Wie könnte unser Sonnensystem mit einer Supererde aussehen?

Ein Wissenschaftler wollte wissen, wie unser Sonnensystem mit einer Supererde aussehen würde. Vermutlich wäre nie Leben entstanden – zumindest geht das aus seiner Simulation hervor.
Riverside (Kalifornien) – Unser Sonnensystem ist in gewisser Weise einzigartig, da es eine Erde, auf der es Leben gibt, hat, aber keine Supererde besitzt. Supererden sind eine Klasse von Planeten, die häufig um andere Sterne kreisen. Sie werden allein durch ihre Masse definiert, die zwischen zwei und zehn Erdmassen liegt, berichtet kreiszeitung.de.
Bei der Suche nach anderen Galaxien und Exoplaneten ist Wissenschaftlern über die Jahre hinweg aufgefallen, dass Supererden relativ normal sind. Außer bei in unserem Sonnensystem. Und da es hier keine repräsentative Supererde gibt, ist es für Planetenforscher schwierig, diesen Typ von Planeten in anderen Systemen zu verstehen.
Sonnensystem ohne Supererde: Unsere Erde ist innerhalb der Planetensysteme besonders
Auch die Architektur unseres Sonnensystems unterscheidet sich erheblich von dem, was Astronomen in der Umgebung anderer Sterne sehen. Systeme wie Kepler-11 haben mehrere Planeten in kompakten Systemen auf langfristig stabilen Bahnen, die viel näher am Stern liegen. Erst diesen Februar hatten Forschende vier Klassen von Planetensystemen vorgestellt.
Zur Studie
Die Studie trägt den Titel „The Dynamical Consequences of a super-Earth in the solar system“ (engl. Die dynamischen Folgen einer Supererde im Sonnensystem) und wurde auf dem preprint server arXiv am 13. Februar 2023 veröffentlicht. Die Arbeit wurde von Fachleuten noch nicht begutachtet.
Aber was wäre, wenn es in unserem Sonnensystem eine Supererde geben würde? Wie würde sie unser Sonnensystem verändern? Würde eine Supererde unser Sonnensystem mehr in Einklang mit einigen anderen Systemen in der Milchstraße bringen? Wäre unser Sonnensystem überhaupt noch zu erkennen? Diesen Fragen ist Stephen Kane nachgegangen. Er ist Professor für Planetenastrophysik an der Universität von Kalifornien in Riverside, nahe San Bernardino.
Dafür hat er das Sonnensystem in eine Computersimulation nachgebaut. Es könnte mehrere Gründe geben, warum unser System keine Supererde hat. Die frühe Wanderung von Jupiter und Saturn könnte eine Rolle gespielt haben, indem sie Masse verschlungen haben, die sich auf der Erde oder dem Mars – auf dem es übrigens spannende Orte zum Auskundschaften gibt – hätte ansammeln und sie zu Supererden machen können.
Planetensystem ohne Supererde: Das analoge Sonnensystem mit verschiedenen simulierten Supererden
In dem Modell fügt der Wissenschaftler Planeten mit Massen zwischen ein und zehn Erdmassen hinzu. Als Grundmaß nimmt er eine Erdmasse und addiert nach und nach eine weitere Erdmasse hinzu. Die verschiedenen Erdtypen wurden dann auf einer kreisförmigen Bahn – ähnlich der Erdumlaufbahn – auf verschiedenen Startpositionen platziert. Dabei ging Kane erneut schrittweise vor, indem er die Umlaufbahnen immer um 0,01 AE erweiterte. AE steht für Astronomische Einheit und beschreibt den mittleren Erd-Sonnen-Abstand von 149,6 Millionen Kilometern.
Das erste Erd-Analog platzierte er auf einer Bahn von 2 AE – also ungefähr 299,2 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Die weiteste Sonnenentfernung in der Simulation betrug 4 AE, somit knapp 598,4 Millionen Kilometer. „Dies führte zu mehreren Tausend Simulationen, wobei jede Simulation 107 Jahre lang laufen durfte, beginnend mit der gegenwärtigen Epoche, und alle 100 Simulationsjahre eine Orbitalkonfiguration ausgegeben wurde“, erklärt Kane.
Anfällig für Instabilitäten. Forscher simuliert Sonnensystem mit Supererde
Die Simulationen zeigten, dass die inneren Planeten durch die Hinzufügung einer Super-Erde anfälliger für Instabilitäten sind als die äußeren Planeten. Das verstärkte die chaotische Entwicklung des inneren Sonnensystems. „In diesem Beispiel werden die Bahnen aller vier inneren Planeten so instabil, dass sie vor dem Ende der 107-jährigen Simulation aus dem System entfernt werden“, schreibt Kane. Bereits bei der Hälfte der simulierten Zeit wurde der Mars aus seiner Umlaufbahn herausgeschleudert. Merkur schaffte nur ein Drittel des Weges durch die Simulation, bevor Wechselwirkungen mit Venus und Erde und deren zunehmende Exzentrizität einen Drehimpuls auf die Merkurbahn übertrugen und ihn wegschleuderten.
In einem weiteren Simulationsdurchlauf platzierte Kane eine Supererde mit acht Erdmassen in einer Entfernung von 3,7 AE (553,5 Millionen Kilometern). Eine Erdmasse entspricht übrigens 5,9722 Trilliarden Tonnen. Die simulierte Supererde hatte somit eine Masse von 47,8 Trilliarden Tonnen. Dies führte zu einer anfänglichen leichten Zunahme der Exzentrizität von Erde und Venus, die dann in Verbindung mit dem Einfluss von Jupiter die Merkurbahn so stark störte, dass Merkur erneut schnell weggeschleudert wurde. Das hatte wiederum Folgen für die Supererde und Venus: „Dies führt zu einer erheblichen periodischen Entwicklung ihrer Bahnen mit hoch- und niederfrequenten Schwankungen ihrer Exzentrizitäten.“ Für den Mars änderte sich relativ wenig in diesem Durchlauf.
Simulationsdurchlauf beeinflusste auch das äußere Sonnensystem: Diese Auswirkungen hätte eine Supererde
Das äußere Sonnensystem blieb nicht verschont. Als die Simulation einen Planeten mit sieben Erdmassen (41,8 Trilliarden Tonnen) bei 3,79 AE (567 Millionen Kilometer) platzierte, passierte zunächst nicht viel. Doch dann änderte sich die Umlaufbahn der Supererde und ihre Halbachse reicht bis zu 30 AE (4.488 Millionen Kilometer).
Nach etwa vier Millionen Jahren wird die Supererde aus dem System herausgeschleudert. Durch den Auswurf wird ein Drehimpuls übertragen, und das hat einen „erheblichen Einfluss auf die Exzentrizitäten von Saturn, Uranus und Neptun“, erklärt Kane.
In einer anderen Simulation hatte die ausgestoßene Supererde ebenfalls sieben Erdmassen, und die AU änderte sich nur geringfügig, nämlich von 3,79 auf 3,8. Die Supererde wurde erneut ausgestoßen, und Jupiter und Saturn erfuhren eine größere Exzentrizität. Die geringfügige Änderung löste auch den Verlust des Uranus aus. In anderen Simulationen wurden alle Eisriesen aus dem Sonnensystem geschleudert.
Mit Supererde wohl kein Leben im Sonnensystem
Die Simulationen zeigten, dass die Anwesenheit einer Supererde die Bahnen der anderen Planeten exzentrischer machen kann. „Die Abhängigkeit des Planetenklimas von den orbitalen Wechselwirkungen mit Supererden erfordert weitere atmosphärische Daten und Modellierungen, um festzustellen, ob das Vorhandensein solcher Planeten (oder deren Fehlen) bevorzugt zu exzentrizitätsbedingten Klimaeffekten führen kann“, schreibt Kane.
Kane bezeichnet unser Fehlen einer Supererde als zweischneidiges Schwert. Einerseits haben wir keine Möglichkeit, eine Supererde so genau zu untersuchen wie terrestrische Planeten, Gasriesen oder Eisriesen. Andererseits hätte das Vorhandensein einer Supererde das Sonnensystem völlig verändern und für das Leben möglicherweise katastrophale Folgen haben können.