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„Invasion aus dem All“: Forscher warnen und sehen Schuld beim Raumfahrt-Boom

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Von: Tanja Banner

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Raumfahrt-Missionen zum Mars könnten irdische Mikroben auf dem roten Planeten einschleppen – und veränderte Mikroben wieder zurück zur Erde bringen. (Symbolbild)
Raumfahrt-Missionen zum Mars könnten irdische Mikroben auf dem roten Planeten einschleppen – und veränderte Mikroben wieder zurück zur Erde bringen. (Symbolbild) © Nasa/JPL/dpa

Forscher warnen in einem Paper vor einer „Alien-Invasion“. Gemeint sind Bakterien, die es durch die Raumfahrt aus dem Weltraum auf die Erde verschlagen könnte.

Montreal – Forscher aus Kanada, Australien und Deutschland warnen vor einer „Alien-Invasion“. Damit meinen sie jedoch nicht kleine grüne Männchen vom Mars, die mit fliegenden Untertassen auf der Erde einfallen. Die „Aliens“, vor denen die Forscher warnen, sind viel kleiner und vermutlich auch nicht unbedingt grün: Bakterien aus dem Weltall. Vier Forscher um den Invasionsökologen Anthony Ricciardi von der McGill University in Montreal warnen in einem Paper, das im Fachjournal BioScience veröffentlicht wurde: „Der Weltraum entwickelt sich zu einem neuen Biosicherheits-Risiko.“ Das liege an der Revolution, die es derzeit in der Raumfahrt gebe, angeführt von privaten Unternehmen wie SpaceX von Milliardär Elon Musk.

„Deshalb hat sich das Risikoprofil im Zusammenhang mit Weltraumaktivitäten dramatisch verändert“, beschreiben die Autoren in ihrer Studie die Ausgangslage. Ihre hauptsächliche Sorge gilt der sogenannten „Rückwärtskontamination“, also dass Organismen von der Erde mit außerirdischen Organismen in Kontakt kommen und dann im Rahmen einer Raumfahrtmission zur Erde zurückkehren. „Derzeit wird das als sehr unwahrscheinliches Ereignis angenommen“, betonen die Forscher.

Biologische Invasion aus dem Weltall: Forscher warnen vor Vorwärts- und Rückkwärtskontamination

Noch unwahrscheinlicher sei es, dass ein lebender Organismus unabsichtlich vom Mars zur Erde transportiert, dort freigelassen werde und er sich dann in seinem neuen Umfeld ansiedele. Doch die Forscher wollen auf Nummer sicher gehen. Sie gehen davon aus, „dass diese biologischen Invasionsszenarien mit extremen Natur- und Technologiekatastrophen vergleichbar sind“. Diese seien normalerweise selten, hätten aber potenzielle Folgen, die „inakzeptabel sind und daher einzigartige Schutzmaßnahmen verdienen“.

Als ein Beispiel für unabsichtliche „Vorwärtskontamination“ nennen die Forscher um Ricciardi die israelische Mond-Mission „Beresheet“, die auf dem Mond landen sollte. Bei ihrem Absturz auf dem Erdtrabanten hatte die Sonde tausende winzige Bärtierchen dabei, denen eine hohe Überlebensfähigkeit unter extremen Bedingungen nachgesagt wird. „Der Absturz auf dem Mond zeigt das nicht zu vernachlässigende Risiko eines technologischen Versagens und damit die Notwendigkeit einer Vorsorge gegen biologische Lecks“, betonen die Studienautoren.

Invasion von „außerirdischen“ Bakterien: Raumfahrt-Revolution macht es wahrscheinlicher

In Zukunft könnte das Risiko für Vorwärts- und Rückwärtskontamination größer und vielfältiger werden, heißt es in dem Paper weiter. Es seien bereits verschiedene Organismen bekannt, die die Bedingungen eines Weltraumflugs tolerierten – beispielsweise gebe es Bakterien, die in der Schwerelosigkeit wachsen und sich entwickeln können. Zahlreiche Mikroben könnten extreme Kälte, Strahlung und sogar Austrocknung überleben – Bedingungen, wie es sie etwa auf dem Planeten Mars gibt.

Die Forscher gehen weiter davon aus, dass Regionen, in denen auf fremden Himmelskörpern mikrobielles Leben vermutet wird, bevorzugte Ziele für Missionen sein dürften, die nach Leben im Weltall suchen. Das vervielfältige das Risiko, irdische Organismen mit außerirdischem Leben in Kontakt zu bringen, so die Forscher weiter. Sie gehen davon aus, dass durch die etwa 30 Missionen, die bisher Raumsonden zum Mars geschickt haben, bereits irdische Organismen auf dem Mars angekommen sein könnten – obwohl es strenge internationale Regelungen zum planetaren Schutz gibt.

Invasion im Weltall: Sind irdische Bakterien längst auf dem Mars angekommen?

In den vergangenen zehn Jahre habe man in Reinräumen der Nasa Bakterienstämme gefunden, die eine extreme Beständigkeit gegen ionisierende Strahlung, Austrocknung und Desinfektionsmittel aufgewiesen hätten. In einem Reinraum, in dem die Raumsonde „Phoenix“ gebaut wurde, habe man etwa Bakterien entdeckt, die resistent gegenüber extremen Dosen ionisierender Strahlung gewesen seien. „Phoenix“ landete 2008 auf dem Mars – hat die Raumsonde damals irdische Bakterien mit auf den roten Planeten transportiert?

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Bakterien im Weltall: Manche Organismen können im Weltraum überleben

Experimente konnten zeigen, dass ein bestimmtes Bakterium bis zu drei Jahre an der Außenhülle der Internationalen Raumstation ISS überleben konnte. Das lasse darauf schließen, dass Organismen zwischen Erde und Mars transportiert werden können, so die Forscher in ihrem Paper. Dinge wie eine nicht vollständige Sterilisation, Austrocknung oder Strahlung im oder am Raumschiff könnten außerdem dafür sorgen, dass Organismen für Lebensbedingungen im Weltall oder auf fremden Planeten toleranter werden und ein höheres Invasionspotenzial haben, so eine Theorie.

„Aus diesen Gründen müssen verbesserte Protokolle für den Nachweis von Mikroben während interplanetarer Missionen entwickelt werden“, fordern die Forscher. Sie verlangen zudem, dass künftig Invasionsbiologen in die Entwicklung von Regeln zum planetaren Schutz mit einbezogen werden. Es gebe bereits Protokolle für eine frühzeitige Entdeckung, Gefahrenmanagement und Eindämmungsverfahren für invasive Spezies auf der Erde. Diese könnten für mögliche „außerirdische Invasionen“ angepasst werden. (tab)

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