Asteroid im Anflug auf die Erde – Was tun, wenn es schnell gehen muss?

Bedroht ein gefährlicher Asteroid die Erde, brauchen Fachleute viel Zeit, um zu reagieren. Doch was, wenn keine Zeit bleibt? Forschende haben eine ungewöhnliche Idee.
Frankfurt – Was tun, wenn eines Tages ein Asteroid der Erde gefährlich wird? Eine Simulation der US-Raumfahrtorganisation Nasa hat kürzlich gezeigt, was eigentlich längst bekannt war: Derzeit existiert keine Möglichkeit, wie man einen bedrohlichen Asteroiden innerhalb kurzer Zeit abwehren kann. Jahre der Vorbereitung wären nötig. Doch seit einigen Jahren rückt das Thema „planetare Verteidigung“ mehr und mehr in den Fokus. Die „Aida“-Mission von Nasa und Esa beispielsweise soll einen kleinen Begleiter eines Asteroiden aus seiner Bahn schubsen und die Auswirkungen anschließend dokumentieren.
Doch was tun, wenn eine schnelle Lösung hermuss, weil ein Asteroid akut die Erde bedroht? Mit diesem Thema haben sich gleich zwei unterschiedliche Einrichtungen beschäftigt: das europäische Luft- und Raumfahrtunternehmen Airbus und chinesische Wissenschaftler:innen. Vor allem die europäische Idee basiert auf diesem Szenario, in dem der Menschheit ein bis drei Jahre Zeit bleiben zwischen Entdeckung des Asteroiden und dem Einschlag auf der Erde. Airbus geht in der Studie, die von der europäischen Raumfahrtorganisation Esa finanziert wurde, davon aus, dass jedes Jahr weltweit mehrere große Telekommunikations-Satelliten neu gebaut werden – 2019 waren es beispielsweise 15. „Wir können davon ausgehen, dass sie in den Firmen der Satellitenbauer verfügbar sind“, erklärte Albert Falke, der die Studie bei Airbus geleitet hat, gegenüber dem Branchenportal Space.com.
Asteroid auf Kollisionskurs könnte mit Telekommunikations-Satelliten abgelenkt werden
Diese Verfügbarkeit vorausgesetzt, hat sich Airbus folgendes Szenario ausgedacht: Wird ein gefährlicher Asteroid entdeckt, müssten alle Satellitenbauer weltweit die Telekommunikations-Satelliten, die sich im Bau befinden, zu Anti-Asteroiden-Waffen umbauen. Dann sollen alle Satelliten in einem Zeitfenster von etwa einem Monat ins Weltall geschossen werden, um den Asteroiden etwa zeitgleich zu erreichen. Telekommunikations-Satelliten sind in der Regel groß, sie haben meist die Größe eines Busses und wiegen etwa vier bis sechs Tonnen.
Rammen etwa zehn solcher Satelliten innerhalb kurzer Zeit einen 300-Meter-Asteroiden, sollte ihn das vom Kollisionskurs mit der Erde abbringen, so die Studie. Die Satelliten würden die Flugbahn eines etwa 300 Meter großen Asteroiden zwar nur um mehrere Zentimeter verändern, doch das dürfte reichen, um Schaden von der Erde fernzuhalten. Allerdings gibt es zwei Probleme, wie Studienleiter Falke zugibt. Eins davon ist die Verfügbarkeit von Raketen, um die Satelliten ins All zu schießen. „Wir denken, wir können etwa zehn bis 15 weltweite Starts innerhalb eines Monats erwarten“, so Falke.
Wenn ein Asteroid die Erde bedroht: Je größer, desto gefährlicher
Das zweite Problem der Mission: „Wenn der Asteroid größer ist, wird es schwieriger“, gibt Falke zu und meint damit Asteroiden, die größer als 300 Meter sind. Allerdings dürften Asteroiden größere Asteroiden generell früher entdeckt werden, was mehr Zeit für die Vorbereitung bedeutet.
Ein Asteroid, der einen Durchmesser von 300 Metern hat, könnte auf einem ganzen Kontinent Zerstörung anrichten. „Ein solcher Einschlag würde eine Schockwelle, Feuerstürme und Erdbeben auslösen“, so Falke gegenüber Space.com. Bei einem Einschlag in Mitteleuropa müsste „ganz Europa evakuiert werden“, glaubt Falke. „Flora und Fauna wären für Monate und Jahre nach einem solchen Einschlag zerstört.“ Zum Vergleich: Der Asteroid, der vor 65 Millionen Jahren zum Aussterben der Dinosaurier führte, hatte einen Durchmesser von mindestens zehn Kilometern.
Telekommunikations-Satellit als Waffe gegen Asteroiden
Um Telekommunikations-Satelliten als Waffe gegen Asteroiden einsetzen zu können, müssten sie umgebaut werden, zeigt die Airbus-Studie. Ein spezielles Modul müsste Kommunikation und Navigation im Weltall möglich machen. „Wir brauchen konkrete Pläne, wie man diese Module baut und auf die Satelliten packt“, betont Falke. Im Idealfall sollten sie bereits verfügbar und getestet sein, falls ein Notfall eintritt.
Idee aus China: Asteroid mit Hilfe von Raketen ablenken?
Eine andere Idee haben Wissenschaftler:innen aus China. Sie haben für eine Studie den Plan durchgespielt, einen Asteroiden mit Hilfe von Raketen von seinem Kollisionskurs abzubringen. Ihr Ergebnis: Um den Asteroiden Bennu, einen Himmelskörper mit einem Durchmesser von etwa 490 Metern und einem Gewicht von etwa 77,5 Millionen Tonnen, um etwa 9.000 Kilometer (etwa der 1,4-fache Erdradius) abzulenken, müsste man mit 23 Raketen vom Typ „Langer Marsch 5“ auf ihn schießen. Die Studie zum Thema soll im Journal „Icarus“ veröffentlicht werden, wie Space.com berichtet. „Asteroiden stellen eine große Gefahr für das Leben auf der Erde dar“, führt der Hauptautor der Studie, Mingtao Li, darin aus. „Einen Asteroiden auf Kollisionskurs abzulenken ist wichtig, um diese Gefahr zu entschärfen.“
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Doch bevor Satelliten oder chinesische Raketen Asteroiden anpeilen, wird eine andere Mission zu einem Asteroiden aufbrechen: Im November 2021 öffnet sich das Startfenster für die Nasa-Mission „Dart“, die Teil der „Aida“-Mission ist. Im September 2022 soll „Dart“ den kleinen Asteroiden-Begleiter Didymoon rammen. Die Esa-Sonde „Hera“ soll 2024 starten und die Auswirkungen von „Dart“ überprüfen. Dann wird sich zeigen, ob ein so genannter „kinetischer Impaktor“, also eine Raumsonde, die einen Asteroiden rammt, in der Praxis funktioniert. (Tanja Banner)