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Alternative zur Corona-Impfung? Neue Medikamente überfluten den Markt

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Von: Pamela Dörhöfer

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Großbritannien lässt erste Pille zur Behandlung von Covid-19 zu
Dieses undatierte Bild von Merck & Co. zeigt das neue antivirale Medikament gegen COVID-19. Großbritannien hat eine bedingte Zulassung für das antivirale Corona-Medikament von Merck erteilt. © Merck & Co./AP/dpa

Mittlerweile gibt es zahlreiche Impfstoffe gegen Corona. Medikamente für die Behandlung sind jedoch eher Mangelware. Ein Überblick.

Frankfurt – Neben Impfungen wären Medikamente wichtige Instrumente, um Corona den Schrecken zu nehmen. Ihre Verfügbarkeit könnte umso dringlicher werden, sollten die vorhandenen Vakzine durch weitere Mutationen des Virus an Wirksamkeit einbüßen; ein Szenario, das zumindest nicht gänzlich auszuschließen ist. Doch während Impfstoffe im Rekordtempo auf den Markt kamen, waren die Erfolge bei den Therapeutika überschaubar, auch wenn weltweit an mehr als 600 Covid-Medikamenten gearbeitet wird. Insbesondere fehlen bislang antivirale Mittel zum Einnehmen, die im frühen Stadium wirken und verhindern können, dass es überhaupt erst zu einem schweren Verlauf kommt und man ins Krankenhaus muss.

Doch die Entwicklung von Virostatika ist kompliziert, zumal wenn sie sich gegen Erreger richten sollen, die zuerst Zellen in den Schleimhäuten der Atemwege befallen. Auch bei Influenza, virusbedingten Halsentzündungen oder einem banalen Schnupfen ist die Ausbeute an Arzneimitteln, die mehr als nur die Symptome lindern, bescheiden. Man könne diese Medikamente „an einer Hand abzählen“, wird der Virologe Timothy Sheahan von der University of North Carolina in einem Beitrag im Magazin „National Geographic“ zitiert. Das Zeitfenster, in dem man eingreifen und eine Therapie geben könne, sei „wirklich kurz“.

Fortschritte bei Corona-Medikamenten

Was potenzielle Corona-Medikamente angeht, gibt es nun endlich Fortschritte. Sie lassen darauf hoffen, dass mehr Patientinnen und Patienten als bisher – vor allem solche mit erhöhtem Risiko – ihren Infekt zuhause auskurieren können; das würde nebenbei auch die Kliniken entlasten. Zwei, möglicherweise drei oder sogar vier solcher Präparate in Tablettenform könnten schon bald zur Verfügung stehen, allesamt Virostatika, die in ihrer Wirkung analog zu Antibiotika gegen Bakterien darauf zielen, krankheitserregende Viren unschädlich zu machen. Es wären die ersten „Covid-Pillen“ überhaupt.

Damit sie gut wirken können, müssen sie allerdings zu einem relativ frühen Zeitpunkt nach der Infektion eingenommen werden, die Symptome sollten nicht schlimmer als „mittelschwer“ sein. Einige Expertinnen und Experten mutmaßen zudem, dass die effektivste Strategie darin bestehen könnte, mehrere dieser Medikamente zu kombinieren, wie es etwa auch bei der Behandlung von HIV-Infektionen gehandhabt wird.

Corona-Medikamente: Einige Kandidaten sind vielversprechend

Die vielversprechendsten Kandidaten im Einzelnen: Paxlovid, produziert vom US-Pharmakonzern Pfizer, ist ein Kombinationspräparat, das für die Dauer von fünf Tagen zweimal täglich geschluckt werden muss. Eine der enthaltenen Substanzen hemmt die Aktivität der Proteasen, bestimmter Enzyme, die Sars-CoV-2 benötigt, um sich zu vermehren. Ein weiterer Inhaltsstoff ist Ritonavir, ursprünglich entwickelt als HIV-Therapeutikum.

Corona-Impfung
Es gibt weiterhin zahlreiche Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen oder können. © Angelika Warmuth/Daniel Karmann/dpa

Laut Herstellerangaben soll Paxlovid als Therapie für Menschen geeignet sein, die gefährdet sind, bei einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 schwer zu erkranken. Bei ihnen soll Paxlovid neun von zehn Krankenhausaufenthalten vermeiden und auch das Risiko, an Covid-19 zu sterben, um 90 Prozent reduzieren – soweit das Ergebnis einer Zwischenanalyse der Phase2/3-Studie. Pfizer selbst spricht in seiner Pressemitteilung von einer „überwältigen Wirksamkeit“. Wegen der guten Ergebnisse sei die Studie vorzeitig abgebrochen worden, um möglichst schnell die Zulassung beantragen zu können. Demnächst sollen die Daten bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereicht werden, um in den Vereinigten Staaten die Notzulassung zu erhalten.

Das US-Unternehmen Merck ist mit seinem zusammen mit dem Unternehmen Ridgeback Biotherapeutics entwickelten Medikament Molnupiravir schon etwas weiter. Das Medikament mit dem Handelsnamen Lagevrio ist seit dem 4. November in Großbritannien zugelassen – und zwar für Menschen, die älter als 60 sind oder mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Verlauf haben, etwa Diabetes, starkes Übergewicht oder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. Das Mittel sei „sicher und effektiv“ bei der Reduzierung des Risikos von Klinikeinweisungen und Todesfällen durch Corona bei Patientinnen und Patienten mit milden und mittelschweren Verläufen, ließ die britische Regierung verlautbaren. In den USA hat das Zulassungsverfahren für Molnupiravir ebenfalls bereits begonnen, auch die Europäische Arzneimittelagentur Ema prüft das Medikament derzeit in einem Rolling Review-Verfahren, das eine beschleunigten Zulassung ermöglichen soll.

Corona-Medikamente: Remdisivir bisher einzig zugelassenes Virostatikum

Molnupiravir muss wie das Konkurrenzprodukt von Pfizer zweimal täglich eingenommen werden, Beginn der Therapie sollte höchstens fünf Tage nach einem positiven Testergebnis sein. In den Studien halbierte Molnupiravir das Risiko einer Hospitalisierung oder des Todes durch Covid-19. In einer weiteren Studie untersucht Merck außerdem, ob sich das Medikament auch dafür eignet, eine Ansteckung zu verhindern, wenn jemand in einem Haushalt mit einer infizierten Person lebt.

Der Wirkstoff in Molnupiravir zielt darauf, als falscher Baustein in das Virenerbgut integriert zu werden, dort massenhaft Mutationen und Chaos bei der Replikation zu verursachen. In einem Bericht im Fachmagazin „Nature“ kam allerdings die Frage auf, ob die Substanz auch in die menschliche DNA eingebaut werden kann, laut Merck soll das Medikament in dieser Hinsicht aber sicher sein. Molnupiravir war 2015 bereits als Mittel gegen verschiedene Coronaviren, darunter auch der Mers-Erreger, getestet worden. Merck wollte es vor der Pandemie als Arznei gegen Influenza entwickeln. Sowohl Molnupiravir als auch Paxlovid sollen laut Angaben der Hersteller gut verträglich gewesen sein, mit üblichen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Übelkeit.

Das einzige bislang zugelassene Virustatikum gegen Covid-19 ist Remdisivir von Gilead Sciences (USA). Das ursprünglich gegen Hepatitis C entwickelte und später auch gegen Ebola eingesetzte Mittel muss allerdings per Injektion intravenös verabreicht werden. In Studien wurde aber bereits der Einsatz im frühen Stadium getestet. Dabei soll das Medikament Krankenhausaufenthalte um 87 Prozent reduziert haben. Wie das Magazin „Nature“ berichtet, arbeitet Gilead Sciences ebenfalls an einer Pillenversion von Remdesivir.

Corona-Virostatika könnten Option für Ungeimpfte sein

Ein möglicher weiterer Kandidat wäre Favipiravir, ein orales antivirales Medikament, das in Japan als Grippemittel entwickelt wurde. Derzeit wird in klinischen Studien geprüft, ob es sich im frühen Verlauf einer Corona-Erkrankung einsetzen lässt. In Japan, Russland und Indien ist der Einsatz von Favipiravir gegen Covid-19 bereits genehmigt.

Virostatika gegen das Coronavirus könnten künftig eine Option sein für Menschen, die sich nicht impfen lassen können (oder wollen) oder die nicht ausreichend durch die Impfung geschützt sind – und sich deshalb infiziert haben. Auch in ärmeren Ländern mit geringer Impfquote könnten solche Medikamente Leiden lindern. Bei Merck erklärte man bereits, das Wissen zur Herstellung von Molnupiravir dem Medicines Patent Pool der Vereinten Nationen zur Verfügung stellen zu wollen. Auf diese Weise könnte das Mittel von Generika-Herstellern produziert und damit kostengünstig in großen Mengen h in Länder mit geringem Einkommen geliefert werden. Auch Pfizer hat angekündigt, sich für einen „gerechten Zugang zu Paxlovid für alle Menschen“ einsetzen zu wollen. Das Präparat soll während der Pandemie deshalb mit einem abgestuften Preiskonzept angeboten werden. (Pamela Dorhöfer)

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