Süßstoffe als Zuckerersatz: Experten fordern Kennzeichnung von Lebensmitteln
Experten empfehlen eine bessere Kennzeichnung von Süßstoffen – auch, weil das Wissen über die Wirkung auf den menschlichen Organismus immer noch lückenhaft ist.
- In zahlreichen Lebensmitteln sind künstliche Süßstoffe enthalten
- Wie sich die unterschiedlichen Süßungsmittel langfristig auf die Gesundheit auswirken, ist nicht bekannt
- Experten fordern, genaue Kennzeichnung von Lebensmitteln mit Süßstoffen
Cola light, kalorienarme Limonaden, zuckerfreie Bonbons, Kaugummis, Kuchen, Plätzchen und Marmeladen: Die Liste der Lebensmittel, die künstliche Süßstoffe enthalten, wächst stetig – und ebenso die Zahl der Konsumenten, die zu diesen Produkten greifen – um der schlanken Linie oder der Zähne willen. Auch Kinder und Jugendliche nehmen in wachsender Zahl die unterschiedlichsten Süßungsmittel zu sich – obwohl bis heute nicht bekannt ist, wie sich das langfristig auf ihre Gesundheit auswirken könnte.
Die „American Academy of Pediatrics“ (AAP) hat die aktuelle Datenlage zu sogenannten nicht-nahrhaften – also komplett oder fast kalorienfreien – Süßstoffen in einer neuen Leitlinie zusammengefasst, die jetzt in der Fachzeitschrift „Pediatrics“ veröffentlicht wurde. Die US-Experten empfehlen darin eine genauere Kennzeichnung, welche Süßstoffe in welcher Menge in Lebensmitteln enthalten sind.
Welche langfristigen Auswirkungen haben künstliche Süßstoffe auf die Gesundheit?
Die Studienlage zu möglichen, vor allem langfristigen Wirkungen des Konsums künstlicher Süßstoffe auf die Gesundheit ist widersprüchlich, das Wissen lückenhaft. Weitgehend entkräftet wurde mittlerweile allerdings die frühere Annahme, diese synthetisch hergestellten Substanzen könnten krebserregend sein. So gibt es nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung keine Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch Süßstoffe, auch wenn sich diese Vermutung hartnäckig hält. Sie rührt vor allem von einer Studie her, bei der ein hoher Konsum des Süßstoffs Cyclamat Ratten häufiger an Blasenkrebs erkranken ließ. Die Ergebnisse gelten aber nicht als auf Menschen übertragbar, unter anderem, weil die Versuchstiere täglich extrem große Mengen zu sich nahmen.
Auch für Aspartam, einen ebenfalls verbreiteten Süßstoff, stand kurzzeitig im Raum, er könnte krebsfördernd sein. Denn bei seiner Verstoffwechselung entstehen Spuren des Alkohols Methanol. Dieser kann in großen Mengen zur Tumorentstehung beitragen. Solche Dosen sind aber durch den Konsum des Süßstoffs nicht zu erreichen. Eine Studie der Europäischen Lebensmittelbehörde aus dem Jahr 2006 bescheinigte Aspartam, in verzehrüblichen Mengen unschädlich zu sein.
Verdacht: Süßstoffe wirken sich auf den Stoffwechsel und den Appetit negativ aus
Allerdings besteht der Verdacht, dass sich Süßstoffe auf den Stoffwechsel, den Appetit, die Geschmackswahrnehmung und das Mikrobiom des Darms negativ auswirken. In einer israelischen Studie von 2014 etwa zeigten sich bei Mäusen nach dem Konsum der Süßstoffe Saccharin, Sucralose oder Aspartam Störungen in der Darmflora und beim Glucosestoffwechsel. Doch auch hier steht die Übertragbarkeit auf den Menschen infrage.
Umstritten ist in der Fachwelt ebenfalls, ob Süßstoffe, die ja häufig mit dem Ziel des Abnehmens eingesetzt werden, tatsächlich helfen, das Gewicht zu reduzieren – oder ob sie nicht sogar eher das Gegenteil bewirken. 1986 schilderten britische Forscher in der Fachzeitschrift „The Lancet“ einen Versuch, bei dem die Testpersonen nach dem Trinken von Wasser, das mit Süßstoff angereichert war, über stärkere Hungergefühle berichteten als nach dem Konsum reinen Wassers. Bei diversen anderen Studien wurde ein solcher Effekt nicht festgestellt.
Süßstoff-haltige Getränke erhöhen Risiko für Schlaganfall und Demenz
Allerdings ist erst vor zwei Jahren eine Studie zu dem alarmierenden Ergebnis gekommen, dass der häufige Konsum süßstoffhaltiger Getränke das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden oder an Demenz zu erkranken, erhöhen kann. Die Wissenschaftler dieser sogenannten Framingham-Heart-Studie vermuten, dieser Effekt könne damit zusammenhängen, dass Süßstoffe möglicherweise den Appetit fördern und so langfristig zu einer Gewichtszunahme führen.

Unabhängig von den ungewissen gesundheitlichen Folgen ist Fakt, dass der Konsum von süßstoffhaltigen Lebensmitteln in den Industrieländern stark zugenommen hat. So hat sich in den USA die Zahl dieser Produkte in den vergangenen Jahren vervielfacht, bereits 2012 nahmen etwa 20 Prozent der Heranwachsenden dort täglich Süßstoffe zu sich.
Süßstoffe sollen auf ihre Unbedenklichkeit bewertet werden
Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat gerade damit angefangen, sämtliche vor 2009 zugelassenen Süßungsmittel mit Blick auf ihre Unbedenklichkeit neu zu bewerten. In die Risikobewertung soll einfließen, was bislang zu den gesundheitlichen Auswirkungen dieser Stoffe bekannt ist, welche Mengen die verschiedenen Produkte enthalten und in welchem Ausmaß sie von der Bevölkerung konsumiert werden. Die Ergebnisse sollen bis Ende 2020 vorliegen.
Deutsche Expertinnen würden sich künftig auch hierzulande eine bessere Kennzeichnung wünschen. Sandra Hummel vom Institut für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München fände Informationen sinnvoll, welche Art und Dosis eines Süßstoffs ein Lebensmittel enthält – „sowohl für den Verbraucher, wenn es um die individuelle Abschätzung der täglichen Zufuhr an nichtnahrhaften Süßstoffen geht, als auch für die Wissenschaft, um zum Beispiel die tägliche Aufnahme von Süßstoffen bei Kindern zu erfassen“.
Wie wirken sich Süßstoffe auf die Entwicklung des Gewichts von Kindern aus?
Wissenslücken gibt es nach Einschätzung der Forscherin vor allem bei der Frage, wie sich Süßstoffe langfristig auf die Entwicklung des Gewichts von Kindern und Jugendlichen auswirken. Zu klären gebe es dabei unter anderem, wie Süßstoffe die tägliche Energiezufuhr, den Appetit und die geschmacklichen Präferenzen beeinflussen. So hätten einige Studien darauf hingedeutet, dass die Verwendung künstlicher Süßmittel dazu führen könne, dass jemand mehr zuckerhaltige Lebensmittel zu sich nimmt, erklärt Sandra Hummel.
Selbst wenn die kalorienfreien Ersatzstoffe zunächst dabei helfen könnten, Gewicht zu reduzieren, so besteht nach Ansicht von Susanne Klaus, Leiterin der Arbeitsgruppe „Physiologie des Energiestoffwechsels“ am Deutschen Institut für Ernährung, doch „ein potenzielles Problem bei langfristiger Einnahme“ – und zwar eben genau deshalb, weil man sich an den Süßgeschmack gewöhnen und seine geschmacklichen Vorlieben entsprechend ändern könnte.
Noch sei weitgehend ungeklärt, wie Süßstoffe die „Nahrungswahrnehmung“ und dadurch das „Appetitverhalten“ langfristig beeinflussten. „Dazu besteht noch dringender Forschungsbedarf.“
Süßstoffe - Zuckerersatz
Süßstoffe sind synthetisch hergestellte chemische Verbindungen. Ihre Süßkraft liegt erheblich über der von Haushaltszucker, sie ist zum Teil zigtausendfach höher. Die meisten Süßstoffe liefern dem Körper keine Energie und sind damit kalorienfrei. Eine Auswahl:
- Saccharin ist der älteste Süßstoff, der bereits 1885 erstmals auf den Markt kam. Es wird in Form von Pulver und Tabletten angeboten. Wegen seiner Hitzestabilität ist Saccharin auch zum Backen und Kochen geeignet. Die Süßkraft ist 450- bis 550-mal so stark wie die des Zuckers, bei Überdosierung kann jedoch ein bitterer Nachgeschmack auftreten.
- Cyclamat wurde 1937 durch Zufall bei der Suche nach einem fiebersenkenden Mittel entdeckt. Es hat eine geringere Süßkraft als Saccharin. Erhältlich ist es in flüssiger Form und als Tabletten. Cyclamat ist gut löslich und hitzestabil.
- Aspartam kommt dem Geschmack von Zucker besonders nahe – und hat sogar einen ähnlichen Kaloriengehalt. Weil Aspartam jedoch 200-mal stärker süßt, benötigt man viel geringere Mengen. Beim Erhitzen verliert Aspartam seine Süßkraft.
- Neotam ist eng mit Aspartam verwandt, aber sehr viel süßer. Seit 2009 ist es in der Europäischen Union zugelassen, allerdings darf es nur in bestimmten Lebensmitteln verwendet werden, zum Beispiel in Backwaren oder Senf. Neotam wird auch als Geschmacksverstärker eingesetzt.
- Aesulfam, seit 1983 auf dem Markt, hat einen sehr ähnlichen Geschmack wie Zucker. Anders als Aspartam ist es auch zum Backen und Kochen geeignet. Von der Industrie wird es sehr oft zum Süßen von Getränken, Marmeladen oder Obstkonserven eingesetzt.
- Neohesperidin DC wird aus Zitrusfrüchten gewonnen und verfügt über eine Süßkraft, die bis zu 600-mal stärker als die von Zucker ist. Es findet sich häufig auch in Knabberwaren.
- Sucralose ist ein künstlich veränderter Haushaltszucker, schmeckt etwa 600-mal süßer als dieser und ist kalorienfrei. Das Süßungsmittel wurde 1991 erstmals in Kanada zugelassen und ist seit 2004 auch in der EU auf dem Markt.
- Thaumatin wird aus der afrikanischen Katemfrucht gewonnen und ist nicht kalorienfrei. Da seine Süßkraft bis zu 3000-mal stärker als die von Zucker ist, schlägt der Nährwert allerdings nicht zu Buche.
- Steviosid wird aus der südamerikanischen Steviapflanze gewonnen und kann eine 400-mal stärkere Süßkraft als Zucker entfalten.
- Zuckeraustauschstoffe sind etwas grundlegend anderes als Süßstoffe. Sie schmecken fast genauso wie Zucker, enthalten ähnlich viele Kalorien, werden jedoch langsamer aufgenommen und lassen deshalb den Blutzuckerspiegel nicht so stark hochschnellen. Zu ihnen zählen unter anderem Fructose, Sorbit, Xylit und Isomalt.