Infektion mit Coronavirus kann zu Thrombose führen

Ergebnisse von Obduktionen zeigen laut einer Studie, dass die Corona-Infektion offenbar Blutgerinsel auslösen kann.
- Das Coronavirus* führt zur Erkrankung mit Covid-19
- Ergebnisse von Obduktionen zeigen, dass Covid-19 Thrombosen begünstigt.
- Der Erreger kann starke Entzündungen der Blutzellen verursachen.
Im April war es eine der Schlagzeilen der Corona-Berichterstattung: Dem kanadischen Schauspieler Nick Cordero musste als Folge einer Thrombose ein Bein amputiert werden; der Broadway-Star hatte wegen einer Corona-Infektion auf der Intensivstation gelegen. Die Nachricht reihte sich ein in frühere Beobachtungen von Wissenschaftlern aus China, Europa und den USA, demnach bei Patienten mit Covid-19 überdurchschnittlich oft Blutgerinnsel auftreten.
Corona in Deutschland: Virus kann zu einer Thrombose führen
Auch die Ergebnisse der Autopsien von Corona-Toten in Hamburg erhärten den Verdacht, dass eine Infektion mit Sars-CoV-2 zu einer Thrombose führen kann. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hatten für ihre im Fachmagazin „Annals of Internal Medicine“ veröffentlichte Studie zwölf verstorbene Covid-19-Patienten obduziert und die Befunde analysiert; die Leitung hatten Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtmedizin, und Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin.
„Wir konnten in der Obduktion der ersten zwölf Verstorbenen nachweisen, dass eine unerwartet hohe Rate an tödlichen Lungenembolien bestand, zusätzlich hatte mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten Thrombosen der Beinvenen“, sagt Jan Sperhake, Oberarzt im Institut für Rechtsmedizin und Erstautor der Studie. Bei sieben der ersten zwölf Obduzierten stellten die Mediziner eine Thrombose fest, die vor dem Eintritt des Todes nicht bemerkt worden war, vier starben an einer Lungenembolie.
Coronavirus: Thrombose führt zu lebensbedrohlicher Embolie
Die mittlerweile fast 200 rechtsmedizinischen Untersuchungen von Covid-19-Toten bestätigen diesen Zusammenhang. Demnach scheint das Sars-CoV-2 tatsächlich die Bildung der gefährlichen tiefen Venenthrombosen zu begünstigen. Lösen sich diese Verklumpungen ab, können sie mit dem Blutstrom in die Lunge gelangen und dort eine lebensbedrohliche Embolie hervorrufen – schlimmstenfalls mit einem akuten Herz-Kreislauf-Versagen als Folge. Warum es bei Corona-Infektionen zu Blutgerinnseln kommt, weiß man noch nicht genau. Möglich wäre ein Zusammenhang mit bestehenden Vorerkrankungen der Gefäße und des Herzens, die das Thromboserisiko erhöhen; denkbar wäre zudem, dass längeres Liegen auf der Intensivstation einen negativen Einfluss hat.
Aber es zeichnet sich auch immer mehr ab, dass das Virus selbst Thrombosen verursacht. So ist mittlerweile bekannt, dass der Erreger sich an vielen Stellen im Körper an die Zellen in den Gefäßinnenwänden bindet und dort starke Entzündungen und andere Prozesse in Gang setzt, die eine gestörte Blutgerinnung nach sich ziehen können.
Corona in Deutschland: Blutverdünnungsmittel als Behandlung
Auch wenn man die Mechanismen, über die das Virus eine Thrombose auslöst, noch nicht im Detail kennt, so gibt es doch Möglichkeiten, ihr vorzubeugen: „Wir denken darüber nach, ob diese Patienten nach individueller Risikoeinschätzung primär mit einem Blutverdünnungsmittel behandelt werden sollten, um künftig Thrombosen und Lungenembolien zu vermeiden,“, sagt Dominic Wichmann, Oberarzt in der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Allerdings bedürfe es noch weiterer Studien.
Eine solche Studie beginnt gerade am Universitätsspital Zürich, wo von 1000 Covid-19-Patienten, die nicht im Krankenhaus behandelt werden müssen*, jeder zweite eine Thrombose-Prophylaxe bekommt, während der Rest nur engmaschig beobachtet wird. Auch die Schweizer Wissenschaftler hatten bei einer Studie mit mehr als 300 Covid-19-Patienten einer Mailänder Universitätsklinik festgestellt, dass bei vielen von ihnen Thrombosen und Lungenembolien auftreten.
Coronavirus: Tödliche Verläufe mit Covid-19 treffen Menschen mit Grunderkrankungen
Die Hamburger Obduktionsergebnisse untermauern zudem die inzwischen als gesichert geltende Annahme, dass tödliche Verläufe bei Covid-19 vor allem Menschen mit Grunderkrankungen treffen – und auch die, dass mehr Männer als Frauen an der Infektion sterben. Die Hälfte der ersten zwölf untersuchten Patientinnen und Patienten litt vor ihrem Tod an Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und Asthma, ein Viertel an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Die Wissenschaftler haben mit den Obduktionen am 23. März begonnen und inzwischen 192 Verstorbene untersucht. Das Durchschnittsalter der Hamburger Covid-19-Toten liegt bei 80 Jahren, 56 Prozent waren Männer, 44 Frauen. Neben Herz-Kreislauf- und Lungenleiden stellten die Mediziner als Vorerkrankungen Nierenleiden, Diabetes, Krebs und Demenz fest.
Daneben fanden die Pathologen aber auch an vielen Stellen im Körper Schäden, die das Virus angerichtet hatte. So seien bei den meisten Toten die Gehirne entzündlich verändert gewesen. Spezielle Formen einer Lungenentzündung mit Gewebeeinblutungen waren festzustellen. Zudem ließ sich virales Erbgut nicht nur in den Atemwegen, sondern auch in hohen Konzentrationen im Herz, in der Leber und den Nieren nachweisen, sogar auf der Netzhaut hinterließ das Virus seine Spuren. Die Forscher schließen daraus, dass Sars-CoV-2 sich womöglich über die Blutgefäße im Körper verbreitet.
Von Pamela Dörhöfer
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