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Den Invasoren auf der Spur

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Von: Pamela Dörhöfer

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Er sieht ja putzig aus, der Waschbär. Aber leider kann er auch viel Schaden anrichten.
Er sieht ja putzig aus, der Waschbär. Aber leider kann er auch viel Schaden anrichten. © PantherMedia / Karin Jähne

Frankfurter Forscher:innen untersuchen das Gesundheitsrisiko durch gebietsfremde Tierarten wie Waschbär oder Marderhund. Auch Menschen können sich infizieren.

Zugegeben: Putzig sehen sie ja aus, die Waschbären mit ihren Knopfaugen und der dunklen Maske im Gesicht. Aber nicht wenige Menschen dürften auch schon unliebsame Bekanntschaft mit den aus Nordamerika stammenden Raubsäugern – zu denen Waschbären gehören – gemacht haben: etwa, wenn die Tiere auf der Suche nach Essbarem Mülltonnen durchwühlen und Beete verwüsten oder auch allnächtlich im Garten oder auf dem Dach Krach veranstalten.

All das ist lästig, zur Gefahr allerdings können Waschbären auf andere Weise werden: Als gebietsfremde „invasive“ Art gehören sie nicht in unser Ökosystem und verdrängen heimische Tiere, bedrohen so die biologische Vielfalt. Außerdem übertragen Waschbären Krankheiten, die Menschen infizieren können; der Fachbegriff dafür lautet Zoonosen.

Das trifft indes nicht nur auf den Waschbären zu: Wie er verbreiten sich immer mehr Arten aus entfernten Regionen der Welt in Deutschland und andernorts in Europa. Oft wurden sie bewusst oder aus Versehen von Menschen eingeschleppt, fühlen sich hier wohl und vermehren sich. Alleine in Deutschland sind mehr als 1000 invasive gebietsfremde Arten registriert.

Wie diese Tiere heimischen Ökosystemen schaden und welche Krankheiten sie übertragen – auf andere Arten und auch auf Menschen, das wollen Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität Frankfurt und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung im Forschungsverbundprojekt „Zowiac“ („Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren“) untersuchen; Carnivoren ist der Fachbegriff für fleischfressende Lebewesen. Die Leitung hat der Infektionsbiologe und Parasitologe Sven Klimpel von der Goethe-Universität. Auch Naturschutzgruppen, Jäger:innen und interessierte Bürger:innen sind eingebunden. Gefördert wird das Projekt mit insgesamt einer dreiviertel Million Euro, unter anderem gibt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt Geld.

Die Auswirkungen der aus anderen Ökosystemen stammenden Tiere sind beträchtlich. Sie gelten als eine der größten globalen Bedrohungen für die biologische Vielfalt nicht nur in Wäldern und ländlichen Gegenden, sondern zunehmend auch in Städten. Sie stellen ein Gesundheitsrisiko für Menschen, Haus-, Nutz- und Wildtiere dar. Die EU-Kommission schätzt die durch tierische Einwanderer entstandenen wirtschaftlichen Schäden in Europa auf jährlich 9,6 bis 12,7 Milliarden Euro.

Im Fokus der Frankfurter Forscher:innen stehen neben dem Waschbär insbesondere der Marderhund, der Mink (ein amerikanischer Nerz) und der Goldschakal, eine eng mit dem Wolf verwandte Art der Hunde, die sich vom Balkan her kommend in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland ausgebreitet hat.

Diese Arten seien durch ihre breites Nahrungsspektrum und ihre hohe Anpassungsfähigkeit in der Lage, fast alle natürlichen Lebensräume zu besiedeln, heißt es in einer Mitteilung der Uni Frankfurt. Sie stünden unter anderem im Verdacht, für den Rückgang von zahlreichen, teilweise auch bedrohten Arten wie Fledermäusen, verschiedenen Amphibien und Reptilien sowie bodenbrütenden Vögeln verantwortlich zu sein.

Auch soll untersucht werden, ob das Vordringen der invasiven Tierarten in städtische Gebiete die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen begünstigt. Als potenzielle Gefahr für die Gesundheit bewerten die Wissenschaftler:innen etwa den Waschbärspulwurm, dessen infektiöse Eier über den Kot der Vierbeiner übertragen werden. Im Körper können die Larven schlüpfen und sich einnisten, Übelkeit, Schwindel und Wahrnehmungsstörungen hervorrufen. Waschbären dienen außerdem als Wirte für Coronaviren, Lyssaviren (sie verursachen Tollwut), canine Staupeviren und das West-Nil-Virus, einem durch Mückenstiche übertragenen Krankheitserreger, der aus den Tropen kommt und zunehmend im Mittelmeerraum auftritt.

Der Marderhund kann ähnliche Erreger beherbergen wie der Waschbär, zusätzlich noch den Fuchsbandwurm. Beim Mink, einer der stärksten verbreiteten gebietsfremden Säugetierarten, sieht das Spektrum etwas anders aus. Wie das Frankfurter Forschungsteam erklärt, gelten Minke als Überträger einer Vielzahl von Zoonosen. Dazu gehören Leptospirose, eine durch Bakterien hervorgerufene Krankheit, die meist leichte grippeähnliche Symptome hervorrufe, Trichinellose eine Wurmkrankheit, die auch Hunde und Katzen befallen kann, sowie Toxoplasmose, eine durch Parasiten hervorgerufene Erkrankung, die oft wie eine leichte Grippe verläuft, aber für Ungeborene im Mutterleib schwere Folgen haben kann. Auch der Goldschakal ist ein Wirt für verschiedene Erreger, darunter den Hundebandwurm und den Hundespulwurm.

Um die konkreten Risiken für Menschen und Tiere sowie die Auswirkungen auf die Ökosysteme besser abschätzen zu können, planen die Frankfurter Forscher:innen „eine systematische Überwachung der am häufigsten assoziierten Krankheitserreger“, sagt Projektleiter Sven Klimpel. Außerdem sollen verschiedene Tiere mit Sendern ausgestattet werden, um ihre täglichen Bewegungsmuster nachvollziehen zu können. Magen- und Kotproben sollen Aufschluss geben, was die Tiere als Nahrung zu sich nehmen – und welche Parasiten sie beherbergen.

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