Der Permafrost taut: Bedrohliche Bilder

Satellitenaufnahmen zeigen eindrucksvoll, wie weit der von Menschen gemachte Klimawandel bereits fortgeschritten ist. Ein Beispiel ist der Permafrost – dauerhaft gefrorener Boden –, der zu tauen beginnt. Mit verheerenden Folgen. Ein Buchauszug. Von Markus Eisl und Gerald Mansberger.
In den letzten Jahrzehnten wurden in Sibirien immer wieder durch Erdrutsche Mammuts freigelegt, die über Jahrtausende tiefgefroren im Erdreich begraben lagen. Straßen und Dörfer in Sibirien versinken im Schlamm und häufiger werdende Bergstürze unterbrechen Verkehrswege in den Alpen – die Zeichen der Erderwärmung sind auch in jenen Bereichen in den polaren Regionen und im Hochgebirge zu finden, in denen der Boden selbst über Jahrhunderte hinweg ganzjährig gefroren war.
Die sogenannten Permafrostböden reichen von der Oberfläche bis in Tiefen zwischen mehreren Metern und einigen Hundert Metern, in Teilen Sibiriens sogar bis in eine Tiefe von eineinhalb Kilometern. Sie erstrecken sich überall dort, wo die im Jahresverlauf einfallende Sonnenenergie nicht ausreicht, die Bodentemperatur über dem Gefrierpunkt zu halten. Dies gilt vor allem für weite Bereiche Sibiriens und Alaskas sowie für den Norden Kanadas. Unter den Permafrostgebieten in Gebirgsregionen fern der Polargebiete ist vor allem das Hochland von Tibet zu erwähnen, doch auch in den höher gelegen Bereichen der Alpen sind die Bedingungen für die Bildung von Permafrostböden gegeben.

Permafrostböden sind aufgrund der niedrigen Temperaturen bis in unterschiedlich große Tiefen gefroren und tauen im Sommer nur in einer vergleichsweise dünnen Oberflächenschicht auf, die zwischen mehrere Zentimeter bis zu drei Meter dick ist. Diese jahreszeitliche Dynamik auf permanent gefrorenem Untergrund wirkt sich stark auf die Oberflächenstrukturen und auf die Ausprägung der Vegetation auf diesem Boden aus.
Zu den Formen, die unter diesen extremen Bedingungen entstehen, gehören etwa Eiskeile, deren aneinandergereihte Rücken wie eine großflächige Pflasterung der Landschaft wirken, und Steinringe. Besonders charakteristisch sind jedoch die Seen. Als Zeichen des Thermokarsts bedecken sie zu Hunderten die weiten Ebenen um den Arktischen Ozean. Als Thermokarst wird dieses Phänomen deshalb bezeichnet, weil durch das Auftauen kleine Seen entstehen, deren dunkle Oberflächen die Sonnenenergie besser aufnehmen als die Umgebung und die zusätzlich als Wärmespeicher fungieren. Auf diese Weise vergrößern die Seen im Lauf der Zeit ihre Fläche und ihre Tiefe. Eine Besonderheit stellen die orientierten Seen dar. Besteht vor allem während der Sommermonate eine bevorzugte Windrichtung, so wird die wärmere Wasserschicht an der Oberfläche durch den Wind an das windabgewandte Ufer verschoben, wo dann der Boden bevorzugt taut und stärker als an den anderen Ufern erodiert.

Als Folge der extremen klimatischen Bedingungen und Bodenverhältnisse weist auch die Vegetation in Permafrostregionen einige Besonderheiten auf. Wegen der generell tiefen Temperaturen und der kurzen Vegetationszeit ist sie vergleichsweise karg. Weil zudem ein Wachstum der Wurzeln in den permanent gefrorenen Tiefen nicht möglich ist, beschränkt sich die Vegetation auf flachwurzelndes, niedrig wachsendes Busch-, Heide- und Grasland.

Das Buch
Klima im Wandel – Satellitenatlas der Ursachen und Auswirkungen von Markus Eisl und Gerald Mansberger, Verlag eoVision, Salzburg, 256 Seiten, 29 x 29 cm, Hardcover, 49,95 Euro. Entstanden in Kooperation mit Airbus Defence & Space. Erhältlich im Buchhandel und direkt beim Verlag. www.eovision.at
Ähnlich wie bei den Gletschern verursachen die steigenden Lufttemperaturen eine Verschiebung der Grenzen, weil dadurch insgesamt mehr Wärmeenergie im Boden gespeichert wird, als im Winter wieder abgegeben werden kann. Daher steigt auch die Temperatur des Bodens und der Permafrostboden taut mehr und mehr auf. Bei nur flachen gefrorenen Zonen bedeutet dies, dass der Permafrost gänzlich verschwindet, bei tiefer reichenden Permafrostböden wird zunächst lediglich die im Sommer aufgetaute Schicht dicker. In beiden Fällen führt dies zur Bildung von ausgedehnten Sumpflandschaften.
Das Auftauen von Permafrostböden hat auf mehreren Ebenen langfristige Folgen. Der Verlust des zuvor gefrorenen Wassers selbst, welches über die Bäche und Flüsse vermehrt in die Ozeane fließt, ist im globalen Maßstab nur in vergleichsweise geringem Ausmaß wirksam. Ein Schmelzen des gesamten Eises im Permafrostbereich würde den Meeresspiegel nur um einige Zentimeter ansteigen lassen.
Kohlendioxid gelangt in die Atmosphäre
Gravierendere Folgen sind durch die Freisetzung des in den Permafrostböden gespeicherten Kohlenstoffs zu erwarten, die nach Abbau der Pflanzenreste im Boden durch Mikroorganismen in Form von Methan und CO2 in die Atmosphäre übergehen und hier den Treibhauseffekt weiter verstärken. Die gesamte in Permafrostböden gelagerte Menge an Kohlenstoff entspricht etwa dem Doppelten der gegenwärtigen Menge in der Atmosphäre.
Das Eis des Permafrosts spielt auch eine wichtige Rolle für die Stabilität von Landschaften. In Gebirgsregionen führt die Erwärmung dazu, dass der Verlust des Eises als Bindemittel zwischen Felsen deren Zusammenhalt reduziert und es zu Bergstürzen und Vermurungen kommt. In den ausgedehnten Tundralandschaften um die Arktis wiederum nimmt die Stabilität des Bodens selbst ab. Als Folge versinken Infrastruktureinrichtungen und Siedlungen im Schlamm, weil etwa die an die Verhältnisse des Permafrosts angepasste Bauweise auf Stelzen für die nun tiefer reichende Tauzone nicht mehr ausreicht.
Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt
In den Regionen um die Arktis wird seit einigen Jahrzehnten eine vermehrte Erosion von ehemaligen Permafrostböden vor allem an Flussufern und Meeresküsten beobachtet. Eine der Folgen dieser Erosion ist, dass Bäume an den Ufern ihren Halt verlieren und umkippen, ein Phänomen, das unter der Bezeichnung betrunkene Bäume bekannt ist. Ein Beispiel einer ausgedehnten Erosionsfläche ist der Batagaika-Krater, welcher sich seit den 1960er Jahren zu einer Breite von einem Kilometer entwickelt hat. Hier wirkt der Klimawandel gemeinsam mit den Folgen von Straßenbauarbeiten, für die die Vegetationsdecke entfernt wurde. Dadurch konnte der Boden die eingestrahlte Sonnenenergie besser aufnehmen und taute somit stärker auf. Seit 2014 wurden überdies 17 neu gebildete Krater in der Landschaft Sibiriens entdeckt, deren Entstehung mit Kryovulkanismus (Eisvulkanen) in Zusammenhang gebracht wird. Dabei sammelt sich Methan oder CO2 in Blasen im Boden an, aus denen das Gas explosiv entweicht. Ähnliche Phänomene werden auch auf einigen Eismonden des Sonnensystems, wie dem Saturnmond Enceladus und dem Neptun-Mond Triton vermutet.
Auf die Änderungen der äußeren Bedingungen reagieren auch die Tier- und Pflanzenwelt. Sowohl an Land als auch in den Seen werden Veränderungen registriert, die auf die für viele Arten günstiger werdenden Lebensbedingungen reagieren. (Markus Eisl und Gerald Mansberger)