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Erdrotation
Erde rotiert schneller – Wird irgendwann die negative Schaltsekunde nötig?
- vonTanja Bannerschließen
Die Erde rotiert schneller, 2020 wurde der kürzeste Tage gemessen. Doch eigentlich bremst der Mond die Erde ab, sie sollte sich etwas langsamer drehen.
- Verschiedene Einflüsse wirken sich auf die Erdrotation aus. Eigentlich wird die Erde langsamer – weil der Mond sie abbremst.
- Doch 2020 wurde der kürzeste Tag seit Beginn der Messungen aufgezeichnet – kommt die negative Schaltsekunde?
- Aktuelles aus Astronomie und Weltraumforschung.
Die Bewegungen der Himmelskörper im Sonnensystem geben den Takt für das Leben auf der Erde vor. In 24 Stunden dreht sich die Erde ein Mal um sich selbst – ein Tag dauert also 24 Stunden. 365 Tage dauert es, bis die Erde ein Mal die Sonne umrundet hat – das ist die Dauer eines Tages. Doch ganz so akkurat, wie es scheint, ist das System aus Himmelskörper-Bewegungen und unserer Zeit nicht: Die Erde benötigt genau 365 Tage, fünf Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden, um die Sonne zu umrunden. Um diese Ungenauigkeit aufzufangen und zu verhindern, dass sich der Kalender zu sehr verschiebt, wird etwa alle vier Jahre ein Schalttag in den Kalender eingefügt.
Erdrotation beschleunigt: 28 Tage im Jahr 2020 waren zu kurz
Ähnliches gibt es auch für die Länge eines Tages: Eine Erdumdrehung dauert nicht immer genau 24 Stunden (86.400 Sekunden). Die Wechselwirkung zwischen Mond und Erde, aber auch Erdbeben, Wetterlagen oder Bewegungen im Erdkern können die Länge eines Tages minimal verlängern oder verkürzen. Bis 2016 wurde die Erdrotation durch solche Einflüsse etwas langsamer, was durch eine gelegentliche Schaltsekunde ausgeglichen wurde. Doch seitdem war keine Schaltsekunde mehr nötig: Die Erde rotiert etwas schneller.
Die Erde rotiert schneller: Astronom:innen messen Tageslänge
Das zeigen Messungen, für die Astronom:innen bestimmte Punkte am Himmel anpeilen und messen, wie lange eine Erdumdrehung dauert. Diese astronomische Tageslänge wird mit den sehr exakten Atomuhren verglichen. Dabei stellten die Expert:innen fest, dass die Erde sich im Jahr 2020 offenbar besonders schnell drehte. An 28 Tagen im Jahr 2020 war die gemessene Tageslänge kürzer als der bis dahin gemessene Rekordwert vom 5. Juli 2005. Damals war der Tag 1,0516 Millisekunden kürzer als die 86.400 Sekunden, aus denen ein Tag offiziell besteht.
Datum (per Zufall ausgewählt) | Abweichung zu 24 Stunden |
---|---|
01.01.2020 | +0,4379 Millisekunden |
15.02.2020 | +0,5998 Millisekunden |
08.04.2020 | +1,62 Millisekunden – längster Tag des Jahres |
15.05.2020 | +0,2619 Millisekunden |
21.06.2020 | -1,11 Millisekunden – Rekord aus 2005 gebrochen |
19.07.2020 | -1,46 Millisekunden – neuer Rekord: Kürzester Tag |
01.09.2020 | -0,9754 Millisekunden |
15.10.2020 | +0,5909 Millisekunden |
20.11.2020 | -0,2942 Millisekunden |
31.12.2020 | -0,6531 Millisekunden |
Quelle: timeanddate.com |
Schnellere Erdrotation: Neuer Rekord – Kürzester Tag war im Jahr 2020
Nun gibt es einen neuen Rekord: Der 19. Juli 2020 war 1,46 Millisekunden kürzer als die 86.400 Sekunden, aus denen ein Tag theoretisch besteht. Weitere 27 Tage im Jahr 2020 waren ebenfalls zu kurz, wie es vom Internationalen Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS) heißt. Der IERS, dessen Zentralbüro sich in Frankfurt befindet, ist dafür zuständig, die Erdrotation zu messen und zu berechnen. Er gibt außerdem ein halbes Jahr im voraus bekannt, ob eine Schaltsekunde eingefügt werden muss, um die Schwankungen der Erdrotation auszugleichen.
Für den nächstmöglichen Termin, den 30. Juni 2021, hat der IERS bereits bekanntgegeben, dass keine Schaltsekunde eingefügt wird. Seit der Einführung dieses Systems im Jahr 1972 wurden bisher 27 positive Schaltsekunden eingefügt – bisher gab es jedoch noch nie eine negative Schaltsekunde.
Schwankungen in der Erdrotation könnten negative Schaltsekunden nötig machen
Das könnte sich ändern: Die Expert:innen vom IERS gehen davon aus, dass die Erde im Jahr 2021 noch etwas schneller werden dürfte. Schätzungen zufolge könnte im aktuellen Jahr ein durchschnittlicher Tag 0,05 Millisekunden kürzer sein als die 86.400 Sekunden. Im Laufe eines Jahres summiert sich das auf rund 19 Millisekunden – und könnte irgendwann eine negative Schaltsekunde nötig machen.
Schwankung der Erdrotation: Vor 70 Millionen Jahren war der Tag 30 Minuten kürzer
Die Schwankungen der Erdrotation sind minimal und für den Menschen ohne Messungen gar nicht feststellbar. Doch der Blick in die Vergangenheit zeigt, welche Auswirkungen über sehr lange Zeiträume entstehen können: Vor 70 Millionen Jahren – also etwa zur Zeit der Dinosaurier – drehte sich die Erde deutlich schneller als heute. Ein Tag umfasste damals 23 Stunden und 31 Minuten und ein Jahr bestand aus 372 Tagen.
Hauptgrund dafür, dass sich die Erde seit damals langsamer dreht, ist die Wechselwirkung zwischen Erde und Mond: Der Mond bremst die Rotation der Erde ab. Dadurch wird er selbst beschleunigt und bewegt sich jedes Jahr etwas weiter von der Erde weg. Wieso die Erdrotation sich 2020 plötzlich etwas beschleunigt hat, ist bisher nicht ganz klar. Es gibt Vermutungen, dass das Phänomen unter anderem mit dem Klimawandel zusammenhängen könnte. (Tanja Banner)