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Ohne Frauen wie Margaret Hamilton wären keine Männer auf dem Mond gelandet

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Von: Tanja Banner

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Margaret Hamilton neben dem Code, den sie mit ihrem Team für die Mondlandefähre schrieb.
Margaret Hamilton neben dem Code, den sie mit ihrem Team für die Mondlandefähre schrieb. © Draper Laboratory

Ohne Frauen wie Margaret Hamilton wäre die erste Mondlandung nicht möglich gewesen. Dank ihrer Arbeit wurde die Mission nicht vorzeitig abgebrochen.

Etwa 400 Meter trennten das Landemodul noch von der Mondoberfläche, da meldete der Computer an Bord einen Fehler. „Programm-Alarm“, funkte Astronaut Buzz Aldrin zur Erde, „Fehler 1202“. Lampen blinkten, der Rechner war überlastet und der Treibstoff wurde langsam knapp – die Mission „Apollo 11“ stand in diesen Augenblicken kurz vor dem Abbruch. Doch dann griffen die Rettungsprogramme ein: Der Computer brach die weniger wichtigen Aufgaben automatisch ab – und die Landefähre setzte sanft auf der Mondoberfläche auf.

„Hätte der Computer das Problem nicht erkannt und entsprechend reagiert, dann bezweifle ich, dass Apollo 11 die erfolgreiche Mondlandung geworden wäre, die sie war.“ Dieser Satz stammt nicht von Neil Armstrong, Buzz Aldrin oder Michael Collins, den Astronauten der ersten Mondlande-Mission. Margaret Hamilton schrieb ihn 1971 in einem Computermagazin. 

50 Jahre Mondlandung: Ohne Margaret Hamilton hätte es die Rettungsfunktionen nicht gegeben

Sie war für die Rettungsprogramme des Computers verantwortlich gewesen, sie war die Leiterin der Software-Abteilung des Massachusetts Institute of Technology (MIT), das für die Flugsoftware des „Apollo“-Programms zuständig war. Hamilton ist in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, so wie viele andere Frauen unter den rund 400.000 Menschen, die an dem „Apollo“-Programm beteiligt waren. Aber ohne Hamilton hätte es die Rettungsfunktionen nicht gegeben.

„Hamilton steht für eine Generation öffentlich unbekannter Frauen, die dabei mithalfen, die Menschheit ins All zu bringen“, sagte im Jahr 2016 der damalige US-Präsident Barack Obama, als er der bereits 80-Jährigen die Presidential Medal of Freedom verlieh. Man dürfe nicht vergessen, dass es Software-Entwicklung zu dieser Zeit als Berufsfeld noch gar nicht gab, betonte Obama.

Margaret Hamilton neben dem Code, den sie mit ihrem Team für die Mondlandefähre schrieb.
Margaret Hamilton neben dem Code, den sie mit ihrem Team für die Mondlandefähre schrieb. © Draper Laboratory

50 Jahre Mondlandung: Margaret Hamilton spricht vom „Wilden Westen“

„Als ich anfing, wusste niemand, was wir überhaupt tun“, erzählte Hamilton vor einigen Jahren dem US-Magazin „Wired“. „Es war wie der Wilde Westen. Es gab keinen Kurs dafür und niemand hat das Fach unterrichtet.“ Das Gebiet, in dem Hamilton arbeitete, war vollkommen neu. Die wenigen mechanischen Computer, die existierten, waren groß – sie füllten ganze Räume. „Programmieren“ bedeutete damals, Löcher in Lochkarten zu stanzen, die über Nacht auf einem riesigen Computer, der die Arbeit des Mondlandemoduls simulierte, verarbeitet wurden. Sobald der Code funktionierte, wurde er von einer Gruppe von Näherinnen weiterverarbeitet: Sie fädelten Kupferdrähte durch Magnetringe – ein Draht, der durch das Loch geführt wurde, war eine 1, ein Draht, der um das Loch herumgeführt wurde, war eine 0.

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Code, der von Hamilton und ihrem Team stammt, wurde später auch bei der US-Raumstation Skylab eingesetzt. Hamilton entwickelte während ihrer beruflichen Laufbahn unter anderem Konzepte für prioritätsgesteuerte Aufgabenbearbeitung. Dazu gehören auch grundlegende Dinge, die bis heute die Basis verlässlicher Softwarearchitektur bilden. Hamilton gilt – neben ihrer Position als Pionierin der Softwareprogrammierung – auch als die „Erfinderin“ des Begriffs „Software Engineering“, also Softwareentwicklung, der bis heute verwendet wird.

50 Jahre Mondlandung: Frauen wurden als „Computer“ für die Nasa eingestellt 

Hamilton ist nicht die einzige Frau, die zu einer Zeit einem technisch-mathematischen Beruf nachging, als die Gesellschaft Frauen ausschließlich für Haushalt und Kindererziehung zuständig sah. Während 1960 nur 25 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern in den USA arbeiteten, hatten bereits in den frühen Jahren des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der Nasa zu Beginn der 1940er Jahre Frauen dort eine zentrale Rolle: Sie wurden als „Computer“ eingestellt, als „Rechnerinnen“. 

Die meisten von ihnen hatten mathematische Abschlüsse oder konnten einfach sehr gut mit Zahlen umgehen. Sie berechneten zuerst für das US-Militär und später für die Raumfahrt Startfenster, Flugbahnen, Treibstoffverbrauch und andere Dinge, die die besten mechanischen Computer dieser Zeit überforderten. „Eine der Hauptaufgaben der menschlichen Computer war das Berechnen der geplanten Flugbahnen für ein Raumschiff, basierend auf dem Gewicht, der Kapazität der Rakete und der Orbitaldynamik der Planeten“, heißt es beim JPL rückblickend.

50 Jahre Mondlandung: Frauen waren in der Gesellschaft klar benachteiligt 

Während die Frauen bei der Nasa wichtige Aufgaben hatten, waren sie im Privatleben ihren Männern oft untergeordnet: In den 1960er Jahren durften sich Banken in den USA beispielsweise weigern, unverheirateten Frauen eine Kreditkarte auszustellen. Bis in die 70er Jahre hinein wurden viele Kreditkarten nur mit der Unterschrift des Mannes ausgegeben. Auch beim Thema Bildung hatten Frauen zu dieser Zeit das Nachsehen: Die Eliteuniversitäten Yale und Princeton akzeptierten bis 1969 keine Frauen, Harvard sogar bis 1977.

Noch schlechter sah es am Arbeitsplatz aus: Dort erhielten die Frauen nicht nur weniger Lohn als Männer für die gleiche Arbeit, sondern mussten teilweise auch noch Vorschriften einhalten, die ihr Aussehen betrafen. Bei der Fluglinie Pan Am gab es beispielsweise Richtlinien, die die Größe und das Gewicht der Stewardessen regulierten. Wer heiratete oder 32 Jahre alt wurde, musste den Beruf aufgeben.

Katherine G. Johnson bei der Arbeit.
Die Mathematikerin Katherine G. Johnson bei der Arbeit. © Nasa

50 Jahre Mondlandung: Auch die Nasa diskriminierte ihre Mitarbeiterinnen 

Auch bei der Nasa und im JPL war die Arbeit als Frau nicht ganz einfach: Manche Frau wurde wegen einer Schwangerschaft gefeuert, die Namen der Frauen wurden bei Publikationen häufig nicht angegeben und ihre Aufgaben wurden generell als „Frauenarbeit“ angesehen. Die Frauen hinter den Missionen waren lange Zeit unsichtbar, doch in den letzten Jahren haben sich Bücher und ein Hollywood-Film des Themas angenommen. Nathalia Holt, Autorin von „Rise of the Rocket Girls“ erinnert sich in ihrem Buch daran, wie schwierig es war, überhaupt herauszufinden, wer die Frauen waren. 

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Sie habe ein Bild aus den 1950er Jahren gefunden, das eine Gruppe Frauen zeigte, die bei der Nasa arbeiteten. „Das Bild war klar und deutlich, doch die Archivare der Nasa kannten nur ein paar Namen und waren sich nicht sicher, was aus den Frauen geworden ist. Es schien, als wären ihre Geschichten im Laufe der Zeit verloren gegangen“, schreibt Holt. Anschließend machte sie sich auf die Suche nach den Frauen und fand eine ganze Gruppe, deren Geschichten sie in ihrem Buch nachzeichnet. 

50 Jahre Mondlandung: Katherine Johnson rechnete für die Mondlandung und Apollo 13 

Der Film „Hidden Figures“, der 2017 in die Kinos kam, beschäftigt sich mit der Geschichte schwarzer Frauen, die für die Nasa als „menschliche Computer“ arbeiteten. Eine dieser Frauen, die Mathematikerin Katherine G. Johnson, erhielt 2015 vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama die Presidential Medal of Freedom.

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Selbst als mechanische Computer längst Umlaufbahnen berechnen konnten, bat der Astronaut John Glenn Johnson, die Umlaufbahn der Mission „Mercury-Atlas 6“ nachzurechnen, da er Johnsons Fähigkeiten mehr vertraute als dem Gerät. Glenns Mission gelang, er ging als erster Astronaut, der die Erde umrundete, in die Geschichte ein. Johnson dagegen blieb im Hintergrund. Als „Apollo 13“ nach einem Problem vorzeitig zur Erde zurückkehren musste, berechnete Johnson den Rückweg. Auch die Flugbahn für die Mondlande-Mission „Apollo 11“ hat Katherine Johnson berechnet. Hätte es sie und Margaret Hamilton nicht gegeben – wer weiß, wie die Geschichte der bemannten Raumfahrt dann aussehen würde.

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