Nur wenige Flüchtlinge bekommen einen Ausbildungsplatz

In vielen Regionen fehlt es an Lehrlingen. Dennoch ist es schwierig, Flüchtlingen eine Ausbildung zu vermitteln. Eine Bustour mit Ministerin Wanka zeigt warum.
„Am ersten Tag habe ich Angst gehabt“, erzählt der 17-jährige Adnan Al Masalma über sein Praktikum in einem Autohaus in Magdeburg. „Kann ich das? Mögen mich die anderen? Wer versteht mich, wenn ich etwas nur mit den Händen sagen kann?“
Das waren die Fragen, die der junge Flüchtling aus Syrien sich stellte. Hinter ihnen verbarg sich auch die Hoffnung, später eine richtige Arbeit in dem Unternehmen zu erhalten.
Jetzt, einige Zeit nach dem Praktikum, ist Al Masalma wieder im Betrieb – als Teilnehmer einer Bustour, bei der junge Flüchtlinge sich über Ausbildungschancen bei Unternehmen informieren können.
Veranstaltet wird die Tour von einer Anlaufstelle für Flüchtlinge, der Kausa Servicestelle Sachsen-Anhalt Nord, die vom Bundesbildungsministerium gefördert wird. Deshalb ist auch Ministerin Johanna Wanka (CDU) zur Bustour hinzugestoßen, um in Augenschein zu nehmen, ob das Projekt in der Praxis funktioniert.
Erst vor kurzem hat Wanka den Berufsbildungsbericht vorgestellt, in dem vermerkt ist, dass vielerorts Lehrlinge fehlen. „Für die jungen Leute ist die Situation wunderbar“, sagt Wanka in Richtung Al Masalmas und der anderen Teilnehmer der Bustour.
„Wir haben in Deutschland auf 100 junge Menschen, die sich um eine Ausbildung bemühen, 104 Ausbildungsplätze – im Durchschnitt“, sagt die Bundesbildungsministerin. Es gebe große Unterschiede zwischen den Regionen. Gerade in Sachsen-Anhalt fehlten in vielen Betrieben Auszubildende.
Nur wenige Flüchtlinge bekommen einen Ausbildungsplatz
Dennoch ist es alles andere als leicht, Flüchtlinge in Ausbildungen zu vermitteln. Die Anlaufstelle in Magdeburg, die Veranstalter der von Wanka besuchten Bustour ist, hat in den vergangenen zwölf Monaten 75 Unternehmen beraten.
Viele Jugendliche wurden in Sprachkurse und andere Projekte weitervermittelt. Bislang sind aber nur drei der von der Servicestelle beratenen jungen Flüchtlinge in eine Einstiegsqualifizierung und zwölf weitere in eine Ausbildungsvorbereitung gelangt.
„Das sind sehr niedrige Zahlen“, sagt Wanka. Die Kausa Servicestelle verweist darauf, dass das Gros der Flüchtlinge erst noch aus den Integrationskursen komme. Viele Jugendliche seien nicht ausbildungsreif und hätten Sprachdefizite. Und so staunen die jungen Flüchtlinge nicht schlecht, als die Ausbildungsverantwortlichen des Magdeburger Autohauses ihnen erklären, was sie von denen, die den Beruf des Kfz-Mechatronikers erlernen wollen, erwarten: mindestens Realschulabschluss, gute Noten in Deutsch, Mathe und Physik, hohe Kommunikationsfähigkeit für den erfolgreichen Umgang mit Kunden und Kollegen sowie einen bestandenen Einstellungstest.
Mangelnde Sprachkenntnisse, fehlende Qualifikationen
Arbeitsmarktexperten sehen zwei große Probleme, wenn es darum geht, Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen. Das eine Problem ist, Menschen, die nicht von hier kommen, erst mal vom Wert einer dualen Ausbildung zu überzeugen. Denn viele hören zum ersten Mal in ihrem Leben von einer solchen. Und nicht wenigen von ihnen erscheint es attraktiver, möglichst schnell in einer niedrig qualifizierten Beschäftigung zu arbeiten und damit mehr Geld zu verdienen als in einer Ausbildung.
Das andere Problem ist, dass es vielen Flüchtlingen noch an Qualifikationen fehlt, vor allem aber an Sprachkenntnissen. Wenn aber etwa ein Anfang 20-Jähriger, der gerade ins Land gekommen ist, erst die Sprache gut erlernen und dann auch noch einen Schulabschluss nachholen soll, dauert es viele Jahre, bis er eine Ausbildung abschließen könnte. „Immer schön eins nach dem anderen“ – nach diesem Grundprinzip handeln viele in Deutschland. Doch es ist in diesem Fall schlicht nicht effizient.
Deutsch lernen in der Ausbildung
Wissenschaftler empfehlen deshalb dringend, verstärkt Angebote zu entwickeln, bei denen Spracherwerb und Erfahrungen im Betrieb gleichzeitig möglich sind. „Parallele Angebote haben neben der Zeitersparnis weitere Vorteile“, schreiben Reiner Klingholz und Stephan Sievert vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in ihrem Diskussionspapier „An die Arbeit“, für das sie auch lokale Arbeitsmarktinitiativen für Flüchtlinge befragt haben. „Flüchtlinge können so das gelernte Vokabular schnell im Arbeitsalltag einsetzen und ausbauen und erkennen so die Sinnhaftigkeit der Sprachkurse.“
Ein Pionier, was diesen Ansatz angeht, ist Helmut Peter. Er hat in seiner Autohauskette im thüringischen Nordhausen – anders als das von Wanka besuchte Autohaus in Magdeburg – Flüchtlinge als Auszubildende eingestellt, deren Deutschkenntnisse nicht mal ansatzweise optimal sind. Im ersten Lehrjahr gehen sie noch viel in den Sprachunterricht. Weil sie noch nicht so viel für das Unternehmen leisten können wie andere Lehrlinge, erhält Peter eine Förderung vom Jobcenter. Mit der Berufsschule hat er darüber gesprochen, dass manche Prüfungen eben später absolviert werden müssen. „Wer im Heim rumsitzt, ist frustriert und macht Unsinn“, sagt Peter. „Das muss nicht sein, wenn alle ein bisschen flexibel sind.“
Das findet auch Adnan Al Masalma. „Ich will Mechatroniker werden“, sagt er, wobei ihm das Wort flüssig über die Lippen geht. Er hofft, dass er bald die hohen Anforderungen seines Magdeburger Praktikumsbetriebs erfüllt. Der 17-jährige Syrer ist seit eineinhalb Jahren in Deutschland. Im Moment besucht er die neunte Klasse. Dann braucht er noch ein Jahr bis zum Realschulabschluss. Danach erwartet ihn der Einstellungstest. „Ich fände es toll, wenn er hier mal anfängt“, sagt der Auszubildende Hannes Dietrich (22), der den früheren Praktikanten mit Handschlag begrüßt. „Der brennt für Autos“, sagt Dietrich. „Das ist doch das Wichtigste.“