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Corona: Wieso Erkrankte den Sinn für Riechen und Schmecken bei Covid-19 verlieren

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Von: Pamela Dörhöfer

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Die neu entdeckte Andockstelle auf der Zelloberfläche könnte erklären, warum Covid-19 so oft mit neurologischen Symptomen wie einem Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns einhergeht. (Symbolbild)
Die neu entdeckte Andockstelle auf der Zelloberfläche könnte erklären, warum Covid-19 so oft mit neurologischen Symptomen wie einem Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns einhergeht. (Symbolbild) © Christin Klose/dpa

Ein Forscherteam hat eine neu entdeckte Andockstelle des Coronavirus entdeckt. Damit könnten Krankheitssymptome von Covid-19 erklärt werden.

Das Coronavirus nutzt gleich zwei molekulare Türen, um in fremde Zellen einzudringen – das macht es so hochinfektiös, bietet möglicherweise aber auch einen neuen Ansatzpunkt für eine Therapie: Zwei internationale Forschungsteams haben unabhängig voneinander herausgefunden, dass Sars-CoV-2 neben dem bekannten ACE 2-Rezeptor eine weitere Eintrittspforte auf der Zelloberfläche zum Andocken nutzt.

Bei diesem zweiten Türöffner handelt es sich um ein Eiweiß namens Neuropilin-1, das in großer Anzahl auf den Schleimhäuten der Atemwege inklusive der Nase sitzt – für einen Krankheitserreger ein strategisch guter Ort, um sich von dort aus weiter in den Körper, aber auch nach draußen zu verbreiten.

Coronavirus: Covid-19-Erkrankung geht mit neurologischen Symptomen einher

Beide Studien sind im Fachmagazin „Science“ erschienen. Verfasst wurden sie von einem deutsch-finnischen Team des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Technischen Universität München, der Universitätsmedizin Göttingen und der Universität Helsinki sowie von einer Forschungsgruppe unter der Leitung der britischen Universität Bristol.

Die neu entdeckte Andockstelle auf der Zelloberfläche könnte auch erklären, warum Covid-19 so oft mit neurologischen Symptomen wie einem Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns einhergeht – ein Charakteristikum dieser Erkrankung, das sie von der Grippe und anderen Atemwegsinfekten unterscheidet.

Corona: Forscher finden eine Erklärung für den Verlust des Geschmackssinns

Um Lebewesen zu infizieren, heften sich Virenproteine an bestimmte Moleküle auf Zellen. Über diesen Mechanismus verschaffen sich die Erreger Zutritt, um fortan die Zellen zu zwingen, Viren zu produzieren. Bei Sars-CoV-2 und anderen Viren ist es das charakteristisch stachelige Spike-Protein, das sich in diese Andockstellen krallt. Bisher war bekannt, dass als eine solche das Enzym ACE 2 auf der Zelloberfläche dient. Nicht nur Sars-CoV-2, sondern auch sein Verwandter Sars-CoV-1 nutzt diesen Rezeptor. Ausgangspunkt der deutsch-finnischen Studie war, warum beide Viren trotz dieser Gemeinsamkeit unterschiedlicher Erkrankungen verursachen, wie Mikael Simons, Forschungsgruppenleiter am DZNE, sagt. Das ältere Virus führt zu einer Lungenerkrankung, die schwerer verläuft als Covid-19, sich aber weniger leicht überträgt – ein Grund, warum die Epidemie 2004 zum Stillstand gebracht werden konnte.

Proteine wurden jetzt als zweite Eintrittspforte für das Coronavirus

Das deutsch-finnische Forschungsteam fand heraus, dass sich die viralen Spike-Proteine von Sars-CoV-2 deutlich von denen des Verwandten unterscheiden. So verfügen sie über eine „Furin-Spaltstelle“, wie sie auch andere hochpathogene Viren besitzen, erklärt Simons. Furine sind Enzyme, die bei Menschen unter anderem in der Lunge, der Leber und im Darm vorkommen. Sie sind in der Lage, Proteine zu spalten. Am gespaltenen Ende wird dabei eine bestimmte Sequenz freigelegt, die sich andere Proteine mit dem Namen Neuropiline binden kann. Und genau diese Proteine wurden jetzt als zweite Eintrittspforte für das Virus gefunden. Das deutsch-finnische Forschungsteam vermutet, dass Neuropilin-1 das Virus quasi auffängt und dann zum zweiten Rezeptor ACE-2 lenkt.

Dass Neuropiline bei einer Corona-Infektion im menschlichen Körper eine Rolle spielen, bestätigten Untersuchungen von Gewebeproben verstorbener Covid-19-Patienten. Weitere Experimente mit Mäusen zeigten zudem, dass Neuropilin-1 den Transport von Viruspartikeln von der Nasenschleimhaut zum zentralen Nervensystem ermöglicht. Binnen weniger Stunden waren Nervenzellen und Kapillargefäße des Gehirns erreicht. Ob Sars-CoV-2 sich allerdings bei Menschen so schnell bis ins Gehirn ausbreiten kann, bezweifeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Es ist sehr wahrscheinlich, das dieser Transportweg bei den meisten Patienten durch das Immunsystem unterdrückt wird“, sagt Neurobiologe Simons.

Neuropiline spielen Rolle bei Corona-Infektion im Körper

Der Missbrauch von Neuropilin als Helfer macht das Virus besonders infektiös und könnte auch dazu beitragen, dass es so viele Stellen im Körper und nicht nur die Atemwege erreichen kann; ob es diesen Zusammenhang wirklich gibt, muss jedoch erst noch untersucht werden.

Doch die Entdeckung gibt auch Anlass zur Hoffnung auf eine Therapie, die darauf beruhen könnte, dass über ein Blockieren des Rezeptors die Ausbreitung des Virus im Körper verhindert oder reduziert wird. So testen die britischen Wissenschaftler im Labor bereits monoklonale Antikörper in infizierten menschlichen Zellkulturen. Noch sei es zu früh, darüber zu spekulieren, ob dieser therapeutische Ansatz funktioniert, dämpft Mikael Simons allerdings Erwartungen auf ein baldiges Heilmittel. (von Pamela Dörhöfer)

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