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RWE will Fakten schaffen

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Von: Thorsten Knuf

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Noch steht der Wald: Ein Aktivist im Hambacher Forst klettert zu einem Baumhaus. Seit Jahren wird in dem Gebiet für den Kohleausstieg demonstriert.
Noch steht der Wald: Ein Aktivist im Hambacher Forst klettert zu einem Baumhaus. Seit Jahren wird in dem Gebiet für den Kohleausstieg demonstriert. © dpa

Der Hambacher Forst gilt als Symbol für den Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Braunkohle. RWE plant, weitere Teile des Waldes für den Tagebau abzuholzen - obwohl die Kohlekommission noch tagt.

Eskalation im Streit um die Zukunft der Kohleverstromung in Deutschland: Der Energiekonzern RWE hat Forderungen nach einem Braunkohle-Moratorium offiziell eine Absage erteilt und klargestellt, dass er seine vorbereitenden Arbeiten für eine Erweiterung des Tagebaus Hambach im Rheinischen Revier fortsetzen wird. Ab Oktober dieses Jahres werde das Unternehmen wie geplant weitere Teile des Hambacher Forstes roden, heißt es in einem Brief von RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz an die vier Vorsitzenden der Kohlekommission der Bundesregierung. Das Schreiben liegt der Frankfurter Rundschau vor.

RWE-Vordtandschef Schmitz nennt die Rodungen „zwingend erforderlich“, um die Stromproduktion in den angeschlossenen Kraftwerken ohne Stillstand aufrechtzuerhalten. RWE sehe sich auch nicht in der Lage, der Forderung von Umweltverbänden nachzukommen und die Rodungen so lange auszusetzen, bis die Kohlekommission ihre Arbeit abgeschlossen hat. Alle notwendigen Genehmigungen für die Rodungen seien erteilt. Die Grünen im Bundestag übten heftige Kritik an den Einlassungen des RWE-Chefs.

Um den Hambacher Forst gibt es bereits seit vielen Jahren Streit. Er gilt mittlerweile bundesweit als Symbol für den Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Braunkohle. Immer wieder kommt es dort auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Der Tagebau Hambach westlich von Köln ist der größte von RWE betriebene Braunkohle-Tagebau. Der Forst wird seit Jahrzehnten Zug um Zug für den Kohle-Abbau gerodet. Inzwischen ist nur noch ein kleiner Teil übrig.

Die Umweltverbände in Deutschland dringen darauf, dass während der Arbeit der Kohlekommission keine neuen Fakten geschaffen und laufende Genehmigungsverfahren für Kohlekraftwerke und Tagebaue gestoppt werden. Überdies gibt es die Forderung nach einem Moratorium für Rodungen, Umsiedlungen und Abriss-Arbeiten im Zusammenhang mit der Braunkohle.

Die Kohlekommission der Bundesregierung, die offiziell den Namen „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ trägt, soll bis zum Ende des Jahres einen Fahrplan für einen längerfristigen, sozialverträglichen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung erarbeiten und überdies Ideen für den Strukturwandel in den drei Braunkohle-Revieren in der Lausitz, in Mitteldeutschland sowie im Rheinland präsentieren.

RWE-Chef Rolf Martin Schmitz schreibt nun in seinem Brief an die vier Vorsitzenden des Gremiums: „Einen Zusammenhang zwischen der Arbeit der Kommission und den betrieblich notwendigen Rodungen für die Kohlegewinnung aus dem Tagebau Hambach gibt es nicht.“ An anderer Stelle heißt es: „Eine vorübergehende Aussetzung der ab Oktober 2018 geplanten Rodung im Tagebau Hambach würde bereits kurzfristig die Fortführung des Tagebaus und damit die Stromerzeugung der Kraftwerke Niederaußem und Neurath sowie die Produktion der Veredlungsbetriebe in Frage stellen.“

Für die so genannte „Vorfeldfreimachung“ werden nach RWE-Angaben rund zwei Jahre benötigt. Die Rodungsperiode sei „entsprechend dem Artenschutzgesetz auf die Zeit zwischen Anfang Oktober bis Ende Februar befristet, um damit zum Beispiel das Nistverhalten der Vögel nicht zu beeinträchtigen“, schreibt Schmitz weiter.

Im Tagebau Hambach und in den beiden genannten Kraftwerken sowie in den Veredlungsbetrieben (etwa Koks- und Brikettproduktion) seien derzeit „allein rund 4600 eigene Mitarbeiter und viele weitere Mitarbeiter von Partnerfirmen“ beschäftigt. In einer Anlage des Briefs heißt es, der Tagebau Hambach decke fast 15 Prozent des Strombedarfs von Nordrhein-Westfalen ab.

Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, wies die Darstellungen des RWE-Chefs am Montag entschieden zurück. „In Berlin verhandelt die Kohlekommission über den Ausstieg aus der Kohle, aber im Rheinischen Revier will RWE unwiederbringlich Fakten schaffen“, sagte er der Frankfurter Rundschau. „Der Konzern behauptet, wenn diesen Herbst der verbliebene Rest Hambacher Wald nicht gerodet wird, müsse der Tagebau stillgelegt werden. Genau das hatte RWE auch schon letztes Jahr behauptet. Wegen eines Rechtsstreits wurden die Rodungen ausgesetzt, der Tagebau lief trotzdem weiter.“

RWE versuche jetzt, die Rodungen politisch durchzudrücken, sagte Krischer weiter. „Es ist klar, worum es dem Konzern in Wahrheit geht: Der Wald soll so schnell wie möglich weg, damit es neben dem Klimaschutz kein weiteres Argument gibt, den Tagebau Hambach zu verkleinern.“ Die Kohlekommission könne nicht ernsthaft nach Lösungen suchen, wenn im Hambacher Wald gleichzeitig unter massivem Polizeischutz Jahrhunderte alte Eichen fallen. „Wenn die Bundesregierung die Arbeit der Kohlekommission ernst nimmt, dann muss sie dafür sorgen, dass im Hambacher Wald die Kettensägen aus bleiben.“

Die nächste Sitzung der Kohlekommission soll am Donnerstag stattfinden. Vorsitzende des 31-köpfigen Expertengremiums sind die ehemaligen Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Matthias Platzeck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU), der Bahn-Manager und ehemalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) sowie die Umwelt-Ökonomin Barbara Praetorius. Die Federführung innerhalb der Bundesregierung liegt bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

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