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Höherer Blutdruck als Vorteil im Alter

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Von: Pamela Dörhöfer

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Viele ältere Menschen haben Bluthochdruck. Wie stark man ihn senken sollte, ist umstritten. Getty
Viele ältere Menschen haben Bluthochdruck. Wie stark man ihn senken sollte, ist umstritten. Getty © Science Photo Libra/Getty Images

Eine Studie aus Ulm zeigt, dass für gebrechliche Menschen das Sterberisiko bei Werten von 160 mmHg und mehr sogar sinkt

Ulm – Was die „richtigen“ Blutdruckwerte sind, diese Einschätzung hat sich in den letzten Jahrzehnten mehrfach geändert, meist wurden die Grenzwerte stetig nach unten korrigiert. Undenkbar scheint aus heutiger Sicht die früher geltende Regel, dass beim oberen Wert 100 plus Lebensalter in Ordnung sei. Laut den Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften gelten 120 zu 80 als ideal, liegen die Werte regelmäßig bei 140 zu 90 oder darüber, sollte demnach therapeutisch eingegriffen werden. Allerdings mehrten sich in den vergangenen Jahren auch die Stimmen von Fachleuten, die insbesondere bei älteren Menschen solche niedrigen Zielwerte kritisch sehen.

Eine aktuelle Studie bestärkt die Ansicht, ab einem gewissen Alter den Blutdruck nicht mehr medikamentös auf die vermeintlichen Idealwerte zu drücken.

So sind Forschende der Universität Ulm und der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm in einer im Fachmagazin „Hypertension“ publizierten Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass ein höherer Blutdruck bei älteren Menschen das Sterberisiko sogar senken kann. Die Aussage klingt zunächst überraschend, gilt seit vielen Jahren doch als gesichert, dass Bluthochdruck das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall steigen lässt.

Starke Absenkung des Blutdrucks bei alten Menschen kann für Probleme sorgen

Das ist das Eine. Doch das Forschungsteam hat festgestellt, dass eine starke Absenkung des Blutdrucks bei alten Menschen zu häufigeren Stürzen führen kann, weil durch die Therapie das „körpereigene Kontrollsystem“ aus dem Gleichgewicht gerate, wie es in einer Mitteilung der Universität Ulm heißt.. So könne es durch Störungen der venösen Durchblutung zu einem langanhaltenden Blutdruckabfall nach dem Aufstehen kommen. Und nicht allein das: Gleichzeitig gab es der Studie zufolge auch Hinweise auf eine Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten, wenn der systolische Blutdruck bei älteren Menschen auf Werte unter 130 mmHG gesenkt wurde. Hingewiesen wird auch auf andere Nebenwirkungen blutdrucksenkender Medikamente wie Reizhusten, Allergien und Verdauungsprobleme.

Für ihre Studie haben die Forschenden die Sterblichkeit bei älteren Menschen in Bezug zu Blutdruck und Gebrechlichkeit gesetzt. Sie griffen dabei auf die Daten von 1100 Männern und Frauen aus der ActiFF-Studie zurück, bei der es vor allem um die körperliche Aktivität von über 65-Jährigen ging. Das mittlere Alter lag bei 73,9 Jahren.

Studie: Bei gebrechlichen Menschen verringerte ein höherer Blutdruck das Sterberisiko

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten fest, dass fittere ältere Menschen das geringste Sterberisiko hatten, wenn ihr systolischer Blutdruck bei 130 mmHg lang. Bei gebrechlicheren Menschen allerdings zeigte sich ein anderes Bild: Bei ihnen verringerte ein höherer Blutdruck das Sterberisiko. Am geringsten war es, wenn der Blutdruck bei Werten von 160 mmHg oder höher lag. „Wie wir beobachten können, verläuft das Altern von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Neben den fitten und sportlich aktiven Über-80-Jährigen gibt es gebrechliche und wenig belastbare 70-Jährige“, sagt Kaj-Marko Kremer, Erstautor der Studie. „Unsere Untersuchung bestätigt, wie wichtig dieser Umstand im Alter, beispielsweise in Bezug auf die Anwendung differenzierter Behandlungsansätze, sein kann.“

Die Ulmer Forschenden raten raten, die körperliche und geistige Fitness von Patientinnen und Patienten bei der Behandlung von Bluthochdruck zu beachten – und die Erkenntnisse auch beim Erstellen neuer Richtlinien zur Therapie von Bluthochdruck einfließen zu lassen. (pam)

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