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Sonnensturm kann der Erde gefährlich werden – Risiko für kritische Infrastruktur

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Von: Tanja Banner

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Wie ein Sonnensturm der Erde gefährlich werden kann und was die Forschung dagegen tun kann.

Frankfurt – Blickt man an einem sonnigen Tag zum Himmel, kann man es sich kaum vorstellen: die Sonne, ein Garant des Lebens auf der Erde, kann für die Erde gefährlich sein. Sie durchläuft einen 11-jährigen Aktivitätszyklus, in dessen Verlauf sich ihre Aktivität bis zum solaren Maximum steigert und dann wieder verringert. Ist die Sonne aktiv, sind an der Oberfläche der Sonne vermehrt Sonnenflecken zu sehen, außerdem schleudert die Sonne in heftigen Eruptionen Materie von sich weg. Bei diesen sogenannten koronalen Masseauswürfen (CMEs) werden geladene Teilchen von der Sonne ausgestoßen, die als Sonnensturm durchs Weltall rasen.

Gelegentlich trifft ein solcher Sonnensturm die Erde und interagiert mit dem irdischen Magnetfeld – deshalb ist auch der Begriff geomagnetischer Sturm gängig. Im besten Fall entstehen dann an den Polen farbenprächtige Polarlichter – im schlimmsten Fall können Sonnenstürme „auf der Erde und im erdnahen Weltraum zu erheblichen Störungen bis hin zum Ausfall kritischer Infrastrukturen führen“, erklärt der Astrophysiker Dr. Volker Bothmer, der am Institut für Astrophysik der Universität Göttingen forscht. Besonders Kommunikations- und Navigationssysteme, Stromnetze, Ölleitungen, elektronische Systeme von Raumsonden und die damit verbundenen Strukturen wie die globale Vernetzung durch das Internet oder die Trinkwasserversorgung seien davon betroffen. Aber auch für Astronaut:innen und Flugpersonal sieht Bothmer Risiken: Sie sind erhöhter Strahlung ausgesetzt.

Sonnensturm ließ 40 „Starlink“-Satelliten von SpaceX abstürzen

„Wir wissen, dass auch stärkere Atmosphärenreibung bei erhöhter Sonnenaktivität zum Höhenverlust von Satelliten führt“, erklärt der Astrophysiker. Dieses Phänomen hat kürzlich das private Raumfahrtunternehmen SpaceX von Elon Musk zu spüren bekommen: 40 Satelliten der „Starlink“-Konstellation des Unternehmens wurden von den Auswirkungen eines Sonnensturms zerstört. Eine Partikelwolke von der Sonne, die die Erde erreichte, sorgte dafür, dass die obere Atmosphäre sich aufheizte und sich der Luftwiderstand vorübergehend erhöhte.

Die Sonne ist derzeit aktiver als erwartet. Eruptionen auf der Oberfläche schleudern Plasma ins Weltall, das in Form eines Sonnensturms die Erde treffen kann. (Archivbild)
Die Sonne ist derzeit aktiver als erwartet. Eruptionen auf der Oberfläche schleudern Plasma ins Weltall, das in Form eines Sonnensturms die Erde treffen kann. (Archivbild) © NASA/SDO/AIA/Goddard Space Flight Center

Schlechtes Timing für die „Starlink“-Satelliten: Die waren gerade erst gestartet und befanden sich noch in einer sehr niedrigen Erdumlaufbahn, in einer Höhe von etwa 210 Kilometern. SpaceX testet die Satelliten in der Regel in dieser Höhe – „Starlinks“, die nicht funktionieren, können so gleich wieder zum Absturz gebracht werden, während die Umlaufbahn funktionsfähiger Satelliten angehoben wird. 40 von 49 Satelliten konnten gegen den erhöhten Luftwiderstand nichts ausrichten und stürzten ab oder werden in der nächsten Zeit abstürzen, wie SpaceX mitteilte.

Massiver Sonnensturm kann auf der Erde große Schäden anrichten

Es war nicht das erste Mal, dass Satelliten derart massiv von einem Sonnensturm beeinträchtigt wurden. Beispielsweise verlor der Forschungssatellit Solar Maximum Mission bei einem starken Sonnensturm im März 1989 etwa fünf Kilometer an Höhe, erinnert sich Bothmer. „Wir haben öfter Probleme mit dem Höhenverlust von Satelliten. 1989 haben wir zu über 1000 während des Sonnensturms kurzfristig den Kontakt verloren“, erzählt der Astrophysiker. In den kommenden Jahren könnten erneut Probleme auf die Raumfahrt zukommen: Der aktuelle Sonnenzyklus hat gerade erst begonnen, sein Maximum erwartet Bothmer „schon etwa ab 2024“.

Was auf der Erde passieren kann, wenn sie von einem massiven Sonnensturm getroffen wird, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: 1859 traf der größte wissenschaftlich beobachtete Sonnensturm die Erde, bekannt ist er heute als Carrington-Ereignis. Damals waren Polarlichter – die in der Regel eher im Norden zu sehen sind – bis weit in den Süden, in Rom und auf Hawaii, zu sehen. Besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden damals Telegrafenleitungen, die Funken schlugen und Papier in Brand setzten.

Sonnenstürme im Blick

Zuletzt haben Forschende Hinweise darauf entdeckt, dass vor 9200 Jahren ein massiver Sonnensturm die Erde traf – während sich die Sonne eigentlich in einer ruhigen Phase des Sonnenzyklus befand.

Im Juli 2012 ist die Erde einem mit dem Carrington-Ereignis (s.u.) vergleichbaren Sonnensturm nur knapp entgangen, wie die US-Raumfahrtorganisation Nasa zwei Jahre später mitteilte. Der Sonnensturm hat die Erde damals nur sehr knapp verfehlt, wie zwei Nasa-Sonden zeigten. (tab)

Sonnensturm wie das Carrington-Ereignis könnte Schäden in Milliardenhöhe verursachen

Elektrizität war damals noch nicht weit verbreitet, deshalb hielten sich die Auswirkungen des Sonnensturms in Grenzen. Träfe ein Sonnensturm mit der Wucht des Carrington-Ereignisses heute auf die Erde, wären die Auswirkungen deutlich größer: „Aus konkreten Studien der betroffenen Infrastrukturen in verschiedenen europäischen Ländern und den USA lassen sich ökonomische Schäden in Milliardenhöhe abschätzen“, betont Bothmer. „Extreme Ereignisse, wie der Carrington-Sturm im Jahr 1859, treten basierend auf Auswertung unserer Daten, etwa einmal alle 100-150 Jahre auf“, so der Experte weiter.

In einem Sonnenzyklus von elf Jahren gibt es nach Angaben des Astrophysikers mehr als 1000 Sonnenstürme, von denen etwa 50 Geschwindigkeiten erreichen, „die zu sehr starken Auswirkungen bei der Erde führen“. Bothmer gibt jedoch auch eine leise Entwarnung: „Viele von ihnen erreichen uns glücklicherweise nicht und erfüllen nicht die speziellen Magnetfeldeigenschaften, um das Erdmagnetfeld gehörig zu stören.“

Spezielle Teleskope beobachten die Sonne, ihre Ausbrüche und das Weltraumwetter

Dank spezieller Teleskope kann man die koronalen Massenauswürfe auf der Sonne beobachten und Sonnenstürme vorhersagen. Dazu werden derzeit vor allem das „Solar and Heliospheric Observatory“ (Soho) der Weltraumorganisationen Nasa und Esa sowie die Nasa-Sonde Stereo-A genutzt. Hat ein koronaler Massenauswurf stattgefunden, kann die Forschung „aus einer 3D-Analyse Ausbreitungsgeschwindigkeit und Richtung ableiten“, erklärt Bothmer. „Dann beträgt die Vorhersagezeit je nach ihrer Geschwindigkeit 12 Stunden bis einige Tage.“ Diese Zeit kann genutzt werden, um gefährdete Infrastruktur bestmöglich zu schützen: „Man kann Satelliten in einen Safe-Mode schalten, Flugzeuge am Boden lassen, Kommunikations- und Navigationssystemfehler korrigieren oder Stromnetze entsprechend steuern“, zählt der Astrophysiker auf.

In den kommenden Jahren sind weitere Raumfahrtmissionen zur Beobachtung des Weltraumwetters geplant. Die US-Raumfahrtorganisation Nasa hat gerade erst zwei neue Sonnen-Missionen ausgewählt, die dabei helfen sollen „entscheidende Wissenslücken in Bezug auf die Verbindung zwischen Sonne und Erde zu schließen“, wie die Nasa-Direktorin der Abteilung Heliophysik, Nicola Fox, in einer Nasa-Mitteilung zitiert wird. „Es wird mehr Einblick in das Weltraumwetter geben.“ Außerdem will die Nasa 2023 im Rahmen der Mission „SunRISE“ mehrere kleine Satelliten zur Beobachtung des Weltraumwetters starten. Die europäische Raumfahrtorganisation Esa plant, Mitte der 2020er Jahre die Mission „Vigil“ ins All zu schicken. Die Raumsonde soll die Sonne dauerhaft beobachten und frühe Vorwarnungen ermöglichen. (Tanja Banner)

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