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Energiepuffer im Wartestand

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Von: Benjamin v. Brackel

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Diese Demonstratoranlage verbindet Methanisierung (links) und Elektrolyse (rechts) mit einem Wirkungsgrad von 76 Prozent.
Diese Demonstratoranlage verbindet Methanisierung (links) und Elektrolyse (rechts) mit einem Wirkungsgrad von 76 Prozent. © sunfire gmbh

Das Power-to-Gas-Verfahren krankte am schwachen Wirkungsgrad. Mit einem Trick lässt er sich steigern.

Im Südosten von Dresden stehen zwei Seefrachtcontainer, die es in sich haben. In ihnen befindet sich eine Technologie, die das fehlende Puzzlestück der Energiewende sein könnte. Die Rede ist von Power-to-Gas, einem Verfahren, mit dem sich erneuerbar erzeugter Strom in synthetisches Gas umwandeln lässt. Mit dem wiederum ließen sich Flugzeuge und Lkws betanken, Heizungen befeuern oder Chemieanlagen beliefern. Mit anderen Worten: Power-to-Gas könnte die Stromwende um die Wärme- und Verkehrswende ergänzen. Und nebenbei als Zwischenspeicher von Energie die unsteten Wind- und Solaranlagen ausgleichen.

Deutschlandweit gibt es schon mehr als zwei Dutzend Anlagen. Alle kranken bisher an einem geringen Wirkungsgrad. Das Problem: Um aus Ökostrom Gas zu machen, braucht es mehrere Prozessschritte – und jeder kostet Energie. Im ersten Schritt wird mit Strom Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der Wasserstoff lässt sich direkt nutzen – etwa in Brennstoffzellen-Fahrzeugen. Da sich Wasserstoff aber nur begrenzt ins Erdgasnetz einspeisen lässt, wandeln ihn viele Anlagen unter Zugabe von Kohlendioxid in Methan um, den Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas. Das Methan lässt sich nahezu unbegrenzt ins Erdgasnetz pumpen und bei Bedarf rückverstromen. Knapp die Hälfte der Ausgangsenergie geht mit diesem Verfahren in vielen Anlagen verloren.

Die Anlage auf dem Gelände der Firma Sunfire in Dresden hat den Wirkungsgrad des Verfahrens nun deutlich verbessert – auf 76 Prozent. „Mit so hohen Wirkungsgraden macht die Power-to-Gas-Technologie einen großen Schritt hin zur Wirtschaftlichkeit“, erklärt Dimosthenis Trimis vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Koordinator des 3,8 Millionen Euro teuren EU-Projekts „Helmeth“.

Trimis hat das mit einem Trick geschafft: Sein Team hat Elektrolyse und Methanisierung effizienter gekoppelt. Die Prozesswärme der Methanisierung deckt dabei den Wärmebedarf der Elektrolyse. Das geht bei der Hochtemperaturelektrolyse, die Temperaturen von 800 Grad Celsius erreicht. „Wir haben die Synergien zwischen Elektrolyse und Methanisierung erstmals konsequent ausgenutzt“, sagt Trimis. Die Forscher wollen in Zukunft sogar eine Energieausbeute von 80 Prozent schaffen.

Steht Power-to-Gas also kurz vor dem Durchbruch? Experten dämpfen die Erwartung. „Das Konzept lag schon lange in der Schublade“, sagt Michael Sterner, der als Vater der Power-to-Gas-Idee gilt. Es sei zwar ein Erfolg, dass nun gezeigt wurde, dass es funktioniert. Allerdings seien die hohen Wirkungsgrade nur dank der Hochtemperaturelektrolyse möglich. Die ist aber im Vergleich zur Niedrigtemperaturelektrolyse erheblich teurer. „Ein Investor setzt auf die Technologie, die am günstigsten im Megawatt-Maßstab vorhanden ist“, sagt der Professor für Energiespeicher und Energiesysteme an der OTH Regensburg. „Wenn die Kosten dreimal niedriger liegen, nimmt der Investor auch geringere Wirkungsgrade in Kauf.“

Das Hauptproblem sieht Michael Sterner aber in der Politik. „Wir zahlen lieber eine Milliarde Euro für Redispatch und Einspeisemanagement, anstatt die Speicher voranzubringen“, sagt der Experte. Gemeint sind etwa Kraftwerke, die verlustreich hoch- und runtergefahren werden, um Netzengpässe zu vermeiden. „Jetzt kommt es darauf an, nicht weitere Forschungsmilliarden zu versenken, sondern Power-to-Gas in den Markt einzuführen: Die Technik steht, aber der Markt fehlt“, erklärt Sterner.

Einen Anfang hatte die Bundesregierung vor anderthalb Jahren mit ihrer jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gemacht: Kommt es zu Engpässen in den Stromnetzen, dürfen die Übertragungsnetzbetreiber jetzt bis zu zwei Gigawatt elektrischer Leistung zuschalten – mit Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Power-to-Heat-Anlagen. Letztere verwandeln Strom in Wärme, ähnlich wie ein Föhn. Sterner fordert, die Regelung auch für andere „Power-to-X“-Verfahren zu öffnen, etwa Power-to-Gas oder die Umwandlung von Strom in flüssigen Kraftstoff (Power-to-Liquid). Auch der Deckel solle fallen. So ließe sich vermeiden, Windanlagen vom überlasteten Netz zu nehmen und die Stromverbraucher dafür zahlen zu lassen.

Letzteres dürfte in Zukunft häufiger passieren, haben sich Union und SPD doch darauf verständigt, den Ausbau der Ökoenergien schneller voranzutreiben. Allerdings ist es Sterner zufolge politischer Wille, den Druck zum Netzausbau aufrechtzuerhalten und deswegen die Zwischenspeicher fürs Erste kleinzuhalten.

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