Den digitalen Nachlass mit der Hilfe von Bestattern regeln

Die Nutzung von Online-Diensten ist für Viele inzwischen selbstverständlich. Doch die Frage, was nach ihrem Tod mit ihren dort hinterlassenen Profilen, Nutzerkonten und Guthaben passiert, stellen sich offensichtlich nur Wenige. Bestatter bieten inzwischen Hilfe an.
Der Tod ihres Mannes lag bereits ein paar Monate zurück, trotzdem kassierte das kostenpflichtige Onlineportal weiter. Regelmäßig buchte es die Gebühr vom gemeinsamen Konto ab. Denn von dem Onlinevertrag ihres Mannes wusste die Witwe nichts, das Portal wiederum nichts vom Tod des Kunden.
Ob es nun um Online-Zocken geht, Netflix-Abos, Guthaben beim Bezahldienst Paypal oder um Profile bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Snapchat - die inzwischen weit verbreitete Nutzung von Online-Diensten wird nach dem Tod der Nutzer immer häufiger zum Problem. Schon ist von „Geisterprofilen im Netz“ die Rede.
Spezielle Angebote von Bestattern
Viele Bestatter bieten hier inzwischen Angehörigen ihre Hilfe an. Eine von dem Berliner Start-up Columba entwickelte IT-Technologie hilft Bestattern und Hinterbliebenen beim Aufspüren von unbekannten oder unzugänglichen Verträgen des Verstorbenen mit Onlinediensten. Knapp 25 Prozent der bundesweit 5400 Bestatterunternehmen nutzen nach Columba-Angaben inzwischen diese Möglichkeit.
100.000 Aufträge hat das Unternehmen allein zwischen Juli 2017 und Juli 2018 von Bestattern erhalten - meist ging es um die Kündigung von Rente, Krankenkasse und Versicherungen. In etwa einem Drittel der Fälle hätten die Angehörigen aber auch Recherchen zur Regelung des digitalen Nachlasses aktiviert, berichtet Columba-Mitgründer Christopher Eiler. „Der Bedarf steigt deutlich. Man sieht ganz klar, dass der digitale Nachlass zum Thema für alle wird“, bilanziert er.
Nachforschungen mit Vollmacht
Für eine Profi-Recherche im Internet braucht das Bestattungsunternehmen eine Vollmacht des Angehörigen. Das veranlasst dann mit Hilfe eines ausgeklügelten IT-Systems Vertragsabfragen bei bundesweit rund 250 Online-Diensten. „Bereits in den ersten drei Tagen haben wir über 50 Prozent der Verträge, zahlungspflichtigen Mitgliedschaften und Accounts ermittelt“, berichtet Christopher Eiler von Columba, das den Bestattern das IT-System gegen Gebühr zur Verfügung stellt.
Die Angehörigen selbst erhalten dann per Passwort Zugang zur „Formalitäten-Plattform“ des jeweiligen Bestatters; dort sind die Verträge und Mitgliedschaften des Verstorbenen aufgelistet. Es liege nun an dem Angehörigen, zu entscheiden, welche der Verträge er übernimmt oder kündigt.
Wachsende Sensibilität
Eine wachsende Nachfrage nach Profi-Unterstützung in Sachen digitaler Nachlass verzeichnen auch Bestatter in Bayern. Von einem Boom könne im Moment aber noch keine Rede sein, macht der stellvertretende Vorsitzende des Bestatterverbandes Bayern, Karl Albert Denk, deutlich. In dem Verband sind rund 80 Prozent der bayerischen Beerdigungsinstitute organisiert. „Ob sich Angehörige für eine digitale Nachlass-Lösung entscheiden, hängt vom Alter des Verstorbenen ab und ob jemand eine Affinität zum Internet hat“, macht der Vizechef des Verbandes klar.
In Zeiten, in denen allerdings immer mehr Menschen ihre Angelegenheiten online regeln, wachse die Sensibilität in der Bevölkerung für die Notwendigkeit eines digitalen Nachlasses, sagt Denk. „Anfangs ging es den Kunden nur darum, das Profil ihres verstorbenen Angehörigen aus einem sozialen Netzwerk zu löschen. Aber sobald Angehörige merken, dass etwa auf dem Paypal-Konto des Verstorbenen größere Geldbeträge fürs Online-Shopping schlummern, wird der digitale Nachlass zum größeren Thema.“
Noch keine große Nachfrage
Fragt man einzelne Bestattungsunternehmen, so nutzen bisher aber nur vergleichsweise wenige Hinterbliebene das Angebot. „Bei uns spielt der digitale Nachlass fast gar keine Rolle“, berichtet eine Mitarbeiterin des Nürnberger Bestattungsunternehmens Anton. „Wir fragen immer nach, ob jemand Interesse daran hat, die meisten lehnen ab.“
Häufig verwiesen die Kunden darauf, dass sie anhand der vom Verstorbenen hinterlegten Passwörter die Abmeldungen bei Onlinediensten selbst regelten. Andere Unternehmen der Branche, wie etwa die Potsdamer Firma Schellhaas-Bestattungen, haben die Regelung noch nicht lange im Angebot und deswegen wenige Erfahrungen gemacht.
Und auch beim Münchner Bestattungsunternehmen Hanrieder mit jährlich rund 1000 Bestattungen heißt es, Trauernde nutzten zwar in aller Regel das Paket zur Abmeldung von Renten- und Krankenversicherung. Im Prinzip sei in diesem Abmeldepaket auch die Regelung des digitalen Nachlasses enthalten, könne von den Kunden aber auch noch später vom heimischen Laptop aus veranlasst werden. „Wie viele das tatsächlich tun, entzieht sich unserer Kenntnis“, berichtet Mitgeschäftsführer und Mitinhaber Ralf Hanrieder. „Aktiv nachgefragt wird die Regelung des digitalen Nachlasses von den Kunden jedenfalls nicht.“
Zurückhaltend geben sich derzeit auch noch die Bestattungsdienste von Kommunen. So hatte etwa das Nürnberger Friedhofsamt am Jahresanfang angekündigt, sich künftig bei entsprechender Nachfrage von Angehörigen um den digitalen Nachlass von Verstorbenen zu kümmern. Nach dem sogenannten Facebook-Urteil vom vergangenen Sommer, wonach digitale Verträge von Verstorbenen auf die Erben übergehen, zögert Friedhofamtschef Gerhard Kratzer mit der Einführung. Die Regelung von Nachlässen sei nicht die Aufgabe von Bestattern. Dazu sei das Thema viel zu komplex und langwierig.
Viele wollen digitales Erbe regeln - nur wenige haben es gemacht
Im Sommer dieses Jahres rückte ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) das Thema digitales Erbe in den Blickpunkt: Der BGH entschied, dass das soziale Netzwerk Facebook den Eltern eines toten Mädchens Zugang zum gesperrten Nutzerkonto ihrer Tochter gewähren muss. Unter Verweis auf dieses Urteil hat Yougov mehr als 2000 Personen zum Umgang mit dem digitalen Erbe befragt. Die Hälfte (50 Prozent) gab an, sich künftig damit auseinandersetzen zu wollen. 8 Prozent wollen sich nach eigenen Angaben in jedem Fall bemühen, das digitale Erbe vollständig zu regeln. Gut jeder Fünfte (22 Prozent) aber möchte sich nicht weiter damit beschäftigen.
Beim Anteil derer, die schon Maßnahmen ergriffen haben, gibt es im Vergleich zum Vorjahr kaum Bewegung. Wie 2017 erklärte nur etwa jeder Zwölfte (8 Prozent), für seine Hinterbliebenen Zugangsdaten zu allen genutzten Diensten und Online-Konten hinterlegt zu haben. 7 Prozent haben zumindest teilweise Vorkehrungen für den Todesfall getroffen, das sind etwas mehr als 2017 (4 Prozent).
Im Auftrag von Web.de und GMX wurden 2048 Personen ab 18 Jahren online befragt. Die Umfrage ist den Angaben nach repräsentativ.
(Von Klaus Tscharnke, dpa)