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Zwei Fleischkonzerne verzichten auf Antibiotika

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Von: Stefan Sauer

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Allein in der Schweinemast wurden 2017 in Deutschland rund 800 Tonnen Antibiotika verabreicht.
Allein in der Schweinemast wurden 2017 in Deutschland rund 800 Tonnen Antibiotika verabreicht. © Imago

Der deutsche Großkonzern Reinert und eine dänische Schlachterei vermarkten Fleisch von Schweinen, die ohne Antibiotika aufgezogen werden.

Der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast wird von einer großen Mehrheit der Deutschen abgelehnt. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Mente factum Anfang Januar gaben vier von fünf Befragten an, die vor allem in der Massentierhaltung gängige Antibiotikaabgabe stelle eine große Gefahr dar. Tatsächlich fördert der Antibiotikaeinsatz im Stall nachweislich das Entstehen resistenter Erreger, die mit Penicillin und Co. nicht mehr bekämpft werden können.

Allein in der Schweinemast wurden 2017 in Deutschland rund 800 Tonnen Antibiotika verabreicht – und damit in etwa die gleich Menge wie in der Humanmedizin. Der Leiter des Vivantes Instituts für Hygiene und Umweltmedizin, Christian Brandt, geht von einigen tausend Menschen aus, die jährlich in deutschen Krankenhäusern multiresistenten Keimen zum Opfer fallen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Sorge der Verbraucher vor sorglosem Medikamenteneinsatz in der Mast berechtigt.

Hinzu kommt, dass die meisten der 1056 befragten Personen den Fleischerzeugern misstrauen: 68 Prozent glauben nicht, dass die Erzeuger verantwortungsvoll mit Antibiotika umgehen. Das sind Befunde, die nicht nur die Mastbetriebe, sondern auch Fleischwarenhersteller, Wurstindustrie und Handel nachdenklich stimmen sollten. Und sie tun es, zumindest was den westfälischen Fleischereikonzern Reinert angeht, der mit weltweit 1200 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 340 Millionen zu den größeren der Branche zählt. „Angesichts der Situation sind wir gefordert, stärker als bislang Verantwortung für Haltungsbedingungen und Medikamenteneinsatz zu übernehmen“, betont Geschäftsführer Hans-Ewald Reinert.

Von Juli an wird die Großschlachterei acht Wurst- und Fleischprodukte vermarkten, die von vollständig ohne Antibiotika aufgezogenen Schweinen stammen. Das Fleisch wird von der dänischen Genossenschaft Danish Crown geliefert. Es stammt aus 38 dänischen Mastbetrieben, die von der Geburt bis zur Schlachtung der Tiere auf Antibiotika verzichten. Bereits 2017 wurden so 200.000 antibiotika-freie Schweine von Danish Crown groß gezogen, deren Fleisch zum größten Teil in die USA ausgeführt wurde. 2021 will Danish Crown bereits 1,5 Millionen solcher Tiere schlachten.

Das ist ein ehrgeiziges Ziel, denn die Haltung ist aufwendig, wie der Geschäftsführer bei dänischen Lieferbetrieben festgestellt hat: Die Tiere hätten größere Auslaufflächen, erhielten vegetarisches Futter, die Ställe verfügten über Tageslicht und gute Belüftung, die Zahl der Mitarbeiter sei überdurchschnittlich, besonderes Augenmerk richte sich auf die Früherkennung erkrankter Tiere. Die betroffenen Schweine würden dann umgehend aus dem Bestand entfernt, und in Ställen mit Antibiotika-Einsatz umgesiedelt.

Die ist allerdings immer seltener notwendig: Gelangte in der Anfangszeit nur etwa ein Fünftel der Tiere aus antibiotikafreier Haltung tatsächlich auch antibiotikafrei bis zur Schlachtung, während die übrigen vier Fünftel aufgrund von Erkrankungen doch mit den Medikamenten behandelt werden mussten, so liegt die Erfolgsquote mittlerweile zwischen 80 und 85 Prozent.

Als Gegenleistung für den erhöhten Aufwand erhalten die Mäster für die antibiotikafrei aufgezogenen Tiere von Danish Crown 20 Cent mehr pro Kilo. Ein wenig tiefer werden auch die Verbraucher dafür in die Tasche greifen müssen. Der Preis werde zwischen dem für Bioprodukte und konventionell erzeugten Waren liegen, so Reinert.

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