verhütungsmethode genutzt werden könnten. „Diese Möglichkeit sehe ich grundsätzlich auch, das Potenzial dafür ist klar vorhanden“, sagt der Mediziner, der nicht an der Studie beteiligt war. „Allerdings ist es vom eindeutigen Laborergebnis bis zur praktischen Umsetzung ein weiter und unvorhersehbarer Weg“, schränkt Mayerhofer ein.

Mögliches neues Verhütungsmittel: Weitere Untersuchungen müssen folgen

Weitere Untersuchungen müssten folgen, die Ergebnisse anschließend durch eine größere Fallzahl abgesichert werden. Außerdem gelte es, die Verträglichkeit der Substanz zu testen, so Mayerhofer. „Aufgrund der beschriebenen Ergebnisse kann ich mir vorstellen, dass ein auf VU0546110 basierendes Verhütungsmittel primär vaginal zum Beispiel als Verhütungsgel oder -creme angewendet werden könnte“, blickt Mayerhofer in die Zukunft. Ob es Möglichkeiten gibt, die Substanz auch beim Mann einzusetzen, erscheint Mayerhofer „eher unwahrscheinlich“.

Verhütung für den Mann?

Bisher gibt es als Verhütungsmittel für Männer nur das Kondom und die Sterilisation. An einer „Pille für den Mann“ wird geforscht, eine US-Firma arbeitet an einem hormonfreien Verhütungsmittel für den Mann.

Potenziell neues Verhütungsmittel muss eher von Frauen benutzt werden

Auch Strünker vermutet, dass das potenziell neue Verhütungsmittel eher von der Frau benutzt werden müsste: „Der SLO3-Kanal und die Spermien müssen ja nicht im männlichen, sondern erst im weiblichen Körper ihre Funktion erfüllen.“ Der Fachmann betont jedoch auch, dass erst untersucht werden muss, ob der Mann oder die Frau einen SLO3-Inhibitor zur Verhütung einnehmen muss.

Doch nicht nur als eine mögliche künftige hormonfreie Verhütungsmethode ist die Studie interessant – auch ein anderer Aspekt spielt eine Rolle: Die männliche Unfruchtbarkeit. Mutationen des Ionenkanals SLO3 „könnten ein Grund für bislang nicht erklärbare Fälle von männlicher Infertilität sein“, betont Mayerhofer. (tab)

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