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Innovative Rechenkünstlerin

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Von: Franziska Schubert

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Nicola Fuchs-Schündeln ist Wirtschaftswissenschaftlerin am House of Finance in Frankfurt.
Nicola Fuchs-Schündeln ist Wirtschaftswissenschaftlerin am House of Finance in Frankfurt. © Monika Müller

Eine Inspiration für viele: Für ihre Studien ist die Frankfurter Volkswirtin Nicola Fuchs-Schündeln mit dem renommierten Leibniz-Preis ausgezeichnet worden.

Willkommen in der Welt der Zahlen: Wer Nicola Fuchs-Schündelns Büro betritt, den begrüßt eine Tafel, die über und über mit Diagrammen bedeckt ist. Doch hinter den Zahlenbergen verbirgt sich ein höchst innovativer Forschungsansatz, für den die Frankfurter Makroökonomin mit dem renommierten Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet wurde.

Mit ihren für Ökonomen mitunter unerwarteten Themen und Forschungsgegenständen sei Fuchs-Schündeln „eine Inspiration für viele“, würdigte auch die Frankfurter Unipräsidentin Birgitta Wolff ihre Arbeit. Fuchs-Schündeln selbst war überrascht, als sie erfuhr, dass für ihre Forschungen in den kommenden sieben Jahren nun eine Fördersumme von 2,5 Millionen Euro bereitgestellt wird. Bisher hat die Ökonomin ihr Know-how vor allem darauf konzentriert, aus mikroökonomischen Datensätzen Rückschlüsse auf das Verhalten von Haushalten oder von Privatpersonen zu ziehen und die Konsequenzen für die Gesamtwirtschaft zu analysieren.

Für preiswürdig befunden wurden ihre international beachteten Arbeiten zur Endogenität von Präferenzen. In einer Arbeit dazu analysiert sie Werte von Bürgern, die in Westdeutschland beziehungsweise in der DDR sozialisiert wurden. Entgegengesetzt zur traditionellen Annahme, dass ökonomische Vorlieben angeboren sind, konnte sie anhand des Sozio-oekonomischen Panels belegen, dass die Werthaltungen durchaus vom jeweiligen Wirtschaftssystem beeinflusst werden. Ihr Clou: Sie nutzte den Umstand, dass durch die Wiedervereinigung Menschen aus komplett verschiedenen Volkswirtschaften – dem Kapitalismus und dem Sozialismus – auf einen Schlag im gleichen Wirtschaftssystem agierten.

„Auch Jahre nach dem Ende der DDR waren die Ostdeutschen stärker als Westdeutsche dafür, dass sich der Staat um Familien, Kranke und Alte kümmern sollte“, berichtet Fuchs-Schündeln. „Zudem waren sie eher der Ansicht, dass der Staat die negativen Folgen der Arbeitslosigkeit abfedern sollte, die es zu Zeiten des Sozialismus gar nicht gegeben hat.“ Darüber hinaus sei im Lauf der Zeit ein Anpassungseffekt bei den Präferenzen an das aktuelle System zu beobachten. „Die Unterschiede waren jedoch umso stärker, je länger die Menschen im Sozialismus oder Kapitalismus gelebt hatten.“

In einer im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten Studie betrachtete die Forscherin anhand des World Values Survey zudem, inwiefern die Unterstützung der Demokratie vom jeweiligen politischen System abhängig ist, in dem die Menschen gelebt haben. Es zeigte sich, dass etwa US-Amerikaner mit einer langen demokratischen Tradition und funktionierenden Institutionen höhere Anerkennung dafür haben als Menschen, die autokratische Machtstrukturen gewohnt sind oder waren. „Schaut man sich politische Umbrüche wie im Arabischen Frühling an, so lautet meine Schlussfolgerung, dass eine revolutionäre Umwälzung hin zu mehr Demokratie schwierig ist, da sich die Unterstützung für ein neues System nur langsam etabliert.“

Auch mit der globalen Ungleichheit hat sich Fuchs-Schündeln befasst. „Während in wohlhabenden OECD-Staaten sehr gut erfasst ist, wie viele Stunden die Menschen dort arbeiten, ist das in ärmeren Ländern nicht der Fall.“ Zumal in Agrarländern etwa die Arbeitszeiten stark schwanken, je nachdem ob gerade Erntezeit oder Nebensaison ist. „Neben den bekannten Wohlstandsunterschieden, insbesondere den Konsum betreffend, sind die Menschen im ärmsten Drittel der Welt auch ärmer an Freizeit als im reichsten Drittel der Welt“, sagt die Ökonomin. Egal ob jung oder alt, Mann oder Frau: In den ärmsten Ländern arbeiten die Menschen im Schnitt zehn Stunden mehr pro Woche. Was die vielen Untersuchungen zur Ungleichheit in Deutschland anbelangt, rät die Forscherin anhand eigener Studien zur Vorsicht: „Da wird viel politisiert. Man kann nahezu jedes Ergebnis bekommen, je nachdem, welcher Indikator angelegt wird.“

Ihre wissenschaftliche Karriere verdankt sie dem Zufall, dass sie während des Studiums der „Regionalwissenschaften Lateinamerika“ in Köln auch Volkswirtschaftslehre belegen musste. „Das war so spannend, dass ich das Fach dann noch als zusätzliches Zweitstudium gewählt habe.“ Den Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten machte sie sich bei ihrer Promotion in den USA zunutze – „auch wenn das erst mal ein Sprung ins kalte Wasser war“. Denn es folgten zwei arbeitsintensive und zugleich enorm lehrreiche Jahre in einem Programm für angehende Doktoren in Yale, einer der renommiertesten Unis weltweit. Wie Hunderte andere Absolventen aus aller Welt bewarb sie sich dann auf dem Jobmarket in Harvard und erlangte eine Stelle in der Wissenschaft. „Nach erfolgreichen Erstinterviews wird man dann zu einem Vortrag und einem ganztägigen Besuch eingeladen, um die Professoren kennenzulernen.“

Dass es auch an der Frankfurter Universität ein strukturiertes Doktorandenprogramm gibt, um den „Nachwuchs an die Forschungsfront ranzubringen“, freut Fuchs-Schündeln. Fünf Jahre werden Wirtschaftswissenschaftler an der Graduate School of Economics, Finance, and Management ausgebildet.

Eine Professur für Makroökonomie und Entwicklung in Frankfurt hat Fuchs-Schündeln seit acht Jahren. Darüber hinaus schätzt sie sehr den Austausch mit Kollegen anderer Disziplinen vom Exzellenzcluster „Normative Ordnungen“. Dass sie im Rahmen eines Forschungssemesters ein Jahr an der Stanford University in Kalifornien arbeiten konnte, war für sie ein Highlight: Sie lernte neue Kollegen kennen und hielt Vorträge an US-Unis.

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