Hohe Grundimmunität gegen Corona in Deutschland

Eine groß angelegte Studie der Universität Bonn weist bei 95,7 Prozent der Teilnehmenden Antikörper nach.
Nur ein geringer Prozentsatz der Menschen in Deutschland hat überhaupt noch keinen Kontakt mit Sars-CoV-2 beziehungsweise Teilen des Virus gehabt. Zu diesem Schluss kommt die populationsbasierte „GUIDE“-Studie einer Forschungsgruppe der Universität Bonn um die Virologen Hendrik Streeck und Kai-Schulze-Wundling. Die Ergebnisse wurden im Deutschen Ärzteblatt publiziert.
Demnach wiesen 95,7 Prozent der 15 932 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Antikörper gegen das S-Antigen und 44,4 Prozent Antikörper gegen das N-Antigen auf. Bei Menschen über 65 hatten sogar 94,7 Prozent Antikörper gegen das S-Antigen im Blut, bei den über 80-Jährigen waren es 98,8 Prozent – was sich mit der sehr hohen Impfquote in diesen Altersgruppen erklären lässt.
Beim S-Antigen handelt es sich um das Spike-Protein auf der Oberfläche des Coronavirus, auf das mit Ausnahme des erst im Juni 2022 zugelassenen und nur selten eingesetzten Ganzvirus-Impfstoffs von Valneva alle in der EU verwendeten Impfstoffe zielen. Das Vorhandensein von Antikörpern gegen das Spike-Protein lässt somit keinen Schluss darüber zu, ob jemand eine Corona-Infektion durchgemacht hat.
Anders sieht es bei Antikörpern gegen das N-Antigen aus. Das N-Antigen steht für das Nukleokapsid-Protein. Es ist in den mRNA- und Vektorimpfstoffen und auch in den proteinbasierten Impfstoffen (Novavax) nicht enthalten. Das Vorhandensein der entsprechenden Antikörper weist somit auf eine überstandene natürliche Infektion hin.
Auffällig sind die starken regionalen Unterschiede bei der Verteilung der Antikörper gegen Spike und Nukleokapsid. Hohe Werte von Antikörpern gegen das S-Antigen zeigten sich besonders in den westdeutschen Bundesländern, hohe gegen das N-Antigen hingegen in den ostdeutschen. Daraus lässt sich folgern, dass in den ostdeutschen Bundesländern mehr Menschen eine Infektion durchgemacht haben. Dass dort weniger Menschen als in den westdeutschen Ländern Antikörper gegen das Spike-Protein aufwiesen, passt zu den geringeren Impfraten im Osten. Der Anteil jener, die weder Antikörper gegen das S- noch das N-Antigen im Blut hatten und auch weder eine Impfung noch eine Infektion angaben, betrug deutschlandweit nur 1,2 Prozent.
Die Studie
Die Ergebnisse der Studie sind im Ärzteblatt nachzulesen.
Grundsätzlich ist es auch möglich, dass man Kontakt mit dem Coronavirus hatte, aber keine Antikörper aufweist, da diese nur einen begrenzten Zeitraum im Blut verbleiben. Nach T- und B-Gedächtniszellen, die ebenfalls Teil der Immunität und länger, aber komplizierter nachzuweisen sind, wurde in der Studie nicht gesucht.
Die Bonner Studie umfasste 15 932 Frauen und Männer, die 18 Jahre oder älter sind, und basiert auf der Auswertung von bis zum September 2022 eingegangenen Trockenblutkarten. Für sie ist nur ein Tropfen Blut notwendig. Zudem wurde telefonisch und online befragt.
Die Studienautorinnen und -autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass ein großer Anteil der Bevölkerung in Deutschland über eine humorale (die Antikörper betreffende) Immunität gegen Sars-CoV-2 verfügt.
Dadurch, so folgern die Forschenden, werde – abhängig von der jeweiligen Variante – „die Wahrscheinlichkeit von Überlastungsszenarien des Gesundheitssystems durch Hospitalisierungen und die Notwendigkeit intensivmedizinischer Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Covid-19 in den nächsten Erkrankungswellen in der Bevölkerung erheblich reduziert“.