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Corona: Astrazeneca beantragt Notfallzulassung für Covid-19-Medikament

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Von: Pamela Dörhöfer

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Antikörper (blau, ypsilonförmig) binden an Oberflächenproteine von Viren, um sie am Eindringen in menschliche Zellen zu hindern. Getty
Antikörper (blau, ypsilonförmig) binden an Oberflächenproteine von Viren, um sie am Eindringen in menschliche Zellen zu hindern. © Science Photo Libra/Getty Images

Das Pharmaunternehmen Astrazeneca hat für seinen Antikörper-Cocktail die Notzulassung in den USA beantragt. In der EU wird das Mittel in einem Rolling-Review-Verfahren geprüft.

Frankfurt – Die Liste potenzieller Therapeutika gegen Covid-19 wird allmählich größer: Wie der US-Pharmakonzern Merck hat auch das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca bei der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) die Notfallzulassung für ein Covid-19-Medikament beantragt, das bei Menschen mit erhöhtem Corona-Risiko einen schweren Verlauf verhindern soll. Bei der europäischen Arzneimittelagentur Ema startete vergangene Woche das Rolling Review-Verfahren für eine beschleunigte mögliche Zulassung.

Während es sich bei Mercks Molnupiravir-Kapseln um ein Virostatikum handelt, dessen Wirkstoff ins Erbgut der Viren eingebaut wird und so deren Replikation verhindern soll, besteht Evusheld aus einer Kombination zweier Langzeitantikörper. Sie heißen Tixagevimab und Cilgavimab und basieren auf B-Zellen von Menschen, die eine Infektion mit Sars-CoV-2 überstanden haben. Im Labor wurden diese monoklonalen Antikörper chemisch modifiziert und in großer Menge hergestellt. Monoklonal bedeutet, dass die Antikörper auf einen einzigen B-Lymphozyten zurückgehen. Das Besondere an Astrazenecas Medikament soll sein, dass es laut Hersteller-Information „Covid-19 sowohl verhindern als auch behandeln kann“. Die beiden enthaltenen Antikörper entfalten ihre Wirkung, indem sie an zwei verschiedene Stellen auf dem Spike-Protein des Coronavirus andocken. So soll verhindert werden, dass die Viren in menschliche Zellen eindringen.

Medikament von Astrazeneca: Bis zu zwölf Monate Schutz vor Covid-19

In der Mitteilung von Astrazeneca heißt es, im Vergleich zu „herkömmlichen Antikörpern“ sei die Halbwertszeit verdreifacht worden. So könne Evusheld „nach einer einzigen Verabreichung bis zu zwölf Monate Schutz vor Covid-19 bieten“. Daten aus der Phase-I-Studie zeigten hohe neutralisierende Antikörpertiter für „mindestens neun Monate“. Ein weiteres Ergebnis der „Optimierung“ der Antikörper ist eine reduzierte Bindung an Fc-Rezeptoren. Fc-Rezeptoren sind Oberflächenmoleküle, die an verschiedene Immunglobuline des Abwehrsystems binden.

Medikament von Astrazeneca: ADE-Risiko verringern

Die reduzierte Bindung an diesen Rezeptor soll das Risiko von infektionsverstärkenden Antikörpern minimieren. ADE ist ein gefürchtetes Phänomen, bei dem durch Impfung oder Infektion gebildete spezifische Antikörper eine Erkrankung eher verschlimmern anstatt sie zu hemmen. Dokumentiert ist das etwa für Dengue-Fieber. Für Covid-19 wurde ADE bisher weder nachgewiesen noch ausgeschlossen.

In der klinischen Phase-3-Studie soll der Antikörper-Cocktail von Astrazeneca die Rate von schweren Erkrankungen oder Todesfällen halbiert haben, wenn die Therapie innerhalb von sieben Tagen nach dem Einsetzen der Symptome begann. Stieg man binnen von fünf Tagen ein, soll das Medikament die Rate sogar um 67 Prozent gesenkt haben. An der Studie hatten mehr als 900 erwachsene Patientinnen und Patienten aus 13 Ländern teilgenommen, bei denen eine Infektion mit Sars-CoV-2 nachgewiesen worden war. Sie zeigten nur leichte Symptome, deren Beginn nicht länger als sieben Tage zurücklag. Fast alle hatten aufgrund von Alter oder Erkrankungen wie Diabetes, chronischen Lungenleiden oder starkem Übergewicht ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf.

Antikörper-Cocktails kann das Risiko einer Erkrankung um 77 Prozent senken

Eine frühere Studie zu Evusheld hatte bereits ergeben, dass eine einmalige prophylaktische Gabe des Antikörper-Cocktails das Risiko einer symptomatischen Covid-Erkrankung um 77 Prozent senken kann. In einer weiteren, gemeinsam mit dem National Institute of Health der USA organisierten Studie wird das Medikament außerdem als Behandlung für Patientinnen und Patienten erprobt, die wegen Covid-19 bereits in ein Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Ein Vorteil gegenüber anderen Antikörper-Präparaten von Eli Lilly und Regeneron/Roche besteht darin, dass Evusheld nicht als intravenöse Infusion verabreicht, sondern in den Muskel gespritzt wird. Intensivmediziner Hugh Montgomery vom University College London und leitender Arzt der Phase-3-Studie, erklärte, es bestehe „ein erheblicher Bedarf an neuen Therapien wie AZD7442 (Evusheld)“, die „zum Schutz“ eingesetzt werden und beitragen können, bei einer Infektion eine schwere Krankheit zu verhindern. Die positiven Studienergebnisse zeigten, „dass eine bequeme intramuskuläre Dosis von AZD7442 eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung dieser verheerenden Pandemie spielen könnte“.

Antikörper-Medikament kostet mehr als 2000 US-Dollar

Wie die New York Times schreibt, hat US-Präsident Joe Biden staatliche und lokale Verantwortliche im Gesundheitswesen aufgefordert, Antikörper-Therapien gegen Covid-19 breiter verfügbar zu machen. In Deutschland können Ärztinnen und Ärzte das Medikament von Regeneron/Roche laut Bundesgesundheitsministerium „nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung“ bei Patientinnen und Patienten mit leichten bis mittelschweren Symptomen, aber hohem Risiko für einen schweren Verlauf im Rahmen der „Therapiefreiheit“ einsetzen.

Bereits im September hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Antikörper-Cocktail von Regeneron (USA) und Roche (Schweiz) als Behandlung für Covid-19-Patientinnen und -Patienten mit hohem Risiko empfohlen – und beide Unternehmen aufgefordert, den Preis zu senken. Laut New York Times kostet eine Behandlung mit einem Antikörper-Medikament mehr als 2000 US-Dollar. (Pamela Dörhöfer)

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