Mai Thi Nguyen-Kim warnt: „Eure Rente ist nicht sicher“ - und kritisiert grundlegendes Problem

Wer in Deutschland im Ruhestand finanziell gut über die Runden kommen möchte, muss selbst vorsorgen. Wissenschaftsjournalistin Nguyen-Kim weist dabei auf ein grundlegendes Problem hin.
München – Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat trotz des massiven Widerstands der Bevölkerung seine umstrittene Rentenreform durchgesetzt: Das Renteneintrittsalter wird erhöht und fast alle Sonderrentensysteme entfallen. Die französischen Gewerkschaften schäumen vor Wut.
Rente in Deutschland: Politik setzt auch auf Eigenverantwortung
In Deutschland ist das Renteneintrittsalter noch höher – und das Rentenniveau niedriger. Das Rentenniveau zeigt den Zusammenhang zwischen den Löhnen von Arbeitnehmer:innen und den Renten auf – also wie viel Geld Rentebeziehende im Vergleich zum Nettolohn der arbeitenden Bevölkerung bekommen. In Deutschland bleiben den Senior:innen verglichen mit dem Nettogehalt, das Arbeitnehmer:innen kurz vorm Ruhestand bekommen, monatlich rund 52,9 Prozent davon in der Rente übrig. Zum Vergleich: In Frankreich sind es 74,4 Prozent.
Wer in Deutschland also auch im Ruhestand gut finanziell über die Runden kommen möchte, kann sich nicht allein auf die gesetzliche Rente verlassen und muss zusätzlich selbst vorsorgen. „Die Politik setzt darauf, dass wir uns selbst so gut wie möglich um unsere eigene Vorsorge kümmern, um die gesetzlichen und betrieblichen Ansprüche zu entlasten“, erklärt die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim im ZDF – und warnt vor allem Jüngere: „Eure Rente ist nicht sicher.“
Kann Nudging bei der finanziellen Altersvorsorge helfen?
Eine Frage treibt dabei vor allem die Politik um: Wie bekommt man die Menschen dazu, selbst vorzusorgen – vor allem angesichts der Inflation? In der Psychologie gebe es einen Lösungsvorschlag: das Nudging, so Nguyen-Kim. Dabei werden Situationen bewusst so gestaltet, dass die Menschen dabei ein bestimmtes Verhalten häufiger oder seltener zeigen. In der Praxis komme Nudging beispielsweise schon im Supermarkt zum Einsatz – in Form des Schokoriegels an der Supermarktkasse. Auch wenn man nicht geplant hat, diesen zu kaufen, greift man dann beim Warten an der Kasse trotzdem zu. Das sei erfolgreiches Nudging, erklärt Nguyen-Kim. Das Prinzip kennt man auch in der Politik.
Doch bei einem so komplexen Thema wie der finanziellen Vorsorge ist Nudging weniger erfolgreich als beim Schokoriegel. Eine Studie aus Spanien habe zwar gezeigt, dass es bei empfohlenen Vorsorgebeiträgen für Versicherungs-Mitarbeitende funktioniere. Jedoch handelt es sich dabei um ein sehr spezielles Projekt, das nur in bestimmten Zusammenhängen funktioniere, warnt Nguyen-Kim.
Eine Meta-Analyse hat dagegen über zweihundert Studien zum Nudging ausgewertet und festgestellt: den geringsten Erfolg zeigte Nudging im Finanzbereich. Nudging habe also wenig Wirkung, wenn man die Bevölkerung zu eigenen finanziellen Entscheidungen leiten will, erklärt die Wissenschaftsjournalistin. „Nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand kann man ein Nudging für die Rente daher nicht empfehlen.“