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Klimawandel: Neue Gersten können Hitze und Dürre trotzen

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Von: Pamela Dörhöfer

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Eines der Testfelder für die neuen Gerstenarten in Halle.
Eines der Testfelder für die neuen Gerstenarten in Halle. © Nadja Sonntag

Die Klimakrise erfordert neue Strategien gegen den Hunger: Forscher der Universität Halle-Wittenberg züchten Sorten, die mit Hitze zurechtkommen.

Zu den großen Problemen, die der Klimawandel bereits heute mit sich bringt, gehört der Hunger in den armen Ländern des Südens. Mit der weiteren Erderwärmung und den damit einhergehenden Wetterextremen wird er immer dramatischere Ausmaße annehmen. Wo es schon immer heiß und trocken war, wie in vielen Regionen Afrikas, drohen dauerhafte Dürreperioden und als Folge katastrophale Ernteausfälle – angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums in diesen Regionen wird sich das umso verheerender auswirken, Experten gehen davon aus, dass deshalb die Nahrungsproduktion in den nächsten Jahrzehnten um mehr als die Hälfte gesteigert werden muss. Doch viele Getreidepflanzen können großer Hitze und Dürre nicht trotzen.

Einem Forschungsteam der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist es nun gelungen, Gersten zu züchten, die nicht zur besonders widerstandsfähig gegen extreme Temperaturen und Trockenheit sein sollen, sondern sogar bei schlechten Umweltbedingungen immer noch gute Ernteerträge bringen sollen. Über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“.

Neue Versuche mit Wildgerste

Gerste gehört neben Weizen und Reis zu den wichtigsten Getreidepflanzen, seit jeher ist sie für Menschen und auch für das von ihnen gehaltenes Nutzvieh ein Grundnahrungsmittel. Gerste bevorzugt gut durchfeuchtete Böden, kann sich aber auch mit schlechteren Verhältnissen begnügen – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad.

Für ihre „neue“ Gerstenart kreuzten die Wissenschaftler eine gängige industriell genutzt Sorte mit wilden Gersten. Klaus Pillen, Professor für Pflanzenzüchtung an der Martin-Luther-Universität und Leiter der Arbeitsgruppe, erklärt, was für eine solche Kombination spricht: „Wildgersten haben sich praktisch über Millionen Jahre an widrige Umweltbedingungen angepasst. Sie verfügen deshalb noch heute über eine reichhaltige Biodiversität.“ Im Idealfall, so die Hoffnung der Forscher, ließen sich auf diese Weise die vorteilhaften Eigenschaften beider Gerstenarten in einer Pflanze vereinen.

Die Wissenschaftler kreuzten für ihre Studie 25 wilde Gersten mit einer handelsüblichen Gerste. Dadurch entstanden 48 genetisch unterschiedliche Linien. Diese wiederum pflanzten die Forscher an fünf Standorten auf der Erde an, wo die Gersten mit jeweils anderen Bedingungen zurechtkommen mussten. Die Felder befanden sich in Halle (Deutschland), Dundee (Großbritannien), Al Karak (Jordanien), Adelaide (Australien) und Dubai.

Adelaide und Dubai zum Beispiel haben den Nutzpflanzen nur stark versalzene, sehr trockene Böden zu bieten. In Dubai herrschen zusätzlich – ebenso wie im jordanischen Al Karak – große Hitze und Dürre. In Deutschland wiederum düngen die Bauern ihre Böden häufig mit Stickstoff, um die Ernteerträge zu steigern.

Bis zu 20 Prozent höhere Erträge

Die Forscher beobachteten nun, wie sich der unterschiedliche umweltbedingte Stress auf die 48 gekreuzten Gersten auswirkte. Die Ergebnisse verglichen sie dann mit denen einer heimischen Gerstensorte, die sie als Kontrollgruppe ebenfalls angebaut hatten. „Wir haben dann jeweils die Pflanzen aus unserer Zucht ausgewählt, die vor Ort besonders gut wuchsen und ihr Erbgut genauer untersucht“, erläutert Klaus Pillen. Mit diesem Vorgehen wollten die Forscher Rückschlüsse auf das Zusammenspiel zwischen der genetischen Ausstattung einer Sorte mit den Umweltbedingungen der verschiedenen Anbaugebiete und den Ernteerträgen ziehen.

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Bei der Auswertung stellten die Wissenschaftler zudem fest, dass die Länge eines Tages in einer Region eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Pflanzen spielte, wie Klaus Pillen sagt. In Äquatornähe etwa ist die tägliche Sonnenscheindauer wesentlich kürzer als in unseren Breiten; viele kennen das aus dem Urlaub, wenn es abends plötzlich relativ früh stockdunkel wird. Deshalb sei es in solchen Ländern von Vorteil, wenn .sich Pflanzen schnell entwickelten, erklärt der Wissenschaftler. In Nordeuropa hingegen sei es besser, wenn Pflanzen erst eine späte Blüte hätten.

Die Spitzenreiter unter den neu gezüchteten Gersten sollen bis zu 20 Prozent höhere Erträge als die heimischen Gersten geliefert haben. Aus dem Wissen, welche genetischen Gersten-Varianten in welcher Region am besten gedeihen, ließen sich dann nach dem „Baukastenprinzip“ Pflanzen kreuzen und züchten, erklärt Klaus Pillen. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass sich dieses Prinzip auch auf andere Getreidearten wie Weizen und Reis übertragen lässt.

Geschichte und Anbau

Die Gerste zählt zu den Süßgräsern und ist eine der am meisten verwendeten und ältesten Getreidearten der Welt. Bereits in der letzten Phase der Steinzeit, vor etwa 15 000 Jahren, haben Menschen die Gerste kultiviert. Wie heute auch, so hatte sie schon in Mesopotamien, im alten Ägypten und bei den Römern einen hohen Stellenwert als Grundnahrungsmittel.

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Als anpassungsfähige Pflanze kann Gerste im Flachland ebenso wie in kargen Gebirgsregionen bis zu etwa 4000 Metern Höhe angebaut werden. Unterschieden wird zwischen Sommer- und Wintergerste. Letztere wird von September bis Ende Oktober ausgesät. Sie ist robuster, kann auch zweistellige Minustemperaturen verkraften, enthält mehr Eiweiß und bringt höherer Erträge. Wintergerste wird fast ausschließlich als Viehfutter verwendet. Die Sommergerste ist anspruchsvoller und zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Mineral- und Ballaststoffen aus. Ein Bestandteil ist das Eiweiß Gluten, das einige Menschen nicht gut vertragen.

Sommergerste wird zu Backwaren, Graupen oder Flocken weiter verarbeitet – und zu Bier. 

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