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Deutschlands Schulen nach Corona: Schlechte Noten für die Handschrift

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Von: Peter Hanack

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Vor allem Jungen haben offenbar Schwierigkeiten, mit der Hand zu schreiben.
Vor allem Jungen haben offenbar Schwierigkeiten, mit der Hand zu schreiben. © Getty Images

Schüler und Schülerinnen in Deutschland haben immer mehr Mühe, schnell und flüssig zu schreiben. Das behindert auch das Lernen. Und vergrößert die Bildungsungerechtigkeit.

Kinder und Jugendliche in Deutschland schreiben immer schlechter. Was mit Füller und Stift zu Papier gebracht wird, ist immer häufiger kaum noch lesbar. Schnelles und flüssiges Schreiben, auch über einen längeren Zeitraum, ist einem Großteil der Heranwachsenden überhaupt nicht möglich. So die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage des Instituts Schreibmotorik im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), die am Dienstag vorgestellt worden sind.

Demnach ist in der Grundschule nur jede fünfte Lehrkraft mit der Handschrift ihrer Schüler und Schülerinnen (sehr) zufrieden, jede dritte ist es (überhaupt) nicht. Noch schlechter sieht es in den weiterführenden Schulen aus. Dort äußert sich nur eine von zehn Lehrkräften (sehr) zufrieden, die Hälfte dagegen ist (überhaupt) nicht zufrieden.

Problem Schulschließungen

Jetzt waren Deutschlands Schüler und Schülerinnen noch nie dafür bekannt, in ihrer Mehrzahl Wert auf ein besonders hübsches Schriftbild zu legen. Doch Corona und die damit verbundenen Schulschließungen haben offenbar dazu geführt, dass die Handschrift noch mehr gelitten hat. Auch das geht aus der Umfrage des Instituts Schreibmotorik hervor.

Vor allem die Probleme mit unleserlichem und zu langsamem Schreiben haben sich nach Beobachtung der Lehrkräfte während der Pandemie verstärkt. Auch die Schreib-Struktur sei häufig mangelhaft. So würden Ränder nicht eingehalten, Zeilen nur teilweise beschrieben oder Absätze weggelassen bzw. beliebig eingefügt. Länger als eine halbe Stunde ohne Ermüdung oder Krampf etwas zu Papier zu bringen, gelingt nicht einmal der Hälfte der Schüler und Schülerinnen an den weiterführenden Schulen.

Wichtig wie Lesen

„Wer beim Schreiben nicht mitkommt, der kann in der Regel auch dem Unterricht nicht mehr folgen“, sagte dazu Marianela Diaz Meyer, Geschäftsführerin des Schreibmotorik Instituts. Was folge, seien schlechtere Leistungen in der Schule. „Schreiben“, so Diaz Meyer, „ist genauso wichtig wie Lesen.“

„Es geht bei der Handschrift nicht darum, einfach nur ein Kulturgut zu erhalten“, erläuterte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Vor allem gehe es darum, die mit dem Schreiben verbundenen Kompetenzen zu erhalten und zu fördern. Wenn mit der Hand geschrieben werde, steige das Textverständnis, würden Inhalte besser behalten und nehme die Kreativität zu, berichtete Diaz Meyer.

Zu viel digitale Medien

Über ein schlechtes Schriftbild, eine geringe Geschwindigkeit und wenig Durchhaltevermögen hatten Lehrkräfte auch schon vor der Corona-Pandemie geklagt. Verantwortlich dafür machen sie unter anderem den übermäßigen Umgang mit digitalen Medien – also Wischen und Tippen statt schreiben – und insgesamt einen Mangel an motorischen Fähigkeiten, die in der Regel aus Bewegungsarmut resultieren. Corona allerdings, so Beckmann, habe die Schwächen deutlich gemacht und verstärkt.

So haben laut Umfrage vor allem die männlichen Schüler Schwierigkeiten mit der Handschrift. Bei ihnen sind es rund 50 Prozent, bei den Schülerinnen etwa ein Drittel. Gerade jene, die schon vor Corona Mühe hatten, Buchstaben und Worte mit der Hand zu schreiben, haben sich noch einmal überproportional verschlechtert. „Damit hat auch die Bildungsungerechtigkeit weiter zugenommen“, bilanzierte Beckmann. Vor allem Kinder und Jugendliche, die von zu Hause nicht oder nur wenig unterstützt würden, seien weiter zurückgefallen.

Eine Stunde Schreiben pro Woche

Diaz Meyer und Beckmann forderten, dem Schreiben in allen Jahrgängen und bereits in der Ausbildung der Lehrkräfte mehr Bedeutung beizumessen. Da erst mit 15 oder 16 Jahren das Schreiben vollständig automatisiert sei, müsse an Stiftführung und Körperhaltung auch in den weiterführenden Schulen gearbeitet werden. Aktuell hat die Handschrift in den Lehrplänen ab Klasse 5 allerdings keinen Platz mehr. „Mit nur einer Stunde Handschreiben pro Woche kann man sehr viel erreichen“, sagte Diaz Meyer. Unter anderem auch bessere Lernleistungen.

Die Lehrkräfte sind gar nicht zufrieden: Immer mehr Schüler und Schülerinnen haben große Probleme mit der Handschrift.
Die Lehrkräfte sind gar nicht zufrieden: Immer mehr Schüler und Schülerinnen haben große Probleme mit der Handschrift. © VBE

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