Ukraine-Krieg versetzt Weltwirtschaft „schweren Schlag“ – Politische Stabilität bedroht

Der Ukraine-Konflikt hat weitreichende Folgen auf die Weltwirtschaft. Die WTO warnt in ihrer Analyse vor einer dramatischen Entwicklung - besonders für arme Länder.
Genf – Die Auswirkungen sind spürbar: Preise steigen, wichtige Lieferungen bleiben aus, Gas und Öl sind knapp und werden immer teurer. Der Ukraine-Konflikt hat großen Einfluss auf die Weltwirtschaft. Europa muss sich laut der Handelsorganisation WTO auf große Einbußen einstellen. Ärmere Länder soll es besonders hart treffen.
Der russische Einmarsch in die Ukraine habe nicht nur eine humanitäre Krise „immensen Ausmaßes“ ausgelöst, sondern auch der Weltwirtschaft einen „schweren Schlag“ versetzt. Der Ukraine-Krieg könnte die globale Wirtschaft nach einer Analyse der Welthandelsorganisation (WTO) in diesem Jahr bis zu 1,3 Prozentpunkte Wachstum kosten. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2022 nach Modellrechnungen nur noch um 3,1 bis 3,7 Prozent wachsen, erklärte die WTO in Genf. Als Grund führt die Organisation höhere Lebensmittel- und Energiepreise und fallende Exporte Russlands und der Ukraine an. „Ärmere Länder sind durch den Krieg großen Risiken ausgesetzt, weil sie im Vergleich zu reicheren Ländern einen größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben“, hieß es. „Das könnte Folgen für die politische Stabilität haben.“
WTO: Ukraine-Krieg versetzt Weltwirtschaft „schweren Schlag“ - politische Stabilität bedroht
Im Oktober war die WTO noch von einem Wachstum des Welthandels in diesem Jahr um 4,7 Prozent ausgegangen. Dies könne nach neuen Berechnungen fast halbiert werden, sagt die Welthandelsorganisation voraus. Es gehe nicht nur um russische und ukrainische Exporte von Energie, Getreide und Sonnenblumenprodukten. Russland sei einer der Hauptlieferanten von Palladium und Rhodium für die Herstellung von Katalysatoren für Autos, die Ukraine versorge die Halbleiterindustrie mit Neon.
„Europa wird die wirtschaftlichen Auswirkungen als Hauptabnehmer russischer und ukrainischer Exporte am stärksten zu spüren bekommen“, so die WTO. Die Organisation warnt vor negativen Folgen, wenn die Weltwirtschaft in Handelsblöcke zerfalle und Länder wieder stärker auf Selbstversorgung in Produktion und Handel setzten. Das schade dem Wettbewerb und ersticke Innovation. Die Folgen wären vor allem für Entwicklungs- und Schwellenländer gravierend.
Organisation | WTO (World Trade Organization); Welthandelsorganisation |
Gründung | 1. Januar 1995 |
Hauptsitz | Genf, Schweiz |
Mitgliedstaaten | 164 |
Generaldirektorin | Ngozi Okonjo-Iweala |
Ukraine-Konflikt: Welthandel droht Einbruch - Lieferprobleme und hohe Kosten erwartet
Der Ukraine-Krieg hat nach Einschätzung deutscher Exporteure Probleme wie Lieferengpässe oder hohe Energie- und Transportkosten noch einmal deutlich verschärft. Dennoch rechnen weiter viele Firmen in diesem Jahr mit einem Umsatzanstieg, wie aus einer Umfrage des Kreditversicherers Allianz Trade (früher Euler Hermes) hervorgeht. Die Zahl der Optimisten ist allerdings nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gesunken.
„Die russische Invasion in der Ukraine und der erneute Ausbruch von Covid-19 in China treffen den Welthandel doppelt hart mit geringeren Mengen und höheren Preisen“, erläuterte Ana Boata, Volkswirtin bei Allianz Trade. Durch Umwege wegen des Krieges und Hafenschließungen gebe es lange Transportzeiten. „Somit bleiben dem Welthandel Verspätungen und hohe Frachtraten länger erhalten als ursprünglich erwartet - auch aufgrund der hohen Energiepreise.“
Ukraine-Krieg: Exporteure befürchten Zahlungsausfälle
Etwa doppelt so viele Exporteure als vor dem Ukraine-Krieg sorgen sich der Umfrage zufolge mittlerweile um steigende Zahlungsausfälle (58 Prozent) bei Abnehmern und um Störungen der Lieferketten (47 Prozent). Hinzu kommen stark gestiegene Transportkosten. „Die meisten deutschen Unternehmen gehen davon aus, dass sich weder bei Transportkosten noch -zeiten 2022 Entspannung abzeichnen wird“, berichtete Milo Bogaerts, Chef von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mehr als die Hälfte der Firmen (53 Prozent) geht mit Ausbruch des Ukraine-Konflikts davon aus, dass sich die Situation weiter verschärft.“ Vor Kriegsbeginn war dies nur bei etwa jedem dritten Unternehmen der Fall.
Trotz der Belastungen rechnet die große Mehrheit der Befragten (84 Prozent) weiter mit einem Umsatzwachstum aus ihren Exporten. Vor dem Ukraine-Krieg waren es allerdings noch 93 Prozent. Sinkende Erlöse erwarten inzwischen 16 Prozent der deutschen Exporteure. Allianz Trade befragte in zwei Wellen - vor und nach Beginn des Krieges - insgesamt mehr als 2500 Unternehmen in sechs Ländern, wie sie die Export-Aussichten für dieses Jahr einschätzen. Der Welthandel dürfte am Dienstag (12. April) besonders aufmerksam nach Russland schauen, wo sich Wladimir Putin erstmals seit Kriegsbeginn den Fragen von Medienvertreterinnen und Medienvertretern stellen will. (ck/dpa)