Zivilgesellschaft bleibt außen vor

Exklusiver Club: Elf Staatschefs und die deutsche Industrie verhandeln über Afrikas Entwicklung.
Äthiopien ist dabei, Ghana und auch der Senegal - um nur drei von elf afrikanischen Ländern zu nennen, deren Staatschefs am Dienstag in Berlin zum „G20 Investment Summit“ erwartet werden. Für die große Investitionskonferenz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Schirmherrschaft übernommen. Eingeladen sind die Partnerländer des „Compact with Africa“ (CWA), Vertreter von Weltbank, Afrikanischer Union, der Afrikanischen Entwicklungsbank, Internationalem Währungsfonds - und die Vorstände deutscher Unternehmen.
Der „Compact with Africa“ war 2017 das Prestigeprojekt der deutschen G20-Präsidentschaft. Er soll in großem Stil Privatinvestitionen für Afrika akquirieren. Ziel der Initiative: Millionen Jobs für die rasant wachsende Bevölkerung, um den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu geben. Die Bedingung: CWA-Länder verpflichten sich zu Reformen - bekämpfen vor allem die Korruption, arbeiten an rechtsstaatlichen Strukturen, um ein gutes lnvestitionsklima zu schaffen.
Zu den deutschen CWA-Partnerländern zählen bereits die Elfenbeinküste, Ghana und Tunesien. Weitere „Reformchampions“ (Entwicklungsminister Gerd Müller) sollen hinzukommen. Mit Äthiopien, Marokko und Senegal werde die Aufnahme von Verhandlungen nun vorbereitet, heißt es in der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Eva-Maria Schreiber, die der FR vorliegt.
Riesige Märkte
Deutsche Unternehmen jedenfalls haben großes Interesse daran, dass der Kreis der CWA-Staaten wächst. Sieht die Wirtschaft doch auf riesigen Märkten enorme Potenziale schlummern. „Diese in Deutschland bislang größte Investorenkonferenz mit Afrika ist ein wichtiges Zeichen und eine bislang einmalige Chance, die wirtschaftlichen Beziehungen mit unserem Nachbarkontinent voranzutreiben“, sagt denn auch Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft (AV). Der AV ist offizieller Gastgeber des Gipfels am Dienstag, als Hauptsponsor fungiert der Global Player Siemens.
Wie eng die Bundesregierung beim CWA mit Unternehmen und Lobbyverbänden kooperiert, geht aus der Antwort auf die Linke-Anfrage hervor. Aufgelistet werden für die Jahre 2017 und 2018 etwa 15 vom Bund organisierte Investoren-Konferenzen. Im Steuerungskreis für die CWA sitzen neben Vertretern von Ministerien ausschließlich Wirtschaftsverbände - darunter die Industrielobby BDI und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag - sowie die Staatsbank KFW und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
„Zivilgesellschaftliche Stimmen fehlen völlig“, kritisiert Schreiber, Obfrau der Linke-Fraktion im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die werden auch beim Gipfel am Dienstag nicht laut werden. Die Einbindung gesellschaftlicher Gruppen in die Ausarbeitung der Compacts und Reformpartnerschaften „liegt in der Verantwortung der Partnerländer“, heißt es lapidar in der Regierungsantwort. Tatsache, so die Linke, sei aber, dass zivilgesellschaftliche Akteure in afrikanischen Ländern immer wieder darüber klagten, die Verhandlungen über Compacts fänden hinter verschlossen Türen statt.
Enttäuschend fallen für Schreiber auch die Ausführungen zur Frage aus, welche Rolle Umweltschutz und Menschenrechte in der CWA-Initiative spielen. Das Entwicklungsministerium verweist dazu auf den deutschen Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, der an die Unternehmen allerdings nur die „Erwartung“ adressiert, ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten wahrzunehmen.
Bei der Kooperation mit Ghana setzt die Bundesregierung zwar einen Schwerpunkt im Sektor Erneuerbare Energien. Die weitaus größeren Investitionen fließen in dem westafrikanischen Land laut dem jüngsten „CWA Interim Monitoring Report“ der Weltbank aber in den Erdöl-Sektor.
Massiver Steuerbonus
Auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit sieht die Linke bei Projekten mit den Reformchampions skeptisch. So fördere die GIZ im Auftrag der Bundesregierung in Äthiopien die Gründung von Sonderwirtschaftszonen, in denen Firmen für zehn Jahre massiv von Steuern befreit würden. „Wie dies mit dem Ziel zusammenpasst, die Einnahmen afrikanischer Staaten zu erhöhen, ist schleierhaft“, stellt die Linke fest.
Die neue Afrikapolitik der Regierung ordne alles dem Ziel unter, „afrikanische Länder zu Investor-freundlichen Regimen umzubauen“, bilanziert Schreiber. Deutsche Investitionen in Afrika seien zwar nicht völlig abzulehnen. Im Zentrum der Entwicklungspolitik müssten aber die Förderung der Demokratie, der Aufbau öffentlichen Daseinfürsorge für Gesundheit und Bildung sowie die Stärkung heimischer wirtschaftlicher Akteure stehen.
Die deutsche Wirtschaft setzt indes große Hoffnungen auf die Afrika-Konferenz am Dienstag und fordert noch bessere Rahmenbedingungen von der Politik. Insbesondere konkrete Versicherungen und neue Garantieinstrumente erwartet der Afrika-Verein von der Bundesregierung. Sie sollen auch dem Mittelstand helfen, in Afrika zu investieren. Damit sich Deutschland „endlich auch in Afrika der stärksten Wirtschaftsnation Europas entsprechend präsentieren“ könne, sagt AV-Hauptgeschäftsführer Kannengießer.