Tuberkulose – Der Schrecken ist zurück und hat Resistenzen entwickelt

Weltweit steigt die Zahl der Tuberkulose-Fälle, auch die Ukraine zählt zu den stark betroffenen Ländern. Das ist ein Problem: Denn die verantwortlichen Mycobakterien haben Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt.
Frankfurt – Bessere Lebensbedingungen und Hygiene, die Entwicklung von Impfstoffen und Antibiotika sorgten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dafür, dass viele vorher oft tödliche Infektionskrankheiten ihren Schrecken verloren. Auch die Tuberkulose schien kurz davor, besiegt zu sein – vor allem, seit sie mit Antibiotika behandelt werden konnte. Ein Zustand, der aber nicht von Dauer war, und eine Hoffnung, die sich nicht bewahrheitete: Immer noch sterben täglich mehr als 4000 Menschen auf der Welt an Tuberkulose, derzeit ist die Krankheit nach Covid-19 die zweithäufigste Todesursache durch eine Infektion und nach wie vor die häufigste durch einen bakteriellen Erreger.
Zum Welttuberkulosetag am 24. März 2022 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktuelle Zahlen veröffentlicht und neue Behandlungsrichtlinien vorgestellt.
Tuberkulose: Mycobakterien haben Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt
Denn längst haben die Mycobakterien, die Tuberkulose verursachen, Resistenzen gegen einst wirksame Antibiotika entwickelt, so dass mittlerweile Kombinationen aus drei bis vier Mitteln gegeben werden. Zu den empfohlenen Substanzen gehören laut WHO bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen nun auch Bedaquilin und Delamanid.
Laut WHO haben sich 2020 weltweit 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren mit Tuberkulose infiziert, etwa ein Viertel davon ist an der Krankheit gestorben. Ein Grund: Geschätzt 72 Prozent der infizierten Kinder wurden nicht behandelt. Insgesamt nahm 2020 die Zahl der weltweiten Todesfälle durch Tuberkulose erstmals seit zehn Jahren wieder zu: Sie stieg im Vergleich zu 2019 von 1,4 Millionen auf 1,5 Millionen. Die Corona-Pandemie habe die Situation noch verschlimmert, weil die Krankenhäuser weniger Behandlungen anboten oder Menschen, aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus ihre Tuberkulose-Infektion nicht meldeten. Weltweite Zahlen für 2021 liegen bislang noch nicht vor.
Tuberkulose war im 19. Jahrhundert fast eine Volkskrankheit
Während die Tuberkulose im 19. Jahrhundert in den aufstrebenden Industrienationen mit ihren wachsenden Städten fast eine Volkskrankheit war, bedroht sie heute vor allem die Gesundheit der Menschen in den ärmeren Ländern. In Deutschland gingen die Fallzahlen laut Robert Koch-Institut (RKI) 2021 weiter zurück, jedoch nicht mehr so deutlich wie in den Jahren zuvor. 2021 wurden dem RKI demnach 3896 Tuberkulose-Neuerkrankungen gemeldet (sechs Prozent weniger als 2020), 2020 waren es im Vergleich zum Vorjahr noch 14 Prozent weniger gewesen. Die USA verzeichneten 2020 sogar einen massiven Rückgang um 20 Prozent. Ob es sich tatsächlich um so viel weniger Fälle handelt oder ob sie wegen Corona nur seltener diagnostiziert wurden, soll nun untersucht werden.
Tuberkulose
Übertragen wird Tuberkulose meist per Tröpfcheninfektion über die Lungen, selten ist auch eine Ansteckung über den Verdauungstrakt oder Verletzungen der Haut möglich.
Die meisten Infektionen verlaufen unbemerkt, nur bei etwa einem von zehn infizierten Menschen bricht die Krankheit aus, oft haben sie ein geschwächtes Immunsystem.
Symptome können Nachtschweiß, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Schwäche, Fieber, später auch anhaltender oder blutiger Husten sein.
Behandelt wird die Tuberkulose mit Antibiotika. Sie ist eine meldepflichtige Krankheit.
Eine Impfung wurde bereits vor 100 Jahren entwickelt. Allerdings ist der auf abgeschwächten Bakterien basierende Lebendimpfstoff nicht sehr gut verträglich und wirkt auch nur zu etwa 50 Prozent. In Deutschland wird er deshalb nicht mehr eingesetzt. pam
Fachleute erwarten, dass aus der Ukraine Menschen mit Tuberkulose ankommen
In Deutschland hätten trotz der „erschwerten Bedingungen“ durch die Pandemie die „Strukturen der Tuberkulose-Kontrolle“ gut funktioniert, heißt es in einer Mitteilung des Robert Koch-Instituts. Allerdings weist das RKI auf „zusätzliche Anforderungen beim Infektionsschutz“ durch die Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine hin. Auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) erwartet, dass aus den Kriegsgebieten Menschen mit Tuberkulose ankommen. In der Ukraine ist die Krankheit wesentlich stärker verbreiten als im Westen Europas. Während in Deutschland jährlich fünf von 100.000 Menschen betroffen sind, liegt das Verhältnis in der Ukraine nach Informationen der DGP bei 73 von 100.000.
Insbesondere sei der Anteil der multiresistenten Tuberkulose mit 29 Prozent unter den Neudiagnosen „sehr hoch“, heißt es. Erschwert werde die Behandlung zudem durch Ko-Infektionen wie HIV oder Hepatitis-C. Es müsse jetzt „sichergestellt werden, dass diese Menschen lückenlos medizinisch weiterversorgt werden, damit deren Behandlung Erfolg hat“, sagt Torsten Bauer, Präsident der DGP. Eine Tuberkulose-Therapie dauert mindestens sechs, teilweise mehr als 20 Monate. „Bei einer Unterbrechung von nur acht Wochen muss die Behandlung wieder von vorne beginnen“, erklärt Tom Schaberg, federführender Autor der deutschen Tuberkulose-Leitlinie.
Tuberkulose bei Geflüchteten aus der Ukraine: Kosten sollen „vollständig übernommen werden“
Die DGP fordert die politisch Verantwortlichen deshalb auf, dem öffentlichen Gesundheitsdienst mehr Personal und Budget zur Verfügung zu stellen, „um das Tuberkulose-Screening und notwendige Umgebungsuntersuchungen von Geflüchteten schnellstmöglich zu gewährleisten“. Die Kosten für die stationäre und ambulante Behandlung müssten „vollständig übernommen“ und dürften „nicht den Behandlern“ überlassen werden. Das gelte auch für Kosten, die durch die Unterbringung von Patient:innen aus Infektionsschutzgründen entstünden. Ebenso müsse der Gesetzgeber die Kostenübernahme der „längerfristigen Versorgung“ von Menschen mit Ko-Infektionen oder einer zusätzlichen Abhängigkeit von intravenösen Drogen sichern.
Ärztinnen und Ärzte, die im Erstkontakt mit den Geflüchteten stehen, sollten informiert werden, auf Tuberkulose „als Differentialdiagnose“ zu achten. Mittelfristig, fordert die DGP, müsse die Fortbildung der Ärzteschaft „in infektionsrelevanten Fragen gefördert werden, um auch zukünftig in Krisensituationen schnell handeln zu können“. (Pamela Dörhöfer)