Ist „Planet 9“ ein schwarzes Loch im Sonnensystem? Forscher haben gewagte Theorie
Der mysteriöse „Planet 9“ könnte ein schwarzes Loch in unserem Sonnensystem sein. Diese gewagte Theorie stellen Forscher auf.
- Ein Himmelskörper scheint die Umlaufbahn mancher transneptunischer Objekte zu beeinflussen.
- Forscher vermuten, dass es ein bisher unbekannter Planet ist, „Planet 9“.
- Bisher hat niemand „Planet 9“ zu Gesicht bekommen.
- Die Suche nach „Planet 9“ gleicht der Suche einer Nadel im Heuhaufen.
- Forscher haben eine spektakuläre Idee veröffentlicht, die erklären würde, warum man „Planet 9“ nicht sieht.
- Handelt es sich bei „Planet 9“ um ein kleines schwarzes Loch in unserem Sonnensystem?
Unser Sonnensystem besteht aus der Sonne, acht Planeten, zahlreichen Monden und vielen anderen Himmelskörpern wie Zwergplaneten, Asteroiden oder Kometen. Doch was beeinflusst die Umlaufbahn mancher Objekte jenseits des Planeten Neptun (so genannte transneptunische Objekte)? Sie scheinen von einem Himmelskörper beeinflusst zu werden, der die fünf- bis fünfzehnfache Masse der Erde hat, zwanzig Mal weiter von der Sonne entfernt ist als Neptun und 10.000 bis 20.000 Jahre für einen Umlauf um die Sonne braucht.
Diese Theorie haben die Forscher Konstantin Batygin und Michael E. Brown vom California Institute of Technology in Pasadena vor einigen Jahren aufgestellt*. Seitdem suchen Astronomen nach dem mysteriösen Himmelskörper, genannt „Planet 9“ oder „Planet X“. Bisher gingen zumindest alle davon aus, dass es sich um einen Planeten handelt, den bisher einfach noch niemand gefunden hat - unter anderem, weil in die Region, in der sich der Planet mutmaßlich aufhält, einfach nur wenig Sonnenlicht dringt.
Ist „Planet 9“ in Wirklichkeit ein primordiales schwarzes Loch?
Doch nun gibt es eine neue Theorie, worum es sich bei dem Himmelskörper handeln könnte: Um ein schwarzes Loch. Genauer: Um ein ziemlich kleines schwarzes Loch, ein so genanntes „primordiales“ schwarzes Loch. Diese Theorie stellen die Forscher Jakub Scholtz (Durham University) und James Unwin (University of California in Berkeley) auf. Ihr Fachartikel dazu wurde auf arxiv.org veröffentlicht, hat jedoch noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen, das heißt, Fachkollegen haben die - sehr spekulative - Theorie noch nicht überprüft.
Das schwarze Loch, das die beiden Forscher im Sonnensystem vermuten, hätte ein Gewicht von fünf bis 15 Erdmassen - und wäre damit deutlich leichter als bisher bekannte schwarze Löcher. Zum Vergleich: Das schwarze Loch „Sagittarius A*“ (Sgr A*) im Zentrum der Milchstraße hat 4,1 Millionen Sonnenmassen. Das schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87, von dem im Frühjahr ein erstes Bild veröffentlicht* wurde, hat sogar die Masse von 6,5 Milliarden Sonnen.
Stephen Hawking dachte als Erster über primordiale schwarze Löcher nach
Ob es die leichten schwarzen Löcher wirklich gibt, ist sehr umstritten. Stephen Hawking stellte in den 1970er Jahren als Erster die Vermutung auf, dass es primordiale schwarze Löcher geben könnte. Hawking ging davon aus, dass diese nicht durch eine Supernova (Sternentod) entstanden, sondern sich bereits beim Urknall gebildet haben.
Wenn es tatsächlich primordiale schwarze Löcher gibt, könnte man sie durch so genannte Mikrogravitationslinsen erkennen: Wenn ein solches schwarzes Loch vor einem Stern vorbeizieht, lenkt es dessen Licht durch die eigene Schwerkraft für kurze Zeit um - was man mit heutigen Teleskopen beobachten kann. Scholtz und Unwin betonen in ihrem Fachartikel, dass zwei solcher Ereignisse in der Vergangenheit beobachtet wurden. Das könnte auf primordiale schwarze Löcher hindeuten - allerdings auch auf ein anderes Phänomen: Planeten, die ohne Bindung an einen Stern wie die Sonne durch das All reisen, so genannte „free floating planets“, also frei schwebende Planeten.
Die Chance, dass „Planet 9“ tatsächlich ein schwarzes Loch ist, ist sehr gering
Das wissen die Autoren selbst. Sie betonen in ihrem Fachartikel, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen solchen Planeten oder um ein primordiales schwarzes Loch handelt, ähnlich gering sei. Trotzdem schlagen die beiden Wissenschaftler vor, dass man nicht nur im optischen, Infrarot- und Mikrowellenbereich nach „Planet 9“ suchen sollte, sondern auch nach Röntgenstrahlung, Gammastrahlung und anderer hochenergetischer Strahlung Ausschau halten sollte.
Denn mit optischen Teleskopen dürfte man ein schwarzes Loch nicht finden. Nicht nur, weil einem schwarzen Loch kein Licht entkommt, sondern auch, weil das schwarze Loch tatsächlich sehr klein sein dürfte. Die beiden Forscher haben in ihrem Fachartikel sogar eine Illustration des schwarzen Lochs in Originalgröße beigefügt: Ein primordiales schwarzes Loch mit der fünffachen Erdmasse hat demnach einen Radius von etwa fünf Zentimetern. Andere Forscher hoffen nun binnen eines Jahres herauszufinden, ob „Planet 9" ein schwarzes Loch im Sonnensystem ist.

„Planet 9“ könnte ein schwarzes Loch sein - nur die Masse zählt
Und was sagt Michael Brown dazu, einer der beiden Forscher, die sich zuerst Gedanken über „Planet 9“ gemacht hatten? „Ja, Planet 9 könnte definitiv ein schwarzes Loch sein, so lange es die richtige Masse (6x die Masse der Erde) hat“, schreibt Brown auf Twitter. Es könne tatsächlich auch ein Hamburger mit der sechsfachen Erdmasse sein, twittert Brown weiter und erklärt: „Bei der Physik geht es nur um die Masse, nicht um die Zusammensetzung.“ Letztendlich kommt er jedoch zum Schluss, dass „Planet 9 wahrscheinlich weder ein schwarzes Loch noch ein Hamburger“ ist.
„Planet 9“ ist vor allem deshalb so mysteriös, weil ihn bisher niemand gesehen hat, die Daten aber zeigen, dass etwas da sein muss. Nun machen Forscher Hoffnung: Hat das Weltraumteleskop „TESS“ „Planet 9“ bereits entdeckt?
Von Tanja Banner
*fr.de ist Teil der bundesweiten Ippen-Digital-Zentralredaktion.
Schwarze Löcher - ein großes Thema in der Astronomie
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