Es darf in dieser Sache nicht um Emotionen beteiligter Akteure gehen, dafür ist der Luftverkehrsstandort Frankfurt viel zu wichtig. Es geht vielmehr darum, die richtige Perspektive für den Flughafen und seine Nutzer zu finden, und da haben wir als der mit Abstand wichtigste Kunde eine klare Haltung. Dabei hilft es, die Fakten zu kennen. Lufthansa blickt in Frankfurt auf eine 60-jährige Erfolgsgeschichte zurück. Daher liegt uns nicht nur die Zukunft unserer Airlines am Herzen, sondern wir haben auch die nachhaltig positive Entwicklung dieses Standorts im Blick. Schließlich haben wir über die Jahre 60 bis 70 Prozent der Infrastruktur mitbezahlt. Wir haben größtes Interesse daran, dass der Flughafen gut funktioniert.
Schließlich ist die Lufthansa mit etwa neun Prozent an Fraport beteiligt.
Ein Argument mehr, warum wir uns für eine richtige Luftverkehrs-Strategie in Frankfurt einsetzen.
Ist die Funktion des Drehkreuzes in Gefahr, weil Ryanair seit Ende März von Frankfurt aus startet?
Eine positive Entwicklung des Rhein-Main-Flughafens im Wettbewerb mit anderen Drehkreuzen wird zumindest konterkariert. Denn es hat noch kein Flughafen davon profitiert, durch falsche Anreize Strecken aus einem bestehenden Netzwerksystem in das Billigflieger-Segment zu verlagern.
Warum konterkariert?
Wenn Ryanair demnächst auf 19 Strecken von Frankfurt aus startet, auf denen die Lufthansa auch fliegt, dann bringt das Fraport kein Wachstumspotenzial und keine Ausweitung des Angebots für die Kunden, sondern einfach nur eine Umverteilung der Geschäfte – nicht durch die Tatkraft des neuen Wettbewerbers, sondern durch das Gebührenmodell. Für uns ist es doppelt so teuer wie für den irischen Billigflieger. Das macht wirtschaftlich auch keinen Sinn für den Flughafen.
Aber Fraport umwirbt die Billigflieger doch auch deshalb, weil die Lufthansa als größter Nutzer des Airports in Frankfurt stagniert.
Es ist richtig, dass wir in den vergangenen Jahren hier nicht wachsen konnten. Aber das hat unter anderem Gründe, die der Flughafen selbst zu verantworten hat. Der Wettbewerb in der Luftfahrt hat sich deutlich verstärkt. Auf der arabischen Halbinsel sind starke neue Airlines entstanden, die von großen Heimatflughäfen aus operieren. Wie hat Fraport darauf reagiert? Mit Gebührensteigerungen. Die Flughäfen in München oder Zürich sind andere Wege gegangen und wachsen mit uns durch eine gelebte Partnerschaft. Uns stellt sich die Frage: Wie sollen wir in Frankfurt mit den höchsten Gebühren wachsen, wenn alle anderen in Bewegung sind?
Jetzt bewegt sich Fraport doch: Die neue Gebührensystematik gewährt Rabatte für Airlines, die Passagierwachstum bringen.
Ja, die Antwort der Fraport war, Billigflieger zu umwerben. Allerdings wollte zu den regulären Preisen keiner kommen.
Das hat der Ryanair-Chef Michael O’Leary klar gesagt: Er sei nach Frankfurt wegen der günstigen Gebühren gekommen. Er zahlt im ersten Jahr statt rund 30 nur 16 Euro pro Passagier.
Aus unserer Sicht ist das eindeutig diskriminierend. Deshalb haben wir im Vorstand überlegt, ob wir gegen die neue Gebührenordnung juristisch vorgehen. Es geht dabei nicht nur um einige wenige Flüge, sondern um die Perspektive des Standorts. Wir sind der größte und attraktivste Arbeitgeber in Hessen mit einem breiten Angebot an verschiedenen Arbeitsplätzen. Allein in diesem Jahr stellen wir über 1500 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hessen ein.
Aber warum hat Lufthansa als Fraport-Großaktionär nicht schon vorher etwa über den Aufsichtsrat interveniert? Eine neue Gebührenordnung fällt doch nicht vom Himmel.
Leider doch – es kam für uns aus heiterem Himmel. Die Diskussionen über Gebühren, an denen wir beteiligt waren, drehten sich immer um eine Erhöhung. Auf einmal ging es dann um die Frage, was wachstumsfördernd für den Low-Cost-Bereich sein könnte, ohne dass wir darüber großartig in Kenntnis gesetzt wurden. Das ist vor dem Hintergrund einer sehr langen Partnerschaft schon schwierig.
Haben Sie schlicht Angst davor, dass Ryanair die Lufthansa auf vielen Strecken von Frankfurt aus verdrängt?
Mit Ryanair und anderen Billig-airlines stehen wir seit vielen Jahren und an vielen Airports im direkten Wettbewerb. Das schreckt uns nicht. Trotzdem muss man wissen: Wenn ein Konkurrent eine 50-prozentige Ermäßigung von Fraport erhält, hat Lufthansa zumindest auf diesen subventionierten Strecken kaum noch eine Chance, profitabel zu fliegen.
Klagen Sie denn jetzt?
Zunächst noch nicht, denn uns ist an einer konstruktiven Lösung gelegen. Wir müssen wieder zu einer guten Systempartnerschaft am Standort Frankfurt kommen, denn nur so können wir gemeinsam erfolgreich sein. Schließlich haben wir das auch in Zürich und München geschafft. Auch ein Flughafen wie Amsterdam hat es verstanden, gemeinsam mit der heimischen Fluglinie erfolgreich zu wachsen. Wir brauchen daher ein neues Format, um auch hier wieder nach vorne zu schauen.
Wie soll das neue Format konkret aussehen?
In München ist beispielsweise unsere Kooperation bei den Terminals eine ganz wichtige Säule der Partnerschaft. Aber wir sprechen dort auch über Fragen, wie sich die Auslegung des Flughafens weiterentwickeln kann. Wie können wir bei der Abfertigung am Boden effizienter werden? Das trägt dann auch dazu bei, dass in der Gebührengestaltung Spielräume entstehen, die wiederum zu nachhaltigem Wachstum führen, weil eben Synergien entstehen. Und zusätzlich diskutieren wir über die Frage: Welche Investitionen müssen wo getätigt werden? Denn auch dies beeinflusst die Gebühren.
Wollen Sie über den geplanten Bau des Terminals 3 mit Fraport sprechen, das größer wird als der gesamte neue Berliner Flughafen und 2023 fertig sein soll?
In München haben wir den Bau gemeinsam mit dem dortigen Flughafenbetreiber umgesetzt. Für Frankfurt könnte man darüber nachdenken, ein Leasing für ein Terminal zu vereinbaren, was zugleich ein langfristiges Bekenntnis von uns zu Frankfurt wäre.
Zuletzt war zu hören, dass Fraport die Arbeiten fürs Terminal 3 beschleunigen will, um Platz für Billigflieger zu schaffen. Wollen Sie jetzt den Bau von Terminal 3 verzögern?
Uns geht es darum, dass auch die dringlichen Probleme im Sinne unserer Passagiere endlich angegangen werden. Dazu zählen Verbesserungen etwa bei den Bodenverkehrsdiensten oder den Sicherheitskontrollen. Dabei muss es darum gehen, sich gegenseitig zu helfen. Wir wollen gemeinsam den Fokus wieder darauf ausrichten, das Reiseerlebnis bei Flügen von, nach und über Frankfurt zu verbessern.
Aber am Ende soll stehen, dass die Gebühren, die Lufthansa zahlt, den Gebühren für Ryanair angenähert werden?
Selbstverständlich. Die Gebühren müssen sich zumindest einmal annähern. Warum sollten wir das Doppelte zahlen?
Für wann soll das gelten? Schon vom Winterflugplan 2017 an?
Einen konkreten Termin zu nennen, ist schwer. Im ersten Schritt werden wir diskutieren, was wir gemeinsam erreichen können. Im zweiten Schritt müssen wir rasch eine Lösung bei den Gebühren finden. Und als dritten Schritt sehe ich gemeinsame Maßnahmen und Initiativen zur Verbesserung von Qualität und Effizienz.
Welche Rolle spielt dabei die Politik? Schließlich halten die Stadt Frankfurt und das Land Hessen die Mehrheit an Fraport.
Die Politik spielt eine enorm wichtige Rolle. Besonders bedeutsam sind Verlässlichkeit und Konsistenz. Man kann aber nicht einerseits höchste Sozialstandards für die Beschäftigten fordern und gleichzeitig Airlines mit Nachlässen ködern, die diese Sozialstandards nicht einhalten. Das passt nicht zusammen.
Was Ryanair bestreitet!
Fragen Sie doch einfach mal bei Betroffenen nach. Mir geht es darum: Die Politik muss klar sagen, ob Frankfurt als Drehkreuz-Flughafen weiterentwickelt werden soll oder ob hier perspektivisch ein Low-Cost-Standort gewünscht ist.
Lautet die Antwort nicht: Drehkreuz-Airport mit wachsendem Billigflieger-Anteil? Ist das nicht auch plausibel, da der sogenannte Billigflug immer mehr zum Standard im europäischen Verkehr wird?
Natürlich ist ergänzend zu der Rolle als Drehkreuz ein Low-Cost-Segment vorstellbar. Dafür gibt es auch Raum, weil wir sicher nicht jede Urlaubsdestination in Süditalien anfliegen. Wir wollen aber wissen, was das führende System sein soll. Ich halte es für vorbildlich, dass Amsterdam den Hub zum führenden System erklärt und auf Basis dieser Strategie für alle die Gebühren gesenkt hat. Das hat dem Flughafen Wachstum gebracht. In Frankfurt ist die Strategie für die Netzwerkairlines etwas schwieriger erkennbar. Da wird die Erweiterung im Süden erst als Araber-Terminal präsentiert, um dann wenige Monate später zum Low-Cost-Pier umgewidmet zu werden. Aus der Perspektive des größten Kunden erschließt sich dieser Strategieschwenk nicht.
Was würde denn passieren, wenn es beim Status quo bliebe?
Wesentliche Bereiche des Flughafens arbeiten heute bereits am Limit. Das gilt beispielsweise für die Gepäckanlage aber auch für Start- und Landekapazitäten in den Spitzenzeiten. Sollte durch die Förderung des Low-Cost-Verkehrs unsere Pünktlichkeit oder die Qualität der Abfertigung leiden, dann wäre auch unsere Systempartnerschaft weiter geschwächt. Dazu darf es unter keinen Umständen kommen. Low-Cost und Hub-Verkehr mit gleicher Priorität zu bewirtschaften, hat noch kein Airport geschafft.
Sie könnten weitere Kapazitäten nach München verlagern?
Uns ist am Erfolg von Frankfurt gelegen, hier ist unsere Heimat und hier wächst die Lufthansa-Gruppe. Deshalb setzen wir alles daran, hier wieder eine genauso erfolgreiche Partnerschaft mit dem Flughafen zu entwickeln, wie in München, Zürich oder Wien.
Aber Ihre Billigflugtochter Eurowings kommt dennoch nach Frankfurt?
Wir haben das noch nicht beschlossen. Das hängt von den anstehenden Verhandlungen mit Fraport ab. Aber ich würde einen Einstieg von Eurowings in Frankfurt begrüßen, weil dadurch das Angebot unserer Kernmarke mit ihrem Interkontinentalnetz und den europäischen Zubringerverkehren gut ergänzt werden kann.
Mehr Billigfliegerei in Frankfurt – das hat zu einem Aufschrei der Menschen in den Anrainerkommunen des Flughafens geführt, weil sie mehr Lärm befürchten. Haben Sie dafür Verständnis?
In den vergangenen vier Jahren haben wir rund acht Milliarden Euro in die Modernisierung unserer Flotten investiert. Mit diesen Flugzeugen werden wir immer leiser. Und es wird noch leiser werden, da wir weitere hochmoderne Flugzeuge wie die A320 neo in großer Zahl bestellt haben. Durch unsere Investitionen wird der Flughafen für die Anwohner leiser. Aber dafür brauchen wir die politische Unterstützung. Der Luftverkehrsstandort schafft viele Arbeitsplätze. Das bringt Vorteile für die gesamte Region. Die Nachteile, die uns sehr bewusst sind, minimieren wir, wo immer es geht.
Interview: Frank-Thomas Wenzel