Auch Solarstrom benötigt Ressourcen

Photovoltaik gilt als wichtigste Technik der Energiewende – umso wichtiger ist ihre nachhaltige Produktion.
Solarstrom ist in den vergangenen Jahren extrem preiswert geworden. In neuen Photovoltaik-Großkraftwerken im Sonnengürtel der Erde kann die Kilowattstunde bereits in den nächsten Jahren für einen Cent oder knapp darüber produziert werden – solche Anlagen entstehen unter anderem in Indien, China und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die früher teure „PV“ gilt inzwischen vor der Windkraft als die wichtigste Technologie zum Umbau der Energiesysteme. Allerdings wird der damit verbundene hohe Ressourcenbedarf der Solarmodule und der weiteren Komponenten wie etwa Wechselrichter und Aufständerung selten diskutiert.
Eine neue Studie behebt dieses Manko. Sie zeigt: Der rasante Hochlauf der Technologie ist durchaus machbar. Es braucht aber weitere Fortschritte in der Ressourceneffizienz etwa bei der Herstellung der Solarmodule sowie den Aufbau von Recyclingstrukturen für die Altanlagen, um die darin verbauten Rohstoffe wieder einsetzen zu können.
Die Photovoltaik hat bereits in den vergangenen Jahrzehnten weltweit ein rasantes Wachstum erlebt – um im Schnitt 38 Prozent pro Jahr. Anfang der 1990er Jahre waren erst rund 0,1 Gigawatt installiert, 2020 hingegen waren es bereits 700 Gigawatt. Geht es so weiter, wären 2035 etwa 60 Terawatt (60 000 Gigawatt) installiert. Modelle zeigen laut dem Solarexperten Eicke Weber, dass in etwa diese 60 Terawatt nötig sind für ein Stromsystem, das zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien basiert. Weber war Chef des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und ist heute Vorsitzender des European Solar Manufacturing Council.
Die aktuelle Studie hat 2050 und 2100 als Horizont, Ziel ist eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit. Danach wären Mitte des Jahrhunderts je nach Ausgestaltung des Elektrizitätssystems weltweit 20 bis 60 Terawatt und Ende des Jahrhunderts 80 bis 170 Terawatt nötig, um einen kosteneffizienten Klimaschutz zu betreiben. Bereits bis 2030 wäre danach eine deutliche Steigerung nötig. „Die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad bei niedrigsten Kosten erfordert eine sieben- bis 14-fache Steigerung der PV-Kapazität bis 2030 und einen kontinuierlichen Ausbau danach“, sagt Robert Pietzcker vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), das die Studie zusammen mit dem Fraunhofer ISE gemacht hat.
Das Team konzentrierte sich in der Studie auf die wichtigsten Ressourcen, die für die PV-Ausbau benötigt werden: nämlich Flachglas, Metalle wie Silber und Indium – sowie die Herstellungsenergie.
Hauptbestandteile der Solarmodule ist Glas. Die massive Ausweitung der PV-Produktion wird die Nachfrage laut der Studie deutlich erhöhen. Das Team schätzt, dass 2100 jährlich insgesamt 12 000 bis 22 000 Quadratkilometer Module produziert werden, was in etwa der gesamten derzeitigen weltweiten Flachglas-Produktion entspricht.
Kritische Lage bei Silber
Aus Ressourcensicht sei das „wahrscheinlich nicht kritisch“, heißt es, da Sand als Hauptbestandteil von Glas reichlich vorhanden und Glas recycelbar ist. Allerdings müssten die Produktionskapazitäten dringend erweitert werden, da die Nachfrage nach Glas für andere Zwecke wie etwa Fenster voraussichtlich nicht sinken werde.
Kritisch könnte die Lage bei Metallen wie Silber oder Indium werden, wobei ein Ausweg in einer effizienteren Nutzung besteht. Die nötigen Silbermengen pro Modulfläche sind in der Vergangenheit aufgrund der hohen Preise bereits deutlich gesunken, das leitende Edelmetall wird sparsamer auf die Solarzellen „aufgedruckt“. Kann diese Entwicklung beibehalten werden, wird der Gesamtverbrauch von Silber laut Studie im besten Fall etwa auf dem heutigen Niveau von rund 2860 Tonnen pro Jahr bleiben. Indium hingegen, das für transparente leitfähige Oxide in sogenannten Mehrfachzellen verwendet wird, die höhere Stromausbeute bringen, könnte in absehbarer Zeit knapp werden. Hier hält das Team es für nötig, Ersatzmaterialien zu entwickeln.
Recycling von Modulen
Auch der Energieverbrauch beim Aufbau der globalen PV-Infrastruktur fällt durchaus ins Gewicht. Er werde „einige Prozent des CO2-Restbudgets aufbrauchen, das mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel wäre“, schätzt das Team. „Weil das verbleibende Budget so knapp ist, ist es wichtig, dass auch die Photovoltaik so schnell wie möglich hoch effizient wird“, betont Co-Autor Lukas Wagner vom Fraunhofer ISE. Langfristig würden vier bis elf Prozent des jährlich aus der Photovoltaik erzeugten Stroms für die Produktion von PV-Systemen benötigt. Dieser „Eigenverbrauch“ ist damit ähnlich hoch wie bei Kohle- oder Gaskraftwerken.
Jan Christoph Goldschmidt, Studien-Hauptautor und Gruppenleiter Neue Solarzellen-Konzepte am Fraunhofer ISE, sieht gute Chancen, den PV-Ausbau umwelt- und klimaverträglich zu gestalten. „Glücklicherweise entwickelt sich die Photovoltaiktechnologie ständig weiter, und neue Systeme sind effizienter und verbrauchen bei der Produktion weniger Ressourcen.“ Schon jetzt würden technologische Lösungen wie Tandem-Solarzellen auf Perowskit-Basis entwickelt, die hohe Wirkungsgrade bei niedrigen Kosten und geringem Ressourcenverbrauch versprechen.
Allerdings müssten einige dringende Aufgaben angegangen, sagt Goldschmidt. „Die Entwicklung emissionsarmer PV-Technologien sollte Priorität haben, ein rascher Ausbau der Flachglas-Produktionskapazitäten innerhalb der nächsten zehn Jahre ist notwendig, und wir brauchen Recyclinganlagen, die die enormen Materialströme bewältigen können.“ Aktuelle und künftige Investitionen müssten daher nicht nur auf die Kapazitätserweiterung abzielen, sondern auch auf die Aufrechterhaltung des derzeit hohen Innovationstempos – mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit.