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Wenn der Minijob zur Falle wird

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Von: Stefan Sauer

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Nach dem Willen von Union und FDP sollen Minijobber bald mehr verdienen dürfen.
Nach dem Willen von Union und FDP sollen Minijobber bald mehr verdienen dürfen. © dpa

Der Deutsche Gewerkschaftsbund warnt vor den Plänen von Union und FDP, die Verdienstgrenze anzuheben.

Minijobs sind in Deutschland ebenso verbreitet wie umstritten. Im Juni 2017 übten nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bundesweit gut 7,47 Millionen Menschen eine geringfügige Beschäftigung aus, davon fast 2,7 Millionen im Nebenjob. Besonders viele der Tätigkeiten mit einer Höchstverdienstgrenze von 450 Euro monatlich finden sich im Gastgewerbe und im Handel. Aus Sicht der Beschäftigten hat der Minijob vor allem einen Vorteil: Es werden weder Steuern noch Sozialabgaben fällig, Brutto ist gleich Netto. Auch auf der Arbeitgeberseite sind Minijobs beliebt: Der Verwaltungsaufwand ist gering, die Flexibilität je nach Arbeitsanfall hoch, die Stundenentgelte sind zumeist niedrig.

Nun soll der Minijob „wachsen“. Die Union hat angekündigt, in der kommenden Legislaturperiode die Verdienstgrenze künftig an die allgemeine Lohnentwicklung koppeln und somit jährlich anheben zu wollen. „Wir realisieren den mitwachsenden Minijob“, heißt es im Wahlprogramm. Ein bedrohliches Versprechen, jedenfalls in Augen des DGB. Der Gewerkschaftsbund kritisiert die Minijobs seit langem. Zum einen, weil verbriefte Arbeitnehmerrechte massenhaft missachtet und den Beschäftigten oftmals ihnen zustehende Leistungen vorenthalten werden. In einer Umfrage des Leibniz Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle vom Herbst 2016 gaben

31 Prozent ohne Lohnfortzahlung bei Krankheit

So gaben 34,4 Prozent der Minijobber an, entgegen der gesetzlichen Bestimmungen keinen bezahlten Urlaub nehmen zu können. 31 Prozent bekamen keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, 40 Prozent keine Feiertagszulagen. 14 Prozent erhielten den Angaben zufolge weniger als den gesetzlichen Mindestlohn von seinerzeit 8,50 Euro pro Stunde.

Zum anderen kritisiert der DGB Minijobs gerade ihres vermeintlichen Vorteils wegen: Die Abgabenfreiheit setze einen Anreiz, in geringfügiger Beschäftigung zu verharren und verhindere damit berufliches Fortkommen. Da auch Rentenbeiträge fehlten, führten Minijobs „direkt in die Altersarmut“, heißt es in einer DGB-Analyse, die der Frankfurter Rundschau vorliegt. Trotz mehrheitlich guter Bildung gelinge es nur wenigen Beschäftigten, die Geringfügigkeitsgrenze wieder zu überwinden. Der Minijob werde so zur Falle, besonders für Frauen: Sie machen laut DGB mehr als 70 Prozent all jener 25- bis 65-Jährigen Minijobber aus, die ausschließlich geringfügig beschäftigt sind.

Eine jährlich wachsende Verdienstobergrenze würde aus Sicht der Gewerkschaften die Fehlanreize noch verstärken. Außerdem stiege die Zahl der Minijobber gleichsam automatisch weiter an. Der DGB hat ermittelt, was ein Anheben der Höchstverdienstgrenze parallel zur Lohnentwicklung seit 2013 bedeutet hätte: Im laufenden Jahr läge die Grenze dann bereits bei 499,87 Euro. Hochgerechnet könnten Minijobber im Jahr 2021 sogar 552,86 Euro pro Monat steuer- und abgabenfrei verdienen. Damit würden mehr als 500 000 Beschäftigte, die derzeit zwischen 451 und 550 Euro monatlich erhalten, im Jahr 2021 zu Minijobbern geworden sein.

Anstelle einer solchen Ausweitung fordern die DGB-Gewerkschaften daher, Minijobs durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse allmählich zu ersetzen, dabei aber Geringverdiener etwa durch gestaffelte Sozialbeiträge zu entlasten. Auch SPD, Grüne und Linke wollen die Minijobs zurückdrängen beziehungsweise abschaffen. Ob sich ein solches Vorhaben in absehbarer Zeit allerdings umsetzen lässt, erscheint mehr als ungewiss. Der mögliche Unions-Koalitionspartner FDP möchte die Verdienstobergrenze nämlich ebenfalls an die Lohnentwicklung koppeln.

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