"Rosetta" stürzt auf Kometen

Die Geschichte der Raumsonde "Rosetta" und ihres Begleiters "Philae" entwickelte sich zu einem Weltraum-Thriller. Nun hat die Mission ein spektakuläres Ende gefunden.
Als die Esa-Raumsonde "Rosetta" am heutigen Freitag direkt auf den Kometen "67P/Tschurjumow-Gerasimenko" zusteuerte und schließlich auf die Oberfläche des Himmelskörpers prallte, tat sie etwas, wofür sie eigentlich nicht gebaut wurde. Die Sonde wurde gezielt auf Kollisionskurs mit dem Kometen gebracht, den sie seit August 2014 umkreist. Das sollte sie nicht überleben, denn dieses Ende der Mission war eigentlich nicht geplant. "Rosetta war absolut nicht dafür gemacht, Schwerkraft auszuhalten", erklärt die Esa-Ingenieurin Armelle Hubault. "Sie ist als Satellit in der Umlaufbahn eines Kometen angelegt, ein kleines, sehr schwaches Gestell."
Im Moment ihres Aufpralls werde "Rosetta" zerschellen, erklärt Hubault. "Die Solarzellenausleger, die Antenne - all das wird sich auf der Oberfläche des Kometen zerschlagen." In einer Region, die die Forscher Ma'at genannt haben, findet "Rosetta" ihr Ende - zuvor sollte sie den Wissenschaftlern auf der Erde jedoch noch so viele Daten wie möglich schicken. "Die Stelle, die wir anpeilen, ist eine echte wissenschaftliche Goldgrube", zitierte die europäische Raumfahrtorganisation Esa im Vorfeld Matt Taylor, der das Projekt wissenschaftlich begleitet.
Aus rund 20 Kilometern Höhe stürzte "Rosetta" auf den Kometen herab und schickte dabei unter anderem Daten von der äußeren Atmosphäre des Kometen und der Oberfläche zur Erde. Auch Bilder erhofften sich die Esa-Wissenschaftler von dem letzten Manöver der Raumsonde. "Das wird unser Abschlusswerk sein: in die Seitenwände eines Trichters zu schauen, bevor wir aufschlagen", erklärt Taylor den Plan.
Ursprünglich sollte die Mission bereits im Dezember 2015 enden. Dass aus der gut zwölf Jahre dauernden Mission eine Art Weltraum-Thriller werden würde, hatte niemand geahnt, als "Rosetta" im März 2004 mit einer Ariane-5-Rakete in Kourou in Französisch-Guyana startete. Doch ein Thriller wurde es: Nach Vorbeiflügen an der Erde, am Mars und an den Asteroiden ?teins und Lutetia wurde "Rosetta" im Juni 2011 in eine Art "Winterschlaf" versetzt, aus dem sie erst zweieinhalb Jahre später - im Januar 2014 - wieder aufwachen sollte. Die Spannung war groß - und tatsächlich erwachte die Raumsonde aus ihrem tiefen Schlaf, der eine Phase überbrückte, in der die Sonde nur wenig Sonnenenergie abbekam. Bis August näherte sich die Raumsonde "67P/Tschurjumow-Gerasimenko", im Oktober 2014 umkreiste sie den Kometen in einem Abstand von zehn Kilometern.
Im November 2014 näherte sich die Mission einem ersten dramatischen Höhepunkt: Das Landegerät "Philae", das huckepack mit "Rosetta" unterwegs war, sollte zum Kometen hinabsteigen und ihn untersuchen. Was man zu dem Zeitpunkt, als "Philae" und "Rosetta" sich trennten, noch nicht wusste: Statt auf dem Kometen zu landen, sollte das Landegerät regelrecht über die Oberfläche des Kometen hüpfen, bevor es an einer ungeplanten Stelle endgültig zum Stehen kam.
Die Landung auf dem Kometen wurde in aller Welt bejubelt und bestaunt - doch für die Forscher ergaben sich gleich mehrere Probleme: Niemand wusste, wo genau sich das Landegerät befand und wie sicher es auf dem Kometen stand. Bald stellte sich heraus: "Philae" war an einer Stelle zum Stehen gekommen, an der die Sonnenkollektoren weniger Sonnenlicht erhielten, als geplant. Nach knapp 57 Stunden, in denen das Landegerät Daten und Bilder zur Erde schickte, schaltete es sich in eine Art "Ruhemodus": die Batterien lieferten nicht genug Energie und es gab zu wenig Sonnenlicht, um sie wieder aufzuladen.
Während des Dramas um "Philae" kreiste die Muttersonde "Rosetta" um den Kometen und hielt - neben den geplanten wissenschaftlichen Aufgaben - nach der vermissten Raumsonde Ausschau. Zwischenzeitlich meldete die sich wieder zurück und wurde erst kürzlich sogar wiedergefunden: Auf Bildern, die eine hochauflösende Kamera "Rosettas" gemacht hatte, ist "Philae" zu erkennen, eingeklemmt in einer dunklen Spalte des Kometen. Seit Februar gehen die beteiligten Wissenschaftler jedoch davon aus, dass "Philae" endgültig verstummt ist - es ist zu kalt für die Geräte des Landegeräts und zu dunkel, um noch genügend Energie zu tanken.
Mit dem Sturz von "Rosetta" auf die Kometen-Oberfläche sind das Mutterschiff und das Landegerät nach knapp zwei Jahren wieder vereint. Beide werden auf dem Kometen "67P/Tschurjumow-Gerasimenko" bleiben und mit ihm weiter um die Sonne kreisen. Signale zur Erde wird "Rosetta" dann keine mehr schicken: "Wir wollen kein aktives Raumfahrzeug auf dem Kometen lassen, das die Funkfrequenzen stört", erklärt Missionsleiter Paolo Ferri. "Rosetta wird sich also ausschalten, und das ist das Ende der Mission."