Eine fast unlösbare Aufgabe

Für das Plastikproblem ist eine globale Kooperation nötig. Vor allem im Verpackungsbereich wächst die Plastikmenge. Einige Lebensmittel-Konzerne versuchen das Problem einzudämmen.
Plastik ist billig, ein Wegwerfprodukt. Aber ist es dann auch weg?
Die Ex- und Hopp-Kunststoffe werden auch künftige Generationen noch beschäftigen, zum Beispiel in den berüchtigten Müllstrudeln auf den Ozeanen. Eine Plastiktüte schwimmt laut Umweltbundesamt (UBA) zehn bis zu 20 Jahre lang im Meer, bis sie sich aufgelöst hat. PET-Flaschen oder Plastikwindeln zerfallen erst binnen 450 Jahren, und bei einer Angelschnur dauert es sogar 600 Jahre – also 20 Generationen lang.
Plastikmenge wächst weiter
Doch die Plastikmenge wächst vor allem im Verpackungsbereich. Und inzwischen regt sich dagegen Widerstand auch in der Wirtschaft. So versuchen große Lebensmittel-Konzerne wie Aldi, Lidl, Edeka und Rewe das Problem einzudämmen. Inzwischen bieten sie Plastiktüten gar nicht mehr oder nicht mehr gratis an. Früher bekam jeder Kunde die Tüten für den Einkauf umsonst gereicht. Nun haben die Lebensmittel-Konzerne angekündigt, auch bei den Kunststoff-Verpackungen kräftig abzuspecken.
Zum Beispiel beim Obst- und Gemüseangebot: Die Discounter und Supermärkte wollen künftig mehr von den Waren unverpackt statt in Plastikfolie eingeschweißt verkaufen. Aldi Süd will zudem, für Biotomaten, Verpackungen aus Graspapier und Zuckerrohr als Alternativen testen, und Rewe experimentiert mit der Kennzeichnung von Gemüse wie Bioavocados mit Laser-Logos direkt auf der Schale, um unnötige Verpackungen zu vermeiden. Denkbar wäre dieses Verfahren auch etwa für Äpfel.
Die Einzelhändler und andere Konzerne melden auch schon Erfolge bei der Reduzierung der Müllflut. Rewe gibt an, pro Jahr rund 140 Millionen Plastiktüten einzusparen, und Aldi Süd meldet, man habe die Gesamtmenge an Verkaufsverpackungen in den letzten fünf Jahren um acht Prozent reduziert.
Doch auch die Hersteller reagieren. Der Multi Unilever zum Beispiel, einer der weltweit größten Produzenten von Verbrauchsgütern (Marken wie Knorr, Dove, Domestos) hat den Verpackungsmüll seiner Produkte nach eigenen Angaben seit 2010 um 28 Prozent reduziert. Das ist keine Kleinigkeit. Denn der Konzern verwendet pro Jahr weltweit rund 2,5 Millionen Tonnen Verpackungsmaterial – von Papier über Karton bis Plastik in den verschiedensten Formen. Ab 2025 sollen sämtliche Produkte des Konzerns in Gebinden angeboten werden, die entweder wiederverwendbar, verwertbar oder kompostierbar sind.
Wie drängend das Problem ist, zeigt sich daran, dass Produktion und Verbrauch von Kunststoffen weltweit weiter wächst und im Schnitt nur 14 Prozent des Altplastiks recycelt werden. Nach Schätzungen belasten die Kosten der „Entsorgung“ dieses Mülls die Weltwirtschaft mit umgerechnet rund 65 Milliarden Euro.
Selbst in Deutschland als dem Erfinderland des „Grünen Punkts“ wird der Kunststoffmüll zunehmend zum Problem. Fielen Anfang der 1990er Jahre noch weniger als drei Millionen Tonnen jährlich davon an, sind es inzwischen rund sechs. Zwar machen Verpackungen nur gut ein Drittel des hierzulande verwendeten Kunststoffs aus, doch, weil sie so kurzlebig sind, stehen sie für mehr als 60 Prozent des Plastikabfalls.
Hinzu kommt: Nur ein Drittel des Verpackungsmülls wird wiederverwertet. Der Rest landet in Müllverbrennungsanlagen oder wird exportiert.
Das Beispiel zeigt: Von einer echten Kreislaufwirtschaft ist die Kunststoff-Branche noch weit entfernt. Denn selbst beim wiederverwerteten Abfalldrittel geht es nicht wirklich „rund“ – es handelt sich um „Downcycling“. Aus Plastiktüten werden nicht wieder Plastiktüten, und aus Plastikverpackungen nicht wieder Plastikverpackungen.
Recycling-Kunststoff ist meist Plastik minderer Qualität, aus dem Produkte wie Blumentöpfe, Parkbänke und Lärmschutzwände entstehen. Den Standards von Industrie und Handel etwa für Lebensmittel genügt es nicht. „Viele Hersteller achten nicht darauf, ob und wie gut ihre Verpackungen wieder verwertet werden können“, kritisierte Michael Wiener, Geschäftsführer der Grüne-Punkt-Firma „Duales System Deutschland“ (DSD) jüngst in der „Wirtschaftswoche“. Und Herwart Wilms, Chef von Deutschlands größtem Entsorgungskonzern Remondis forderte, die Industrie müsse schon in der Entwicklungsphase eines Plastikprodukts darauf achten, dass es gut wiederverwertet werden kann.
Plastik-Strategie der EU-Kommission
Auch die EU-Kommission zielt mit ihrer vor zwei Wochen angekündigten neuen „Plastik-Strategie“ darauf, den Kunststoff-Einsatz zu reduzieren und das Recycling zu verbessern. Bis 2030 sollen danach nur noch Kunststoffe produziert werden, die sich wiederverwerten lassen – eine echte Herausforderung für die Plastikhersteller.
Ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, wird sich zeigen, wenn Brüssel die entsprechende Richtlinie im Frühjahr vorlegt. Umweltverbände haben die Sorge, dass die mächtige Lobby der Plastikhersteller sie weichspült. Der Vorschlag von Kommissar Günter Oettinger (CDU), eine Plastiksteuer einzuführen, wackelt. In der EU machen Verpackungen rund 40 Prozent der jährlich produzierten Kunststoffmenge aus.
Wie schwierig es ist, die richtige Lösung gegen die Plastikflut zu finden, zeigt sich im Detail. Ein Verzicht auf Plastiktüten beim Einkauf zum Beispiel bringt nichts, wenn dafür Papiertüten ausgegeben werden. Das UBA warnt sogar davor: „Wenn Papiertüten nur einmal verwandt werden, sind sie für die Umwelt nicht besser als Plastiktüten.“ Die Experten raten deswegen: Einkaufstaschen oder Rucksäcke verwenden, und wenn schon Plastiktüten, dann solle man darauf achten, dass sie den „Blauen Engel“ tragen – sie enthalten mindestens 80 Prozent Recycling-Kunststoff.