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Elon Musk will „Symbiose mit Computer“ - Menschenversuche mit Mikrochips im Hirn

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Von: Tanja Banner

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Elon Musk steht bei einer Neuralink-Präsentation neben einem chirurgischen Roboter. (Archivbild)
Elon Musk steht bei einer Neuralink-Präsentation neben einem chirurgischen Roboter. (Archivbild) © afp/Neuralink

Elon Musk und sein Unternehmen Neuralink arbeiten an einem Chip, der die Kommunikation zwischen Gehirn und Copmuter ermöglichen soll. Forschende sind skeptisch.

Silicon Valley – Elon Musk ist ein Mann, der sich mit den unterschiedlichsten Themenbereichen beschäftigt. Neben seinen bekanntesten Firmen, dem Elektroautobauer Tesla und dem Raumfahrtunternehmen SpaceX, ist der Milliardär unter anderem Mitgründer von Neuralink. Das Neurotechnologie-Unternehmen, das 2016 gegründet wurde, entwickelt ein sogenanntes Brain-Computer-Interface (BCI) – ein Gerät, das die Kommunikation zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern ermöglicht.

Ein Chip im Kopf soll diese Kommunikation möglich machen. Er soll unter anderem Nervenschäden überbrücken, sodass Menschen mit Lähmungen ihren Computer oder ihr Smartphone mithilfe ihrer Gedanken steuern können. Das Unternehmen, das seinen Sitz im Silicon Valley hat, hat den Chip bereits an Schweinen und einem Makaken erprobt, nun soll es offenbar an Menschen getestet werden.

Darauf lässt zumindest eine Stellenanzeige von Neuralink schließen: Das Unternehmen sucht einen Leiter oder eine Leiterin für klinische Studien. „Sie arbeiten eng mit einigen der innovativsten Ärzte und Ingenieure zusammen, sowie mit den ersten Probanden unserer klinischen Studie“, heißt es in der Stellenanzeige. Ob Neuralink bereits mit der Suche nach Proband:innen begonnen hat, ist unklar. Im Dezember 2021 hatte Musk erklärt, er hoffe, dass der Neuralink-Chip 2022 den ersten Menschen implantiert werden könne.

Neuralink von Elon Musk: Viele Fachleute sind besorgt und skeptisch

Doch Wissenschaftler:innen sind besorgt über das, was Neuralink plant. „Ich glaube nicht, dass es in der Öffentlichkeit einen ausreichenden Diskurs darüber gibt, welche Auswirkungen die Verfügbarkeit dieser Art von Technologie auf das große Ganze hat“, zitiert die Plattform Daily Beast die Medizinhistorikerin Dr. Karola Kreitmair von der University of Wisconsin-Madison. Sie mache sich Sorgen über diese „unangenehme Verbindung zwischen einem gewinnorientierten Unternehmen und diesen medizinischen Eingriffen, die den Menschen hoffentlich helfen“, so Kreitmair weiter.

Tatsächlich plant Neuralink nicht nur, Menschen mit Lähmungen die Kommunikation mit Computern zu ermöglichen. Elon Musk hat längst seine größeren, langfristigen Ambitionen klargemacht – und die klingen durchaus ein wenig nach Science Fiction: Die Entwicklung von Neuralink soll Menschen helfen, eine „Symbiose“ mit künstlicher Intelligenz einzugehen, um zu verhindern, dass man eines Tages von den Maschinen „zurückgelassen“ werde. Auf der Neuralink-Website heißt es auch, man wolle neue Technologien erfinden, „die unsere Fähigkeiten, unsere Gemeinschaft und unsere Welt erweitern werden“. Da scheint ein Affe, der nur mithilfe seines Gehirns ein Videospiel steuert, nur der Anfang.

Neuralink: Soll das Nischenprodukt nur der Anfang sein?

Unter anderem deshalb sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler skeptisch. „Es handelt sich hierbei um Nischenprodukte. Wenn wir wirklich nur über die Entwicklung für gelähmte Personen sprechen, ist der Markt klein, und die Geräte sind teuer“, erklärt die Bioethikerin Dr. L. Syd Johnson (SUNY Upstate Medical University) gegenüber Daily Beast. Doch wenn es das Ziel sei, die gewonnenen Hirndaten für andere Geräte zu nutzen oder die Geräte für andere Dinge zu verwenden, „dann könnte es einen viel, viel größeren Markt geben“, betont Johnson und nennt als mögliche Anwendungsgebiete „Autos fahren, Teslas fahren“. Sie warnt: „Dann werden all diese menschlichen Forschungssubjekte ausgebeutet und in riskanter Forschung für den kommerziellen Gewinn eines anderen eingesetzt.“

Fachleute werfen weitere bisher unbeantwortete Fragen auf: Es gebe bisher keine Möglichkeit, die Chips sicher und ohne Folgeschäden aus dem Gehirn zu entfernen, betont die Neuroethik-Forscherin Dr. Laura Cabrera gegenüber Daily Beast. Skeptische Forschende fragen sich außerdem, was mit den Hirndaten der Patient:innen geschieht, wenn Neuralink insolvent sein sollte oder verkauft würde. Auch Fragen zur Haltbarkeit des Implantats sind in der Forschung bereits aufgekommen.

Neuralink von Elon Musk: „Potenzial, das Leben von Menschen zu verändern, die gelähmt sind“

Sollten die klinischen Tests von Neuralink erfolgreich sein, dürfte das die skeptischen Fachleute trotzdem nicht beruhigen. „Diese Technologie hat das Potenzial, das Leben von Menschen zu verändern, die gelähmt sind“, betont Kreitmair. Doch seien die Implantate erfolgreich, werde es einen „Appetit auf die Nutzung der Technologie durch Verbraucher“ geben. Kreitmair nennt Anwendungsmöglichkeiten wie das Lesen einer Mail alleine im Gehirn, oder das Führen eines autonomen Fahrzeugs. „Das führt zu einer großen Menge ethischer Bedenken“, so Kreitmair. Andere Fachleute fürchten „Medizin-Tourismus“, um Zugriff auf die Technologie zu erlangen – daraus könnten Risiken wie eine schlechte Aufsicht und Qualitätskontrolle erwachsen.

Dieser Chip soll dafür sorgen, dass das menschliche Gehirn mit einem Computer kommunizieren kann. (Archivbild)
Dieser Chip soll dafür sorgen, dass das menschliche Gehirn mit einem Computer kommunizieren kann. (Archivbild) © afp/Neuralink

Neuralink von Elon Musk: Fachleute weisen auf Gefahren hin

Auch auf die Gefahr, dass Implantate gehackt werden oder Computer-Viren ausgesetzt sein könnten, weisen die Fachleute hin. Kommerzielle Anwendungen hätten außerdem das „Risiko des Missbrauchs durch Firmen oder Regierungen“, betont Dr. Nita Farahany gegenüber Daily Beast. Dass Neuralink klinische Tests anstrebe, sollte die Welt alarmieren, glaubt die Forscherin.

Neben Neuralink arbeiten auch andere Unternehmen an Brain-Computer-Interfaces. Der Fokus auf Neuralink dürfte viel mit Elon Musk selbst zu tun haben, der vielen als Visionär gilt und der bei Neuentwicklungen seiner Firmen nicht mit großen Ankündigungen geizt. „Diese Firmen und Firmeninhaber sind wie Schausteller. Sie machen diese übertriebenen Behauptungen, und ich denke, das ist gefährlich, weil ich glaube, dass die Leute das manchmal blind glauben“, erklärt Cabrera gegenüber Daily Beast. Allerdings ist Elon Musk auch umstritten – unter anderem wegen seines schlechten Umgangs mit Angestellten, seinen großspurigen Ankündigungen und seinem Verhalten in der Öffentlichkeit und auf Twitter. Musks Kontroversen bringen Aufmerksamkeit für seine Firmen – tragen aber offenbar nicht unbedingt dazu bei, die Forschenden zu beruhigen. „Ich bin immer vorsichtig mit dem, was er sagt“, betont Cabrera. (tab)

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