Keine Maskenpflicht und Corona-Regeln mehr? Was passiert, wenn die „epidemische Lage“ endet

Jens Spahn fordert das Ende der „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ im November. Was bedeutet das für Corona-Regeln wie Maskenpflicht, Abstandsregeln und Co.?
Frankfurt – Am 30. Januar 2020 erkannte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Corona-Pandemie als „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ an. In Deutschland hielt man sich zunächst zurück, zog am 25. März dann doch nach und rief zur „epidemischen Notlage von nationaler Tragweite“ – auf unbestimmte Dauer – aus.
Seitdem gehören Maskenpflicht, Abstands- und Hygieneregeln zum Alltag der Bevölkerung. Doch das könnte sich schon in Kürze ändern. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat erstmals von einer Beendigung der Corona-Notlage in Deutschland gesprochen – vielleicht so gar schon ab dem 25. November, denn da läuft die vorläufige Verlängerung der Notlage aus. Doch was würde das konkret bedeuten?
Corona in Deutschland: „Epidemischen Notlage nationaler Tragweite“ – Was bedeutet das?
Die Idee der Aufhebung der epidemischen Lage findet viel Zuspruch, ist aber ebenso umstritten. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) zweifelte jüngst an der Entscheidung und sprach von einem „falschen Signal“ an die Bevölkerung. Aber was bedeutet überhaupt „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ und wozu dient die Bezeichnung?
Die exakte Definition ist in Paragraf fünf des Infektionsschutzgesetzes (IfSG-E) festgehalten. Dort heißt es: „Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn die Bundesregierung eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland festgestellt hat.“ Dies liegt laut IfSG-E vor, wenn die WHO zur gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite ausgerufen hat und dadurch auch für Deutschland eine Bedrohung besteht. Oder die „dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit“ in die Bundesrepublik besteht.

Zwar ist der Infektionsschutz Sache der Bundesländer, in einer Krisensituation wie der Corona-Pandemie müsse der Bund allerdings die Verantwortung übernehmen, hieß es damals: „Um einer Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems vorzubeugen, wird die Bundesregierung in die Lage versetzt, schnell mit schützenden Maßnahmen einzugreifen.“
Welche Folgen hätte die „epidemische Notlage“ in der Corona-Krise für den Alltag?
Mit dem Ausruf zu „epidemischen Notlage nationaler Tragweite“ traten die Infektionsschutzmaßnahmen in Kraft. Diese Präventionsmaßnahmen während einer epidemischen Lage wurden im dritten Bevölkerungsschutzgesetz vom 19. November 2020 einheitlich festgelegt. Dazu zählen unter anderem:
- Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung
- Die Anordnung des Abstandsgebots
- Ausgangs- und Kontatkbeschränkungen für den privaten und öffentlichen Raum
- Beschränkungen für die Betriebe der Kultur- oder Freizeitgestaltung sowie Gastronomie
- Beschränkung öffentliche Veranstaltungen
- Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten
- Reisebeschränkungen
Corona-Regeln: Entfallen alle Maßnahmen nach Ende der „Notlage von nationaler Tragweite“?
Die simple Antwort lautet: Nein, sie entfallen nicht. Das Infektionsschutzgesetz erlaubt es den Ländern weiterhin – auch nach Ende einer „epidemischen Lage“ – Corona-Maßnahmen zu nutzen, wenn das jeweilige Parlament sich dafür ausspricht. Die im Infektionsschutzgesetz aufgeführten besonderen Schutzmaßnahmen fallen zwar weg, „allerdings können die Bundesländer, die ohnehin dafür zuständig sind, die Befugnisse weiter nutzen, wenn die Landtage das beschließen“, erklärte Verwaltungsrechtler Hinnerk Wißmann der Deutschen Presse-Agentur.
Fachleute sind sich einig, dass es noch nicht an der Zeit ist, alle Maßnahmen in Deutschland abzuschaffen. Das liege unter anderem an der Impfquote, die laut vielen Expertinnen und Experten noch nicht hoch genug sei. Laut Angaben des Robert Koch-Instituts haben derzeit rund 69 Prozent der Deutschen mindestens die erste Impfdosis erhalten (Stand: 20.10.2021). Die Gefährdung für vollständig geimpfter Personen durch das Coronavirus wird aktuell nur noch als „moderat“ eingestuft, so das RKI. Für einfach Geimpfte und Ungeimpfte gilt ein „hohes“ Risiko. Vermutlich werden die Reglung erst nach und nach gelockert, wie es bereits aktuell geschieht. Mit einer schlagartigen Aufhebung aller Corona-Maßnahmen ist nicht zu rechnen.
Ablauf der „Nationalen Tragweite“: Was passiert nach dem 25. November?
Der Bundestag ist dazu verpflichtet, alle drei Monate zu prüfen, ob die epidemische Lage fortbesteht. Dies wurde in einem Dokument vom 25. August 2021 festgehalten. Am 25. November muss die Regierung also alle Kriterien überprüfen, die zum Fortbestand der epidemischen Lage nötig sind. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, wird die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ automatisch beendet.
In einem Bericht des Gesundheitsministeriums vom 18. Oktober, das dem Nachrichtenmagazin Spiegel vorliegt, heißt es, dass auch nach dem 25. November noch mindestens zwei „Basis-Maßnahmen“ beibehalten werden. Zum einen wird die sogenannte AHA+L-Regel weiterhin gelten. Diese beinhaltet das Tragen einer medizinischen Maske, die Beachtung der Hygieneregeln, das Abstandsgebot und regelmäßiges Lüften. Außerdem sei das 3G-Konzept weiterhin ein wichtiger Baustein zur Eindämmung der Pandemie.
Gegenüber dem Nachrichtenmagazin erklärte Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen (Grüne), dass die Schutzmaßnahmen – unabhängig von der epidemischen Lage – notwendig seien, um einen „sicheren Winter“ zu erleben. „Zentral bleiben absehbar die systematische Maskenpflicht, 3G-Regel und die Nutzung aller Funktionen der Corona-Warn-App. Der Bundestag wird über den Weg entscheiden, wie effektive Schutzmaßnahmen entsprechend der aktuellen Lage flächendeckend und nachvollziehbar durchgesetzt werden können“, so Dahmen im Spiegel-Interview.
„Epidemische Notlage“ in Deutschland: Wann werden die Corona-Regeln enden?
Über das Ende aller Corona-Regeln lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur mutmaßen. Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO) geht davon aus, dass die meisten Corona-Maßnahmen Mitte des Jahres 2022 aufgehoben werden können. „Ich bin guter Hoffnung, dass wir Mitte des Jahres normal werden leben können“, sagte Mertens während einer Veranstaltung der Schwäbischen Zeitung in Friedrichshafen. Er sprach außerdem von einer Rückkehr in unser „alltägliches Leben“, in dem wir uns „normal bewegen“ können. Der Virologe betonte jedoch, dass dazu ein guter Schutz vor schweren Covid-19-Erkrankungen bei Risikogruppen notwendig sei. Die Entwicklung in Deutschland beurteilte er positiv: „Das haben wir sehr gut erreicht in Deutschland. Es gibt bei uns kein Massensterben in dieser Gruppe.“
Das RKI plädiert weiterhin für Masken-, Abstands- und Hygieneregeln bis mindestens Frühjahr 2022. In einem Strategiepapier spricht das Institut, von einer Übergangsphase, bis Corona endemisch, also weitestgehend ungefährlich, geworden ist. Wann diese „Grundimmunität“ erreicht sein wird, lässt das Robert Koch-Institut allerdings offen. (aa/dpa)