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Steigt das Thrombose-Risiko durch den beliebten Zuckerersatz Erythrit?

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Von: Pamela Dörhöfer

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Eine große internationale Studie stellt einen Zusammenhang von Erythrit mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einer gesteigerten Blutgerinnung her.

Frankfurt – Es macht weder dick noch die Zähne kaputt und ist doch kein „künstlicher“ Süßstoff, sondern ein Zuckeralkohol, der natürlich in Weintrauben, Birnen oder Melonen vorkommt: Erythrit (auch Erythritol genannt) scheint ein geradezu perfekter Ersatz für das „weiße Gift“ zu sein, von dem sich der Zuckeraustauschstoff optisch kaum, aber durch eine geringere Süßkraft unterscheidet. Eine große Studie, an der auch Forschende aus Deutschland beteiligt waren, zeigt nun mögliche Gesundheitsgefahren durch die Zuckeralternative auf.

Denn die Arbeit liefert Hinweise auf eine gesteigerte Blutgerinnung (die zu Thrombosen führen kann) und ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Arbeit ist am Montag im Fachjournal „Nature Medicine“ erschienen.

Thrombose-Risiko und Herz-Kreislauf-Erkrankung: Studie weist hohen Zuckerersatzstoff in Blutbahn nach

Für ihre Studie haben die Forschenden Blutproben von mehr als 4000 Menschen mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – etwa aufgrund von starkem Übergewicht oder Diabetes Typ 2 – untersucht. Bei den Teilnehmer:innen, die im Beobachtungszeitraum von drei Jahren eine schwerwiegende kardiovaskuläre Erkrankung wie einen Herzinfarkt erlitten, stießen sie im Blutplasma auf eine gesteigerte Konzentration bestimmter Zuckeralkohole, darunter insbesondere Erythrit. Weitere Analysen ergaben, dass es zu einer beschleunigten Blutgerinnung kam, fügte man Erythrit den Blutproben zu.

Erythrit (auch Erythritol genannt) unterscheidet sich optisch kaum von Zucker, hat aber eine geringere Süßkraft.
Erythrit (auch Erythritol genannt) unterscheidet sich optisch kaum von Zucker, hat aber eine geringere Süßkraft. © Imago

Im zweiten Teil der Studie standen acht gesunde Menschen ohne Risikofaktoren im Fokus. Sie nahmen ein mit 30 Gramm Erythrit gesüßtes Getränk zu sich, was der Menge in einem handelsüblichen, mit diesem Zuckeraustauschstoff gesüßten Getränks entspricht. Der Verzehr soll den Erythritspiegel im Blut der Probandinnen und Probanden für zwei Tage so stark erhöht haben, dass er weit über der Schwelle lag, bei der zuvor deutliche Hinweise für eine veränderte Aktivität der Blutplättchen beobachtet wurden.

Erythrit gilt gemeinhin als besonders gute und verträgliche Alternative zu Zucker, da es im Gegensatz zu anderen Zuckeralkoholen nur selten Durchfall verursacht. Im Vergleich zu Zucker, der es auf 400 Kalorien pro 100 Gramm bringt, schlägt Erythrit nur mit 20 Kalorien zu Buche. In der Natur kommt Erythrit in verschiedenen Früchten, aber auch in Pilzen und Käse vor, für die Lebensmittelindustrie wird es vor allem aus Mais gewonnen.

Erythrit wird häufig Menschen mit Diabetes empfohlen, doch es besteht Gefahr auf Thrombose

Insbesondere für Menschen mit Diabetes, Adipositas oder kardiovaskulären Erkrankungen werde Erythrit als „idealer Ersatzstoff zu zuckerhaltigen Lebensmitteln empfohlen“, sagt Harald Schulze, Professor für Experimentelle Hämostaseologie (Lehre von der Blutgerinnung) an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität. Jedoch basierten viele Annahmen bisher auf Tierstudien. Neben dem vermeidlich gesunden Zuckerersatzstoff gibt es noch 6 weitere Lebensmittel, die nicht so gesund sind wie ihr Ruf.

Die aktuelle Arbeit versuche, „diese Lücke zu schließen“. Schulze ist aber skeptisch, was die „gezogenen Schlussfolgerungen“ angeht. Aus seiner Sicht könne „kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum von Zuckerersatzstoffen wie Erythrit und einem erhöhten Risiko für schwere kardiale Komplikationen gezogen werden“ – allein deshalb, weil die Kohorte aus Menschen mit bereits erhöhtem Risiko bestehe. Die Stärke der Arbeit liege vor allem darin, „eine Tür aufzustoßen“, dass Studien mit großer Fallzahl notwendig seien, „um die langfristige Rolle von Zuckerersatzstoffen besser zu verstehen“.

Risiko auf Thrombose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Zuckerersatzstoff Erythrit

Auch Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Berliner Charité, sieht die Publikation als „wichtigen, ja überfälligen Impuls“ an, um „auch bereits zugelassene Nahrungsmittel-Zusatzstoffe wie Süßungsmittel intensiver zu beforschen“.

Auch er weist auf die Schwäche hin, dass in der großen Kohorte nur Hochrisikogruppen eingeschlossen waren. Die Wirkung von Erythrit auf das Gerinnungssystem sei allerdings auch an Gesunden gezeigt worden. Dieses Risiko sei deshalb „in Prinzip also wahrscheinlich für alle Menschen generalisierbar“. Für eine Warnung sei es aber zu früh: „Der Wechsel zurück zum Zucker ist vermutlich nicht der gesündere Weg.“

Als „aus klinischer Perspektive brisant und ernst zu nehmen“ bezeichnet Hans Hauner, Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, den Datensatz. Es seien aber noch viele Fragen offen, die zügig geklärt werden müssten. Dazu gehöre die, ab welchen Mengen schädliche Effekte auftreten. Das sei allerdings „sicher schwer zu ermitteln“, da die Mengen an Erythrit in Lebensmitteln nicht deklariert seien.

Haben Zuckerersatzstoffe auch Auswirkungen auf das Krebsrisiko?

Hans Hauner rät „aus heutiger Sicht und in Kenntnis der Ergebnisse“: „Ein mäßiger Konsum vom Zucker von weniger als fünf bis zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr, also 25 bis 50 Gramm Zucker täglich für einen erwachsenen Menschen, ist akzeptabel und unbedenklich. Bei der Verwendung von Zuckerersatzstoffen, welcher Art auch immer, haben wir zwar viele und teilweise widersprüchliche Kurzeitbefunde, wissen aber sehr wenig über mögliche Langzeitfolgen, nicht nur mit Blick auf Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Krankheiten, sondern auch auf das Krebsrisiko. Aber auch hier gilt derzeit, dass ein moderater Verzehr damit gesüßter Lebensmittel und Getränke nicht toxisch ist.“ (Pamela Dörhöfer)

Experten stellten auch ein erhöhtes Krebsrisiko durch Diabetes und Adipositas fest.

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