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Windige Schwärme

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Von: Wolf Brandes

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Hosen runter am Grauen Kapitalmarkt.

Das Amtsgericht Itzehoe eröffnete am 1. Mai 2014 das Insolvenzverfahren in Sachen Prokon. Bis zur Insolvenz hatte das Windenergie-Unternehmen 1,4 Milliarden Euro eingesammelt – überwiegend in Genussrechten. Die Pleite ist einer der größten Anlegerskandale am Grauen Kapitalmarkt, der sich durch hochriskante Anlagen auszeichnet. Diese werden meist nicht intensiv überwacht, zudem kommen Verbraucher oft für Jahre nicht an ihr Geld. Der Fall Prokon blieb nicht ohne Wirkung. Ein Jahr später verabschiedete der Bundestag das Kleinanlegerschutzgesetz – „Lex Prokon“ genannt -, das verschiedene Einzelgesetze verschärfte, insbesondere das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Somit gibt es mittlerweile eine gewisse Regulierung für Investments am Grauen Kapitalmarkt.

Jene vor zwei Jahren verabschiedeten Regeln stehen nun in Berlin auf dem Prüfstand. In der Diskussion geht es aber nicht um die Wirksamkeit des Kleinanlegerschutzgesetzes zum Beispiel bei Genussrechten, die den Prokon-Anlegern Verluste beschert hatten. Diskutiert wird insbesondere über die „Befreiungsvorschriften in Paragraph 2a bis 2c des Vermögensanlagengesetzes“. Der Finanzausschuss des Bundestages hatte die Bundesregierung gebeten, diese Ausnahmen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls Veränderungsvorschläge zu machen.

Befreiungsvorschriften? Sollte das Kleinanlegerschutzgesetz nicht mehr Sicherheit bringen statt Ausnahmen festzuschreiben? Doch auch am Grauen Kapitalmarkt geht es darum, was gerade „in“ ist. Das politische Hin und Her dreht sich um eine relativ neue Vertriebsform am Grauen Kapitalmarkt – Crowdinvestment oder auch Schwarmfinanzierung genannt, Internetplattformen, auf denen Nachrangdarlehen fast wie eBay-Waren feilgeboten werden. Und Anbieter dieser Investments sind unter bestimmten Bedingungen davon befreit, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen.

Was eigentlich als Förderung von Start-ups gedacht war, wird aber von schnöden Immobilienfirmen genutzt, um Geld einzusammeln. Muss man hier den Anlegerschutz aufweichen? Wohl kaum. Wer Geld von Verbrauchern einsammelt, muss die Hosen runter lassen. Nur so besteht die Chance, dass auf Basis von Informationen Anlageentscheidungen getroffen werden – und die, die etwas zu verbergen haben, von der Bildfläche verschwinden.

Der Autor arbeitet im Bereich Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Hessen.

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